Demuth (Familienname)

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Herkunft und Bedeutung

Diemute, unser heutiges Demut, war im Mittelalter ein beliebter weiblicher Taufname und entwickelte sich in der Folge zum Übernamen. Es handelt sich um ein Metronymikon, einen von der Mutter abgeleiteten Namen.[1]

Der Begriff dêmuot hat zwei Wurzeln. Das althochdeutsche Verb thionon oder dionon[2] für neuhochdeutsch dienen ist ebenso darin enthalten wie muot. Letzteres bedeutet Sinn, Geist, Gemüt oder Gemütslage und Geisteshaltung. Demut läßt sich also am besten wortwörtlich mit dem Ausdruck "dienende Haltung" übersetzen. Das Mittelhochdeutsche Wörterbuch[3] nennt Demut, Herablassung, Milde und Bescheidenheit.

In der Dichtung des Hochmittelalters (12./13. Jh.) zählte diemüete neben dem Gegenbegriff "hoher muot" zum damaligen Wertekanon. Hoher muot ist eines der Schlüsselworte in den Werken eines Hartmann von Aue[4], Gottfried von Straßburg[5] oder Wolfram von Eschenbach[6]. Mit jener geistigen oder seelischen Befindlichkeit, die am besten mit freudig erhöhter Stimmung oder Hochgefühl (keinesfalls mit Hochmut) übersetzt werden kann, erwarb der Protagonist der Handlung, − ein meist unerfahrener Ritter −, Ruhm, Ehre und gesellschaftliches Ansehen. Sein Erfolg steigerte selbstredend auch das Image des Dienstherrn. "Weiche Tugenden" wie zum Beispiel Großzügigkeit, Mitgefühl und Demut trugen zur charakterlichen Komplettierung des Ritters bei.

Die Bandbreite der Gemütslagen und Geisteshaltungen, die sich im Wortfeld muot niederschlägt, ist groß. Dabei stellen die femininen Nomen

  • Anmut, Sanftmut, Wehmut, Schwermut, Langmut und Demut

Gefühlsregungen dar, die sich weitgehend unerkannt in der (weiblichen?) Seele abspielen. Grammatiker bezeichnen diese Spielart des Nomens als "introvertierte(n) Affektbegriff".[7] Im Gegensatz dazu sind die maskulinen Nomen

  • Hochmut, Übermut, Wagemut, Unmut und Wankelmut

traditionell männliche, zumeist sichtbare, weil nach außen abgeleitete Stimmungslagen und Verhaltensweisen. Sie nennt man "extrovertierte Affektbegriffe".

Der literarische Widerschein von "Fürstenehre und Rittertugend, ein hübsches Spiel edler Regeln"[8] entsprach nicht im geringsten der mittelalterlichen Realität. Denn die "Wirklichkeit des Adels sah um 1200 offenbar ganz anders aus. Wir hören von politischen Morden, und die Fehden der Großen wurden mit Verrat, Erpressung, Raub und Brandschatzung geführt. Gegen diese harte Wirklichkeit haben die Dichter das ritterliche Tugendideal gestellt, den Traum vom adligen Menschen, der die Demut in seinen Adel aufgenommen hat und der darum ringt, zugleich den Pflichten der Welt und dem Anspruch Gottes zu genügen."[9]

Demut hängt eng mit dem Akt des Dienens und der Herablassung zusammen. Im Althochdeutschen gibt es das Verb thiomuoten im Sinne von neuhochdeutsch demütigen. Hier handelt es sich nicht etwa um einen Bedeutungswandel innerhalb der vergangenen elf Jahrhunderte, sondern um die dem Begriff eigentümliche Ambivalenz zwischen (aktiv) sich herablassen und (passiv) herabgelassen, zur Unterwerfung gedrängt werden. Im ersten Falle feiert man selbst einen inneren Sieg, im anderen Falle triumphiert der Demütigende über den in einer Demutshaltung Verharrenden. Hierzu paßt auch die Überlieferung eines "unduldsame(n) Wort(es) des Bischofs Remigius von Reims bei der Taufe des Frankenkönigs Chlodovech (um 496): Beuge dein Haupt in Demut, stolzer Sigamber, und verehre von nun an, was du bisher verbranntest, und verbrenne, was du bisher verehrtest!"[10]

Trotz (oder gerade wegen?) der Zweideutigkeit demütigen und demütig sein - Demut galt zumindest in der mittelalterlichen Literatur als hohe Tugend. Das Sprichwort "Hochmut kommt vor dem Fall" ist uns bis heute geläufig. Die Gefahr, daß hoher muot sich zu einer selbstsüchtigen Verhaltensweise entwickeln könnte, hat ihren Niederschlag in einer der Bedeutungen des mittelhochdeutschen Ausdrucks mit verdâhtem muote[3] gefunden.

Hier zwei Textbeispiele zu Demut als Erziehungsideal:


  • Hartmann von Aue, "Die Klage", Vers 1275ff, einen Kräuterzauber betreffend. Die Kräuter stehen für ritterliche Tugenden.


so lerne einen zouberlist

der benamen guot ist.

ich brahte in von karlingen.

swer in ze rehte sol began,

der muoz haben driu krut,

diu tuont in liep unde trut.

got ist der würzære,

der phliget ir alters eine.

diu krut sint dir unerkant;

also sint si genant:

milte, zuht, diemuot.

swer denselben zouberlist kan,

der ist zer werlt ein sælec man.


(Übersetzung: Lerne die Kunst einer Zauberei, die wirklich vortrefflich ist. Ich brachte sie aus Frankreich. Wer sie richtig beherrschen will, muß drei Kräuter besitzen, die ihm Freude und Liebe einbringen. Gott ist der einzige Kräuterhändler, der sie besitzt. Du kennst die Kräuter nicht; sie heißen: Gebefreudigkeit, sittliche und gesellschaftliche Bildung, Bereitschaft zu dienender Hingabe. Wer diese Zauberkunst beherrscht, ist in der Gesellschaft ein glücklicher und gesegneter Mann.)


  • Ebenfalls aus der Feder von Hartmann von Aue stammen die letzten Anweisungen eines sterbenden Vaters an seinen Sohn; "Gregorius", Vers 243ff:


er nam si beidiu bî der hant,

er sprach: "sun, nû wis gemant

das dû behaltest mêre

die jungesten lêre

die dir dîn vater tæte.

wis getriuwe, wis stæte,

wis milte, wis diemüete,

wis vrevele mit güete. (...)

vor allen dingen minne got,

rihte vil durch sîn gebot."


(Übersetzung: Er nahm sie beide an der Hand und sprach: "Mein Sohn, nun laß dich mahnen, sei fortan dieser letzten Lehre deines Vaters eingedenk: Sei aufrichtig, sei beständig, sei freigebig und bescheiden, sei kühn, doch voller Güte. (...) Vor allen Dingen: liebe Gott und herrsche gerecht nach seinem Gebot.)[11]


Es ist nicht ungewöhnlich, daß im Mittelalter geschätzte Tugenden und Eigenschaften auf Ruf- und Übernamen übertragen werden: Dafür steht der Name Kühn. Daß der Familienname Demuth aus einem Metronymikon abgeleitet wurde und eine weibliche Tugend symbolisiert, ist bemerkenswert.

Varianten des Namens

  • Demod, Äbtissin, um 980 Wendhausen
  • Demut, Frau des Ritters Winther von Redilnheim, um 1335
  • Hans Demut, um 1382
  • Demuth, um 1479
  • Bertold topfer, Demut s. Frau, 1346 Breslau
  • Demut teilerynne, 1429 Liegnitz
  • Jeronimus Demut de Sweidnicz, 1455 Schweidnitz[12]

Geographische Verteilung

Relativ Absolut
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Schlesien

Demuth (Liegnitz [10], Görlitz [12], Hirschberg [15], Ratibor [6])

Die Zahlen in eckigen Klammern beziehen sich auf die Häufigkeit der Namen, also Liegnitz [10] = 10 mal in Liegnitz vorkommend, und so fort aus "den Adreßbüchern der dreißiger Jahre" der entsprechenden Städte.

Bekannte Namensträger

  • Charles Demuth (1883-1936), US-amerikanischer Maler
  • Dietmar Demuth (*1956), deutscher Fußballspieler und -trainer
  • Helene Demuth (1820-1890), Haushälterin und politische Mitstreiterin von Karl Marx und Friedrich Engels

Sonstige Personen

  • Demuth, Henrina, Witwe des Elias Demuth, verheiratet 1704 in Wesel

nähere Angaben siehe: Militärpersonen in Stadt und Garnison Wesel, Hermann Kleinholz und Michael Knieriem, Veröffentlichung der WGfF

Anmerkungen

  1. Metronymikon
  2. Wilhelm Braune, Ernst A. Ebbinghaus: Althochdeutsches Lesebuch mit Wörterbuch, Tübingen: Max Niemeyer, 1969, S. 189
  3. 3,0 3,1 nach: Matthias von Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch, 35. Auflage, mit neubearbeiteten und erweiterten Nachträgen, Stuttgart 1979.
    Uni Trier, Online-Version: http://germazope.uni-trier.de/Projects/MWV/wbb
  4. Hartmann von Aue, Artikel in: Wikipedia
  5. Gottfried von Straßburg, Artikel in: Wikipedia
  6. Wolfram von Eschenbach, Artikel in: Wikipedia
  7. nach: Zubin & Köpcke, 1984; Literaturhinweis auf www.amor.rz.hu-berlin (ist nicht mehr aktiv)
  8. Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters, Stuttgart 1952, S. 65
  9. Joachim Bumke, Ministerialität und Ritterdichtung, Umrisse der Forschung, München 1976
  10. Christian Brüning
  11. Textstellen mit Übersetzung entnommen aus: Hannes Kästner, Konrad Kunze, Eckart Conrad Lutz, Bernd Schirok, Eva Schütz: Aspekte Mittelhochdeutscher Literatur, Teil I: Quellen. Unveröffentlichter Reader, Freiburg im Breisgau: Albert-Ludwigs-Universität, Deutsches Seminar, 1976; S. 176, 237
  12. Codex diplomaticus Silesiae, hier: Bd. 4, S. 61

Literaturhinweise

Daten aus FOKO

  • <foko-name>Demuth</foko-name>

Weblinks