Memel, Krieg und Flucht

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Vorwort

Hans-Jürgen Wertens schreibt im Dezember 2014 von seinem Versuch, Licht in die Flucht seiner Mutter zu bringen.
Sie ist mit Hans-Jürgen, der für eigene Erinnerungen zu jung war, aus Memel geflüchtet.


Liebe Mitforscher des Memellandes,
meine jahrzehntelange Planung eines Fluchtberichtes soll ein Ende haben, ich packe es an!

Meine Mutter habe ich über zwei Jahre hartnäckig bekniet, einen zu schreiben. Über eine handgeschrieben DIN A4 Seite ist sie nicht gekommen.

Heute verstehe ich nur allzu gut, warum sie ausgewichen ist/ausweichen musste.

Bis zur Evakuierung aus der Stadt Memel auf einen Bauernhof im Ksp. Prökuls ist sie in ihrem Bericht gekommen. Als alte Frau sagte sie: „Die schönsten Wochen meines Lebens.“

Nach der Flucht aus Memel, nun in der Nähe von Allenstein,
Tannenbergdenkmal, im Okt. 1944
Bild: Hans – Jürgen Wertens


Leider finde ich bei Google über die Evakuierung der Mütter mit Kleinkinder nichts. Außer Allgemeines vom ganzen Reich: diese Personen hatten ein Anrecht auf Evakuierung , einschl. der Kostenerstattung.

Ich mutmaße: Nach der vermehrten Bombardierung der Stadt durch die Russen ist wohl, der vorgenannte Personenkreis aufs weniger gefährdete Land verschickt worden. Das muss unmittelbar vor der endgültigen Flucht Ende Juli gewesen sein, da der Bauer die Nachricht meiner Mutter überbrachte: Mütter mit Kleinkinder müssen als erste die Flucht antreten. Meine Mutter mit zwei Kleinkinder bekam eine junge Frau als Hilfe – neben der Großmutter – mit. Sie sprach immer von einem „Flüchtjer-Mädchen“.

Wie kamen wir heraus? Mit dem Schiff? Wenn ja, mit welchem und wohin?

Wenn ich den Fluchtbericht (niedergeschrieben im Mai 1946!) aus dem Internet für wahr halte, so müssen wir ähnlich herausgekommen sein:

„Am Sonnabend den 30 Juli 1944 14.00 Uhr bekamen wir den Räumungsbefehl. Mutti schickte uns früh ins Bett und packte mit Vati die Rucksäcke. Morgens um 4 Uhr standen wir auf und gingen um 1/2 6 zur Fähre, die um 6 Uhr fahren sollte. Um 1/2 8 fuhren wir ab weil immer noch Leute kamen. Um 1/4 3 Uhr kamen wir in Labiau an.“


Nun habe ich nur noch Fragmente:

a) wir sind auf einer der letzten Fahrten der Gustloff herausgekommen

b) wir sind noch wochenlang durch Ostpreußen geirrt/oder hin- und hergeschoben. Am Tannenbergdenkmal sind wir auch gewesen, da ich noch ein Foto davon besitze.

c) Frachtpapier von Anklam über Flüchtlingsfracht nach Magdeburg/Staßfurt

Mein Reim: 1. Wir sind auch nur aus der unmittelbaren Gefahrenzone herausgebracht worden, bis Labiau und ???. – Dann durch Ostpreußen hin und her geirrt/verschoben – von einem größeren Hafen (Königsberg/Pillau – Danzig) mit der Gustloff nach Anklam.

Kann Jemand ergänzen, berichtigen, hat einen besseren Reim?

Unser Fluchtgefährt: vermutlich beim Bauer – Nähe Prökuls oder bereits auf der Flucht (mein verstorbener Bruder Manfred und ich)

Unter der Matratze war der Fluchtkoffer mit Papieren, Sparbücher, Urkunden, Fotos und …


Nach fast 70 Jahren zurück mit Fluchtkoffer in Memel am Bahnhof: