Handbuch der praktischen Genealogie/347
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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die Genealogie (genau wie übrigens auch in Frankreich, England, Italien für die gleiche Epoche) schon Tüchtiges geleistet. So ungemein schwierig es ist, genealogische Beziehungen festzustellen für eine Periode, in der es noch keine nach agnatischen Stämmen unterschiedenen Familiennamen oder Wappen gegeben und aus der keine Grabsteine und wenig spezielle Literaturdokumente erhalten sind, so ist es doch neuerdings gelungen, einiges überraschende Licht auf die Familienbeziehungen, den Familienaufbau und damit mittelbar auf Besitzvererbung und Erblichkeit der Sonderstellung bei diesem vorstau-fischen Adel fallen zu lassen. Die eingehenden Forschungen der älteren Genealogen des 18. und auch des 19. Jahrhunderts, die sich mit diesem Gebiet befassen, müssen wir allerdings heute durchweg ablehnen: sie arbeiten mit zu vielen Urkunden, die sich inzwischen als Fälschungen erwiesen haben. Die Verfassungsgeschichte war also mit ihrer großen Abneigung vor genealogisch begründeten Ergebnissen bisher ganz im Recht; auch heute ist noch manche Spreu im Weizen, der für diese Zeit von Genealogen geerntet wird. Aber es geht nicht mehr an, die genealogischen Resultate samt und sonders beiseite zu lassen.
Verfassungsrechtlich wichtige Schlußfolgerungen aus den bereits vorliegenden genealogischen Arbeiten über die ersten nachkarolingischen Jahrhunderte ergeben sich aus Beobachtungen folgender Art: es wird z. B. genealogisch festgestellt, daß ein Vorname, der in Verbindung mit Grundbesitz in ganz verschiedenen Teilen Deutschlands auftritt, eine und dieselbe Person bezeichnet. Mehrere derartigen Ergebnisse lassen unter Umständen schon verschiedene bestimmten Schlüsse zu: dahin, daß der großgrundherrliche Adel Streubesitz hatte — nicht geschlossene Latifundien; daß er entlegenen Besitz festhielt, nicht (wie in späterer Zeit) abzustoßen suchte; daß er vom Kaiser sich nicht vorzugsweise in der Heimat, sondern in der Fremde — in Italien oder im slawischen Kolonisationsgebiet — dotieren ließ. Es kann, je nachdem ein und derselbe Besitz bei mehreren Generationen einer Familie nachweisbar ist oder sich nach einiger Zeit bei anderen Familien findet, festgestellt werden, inwiefern die Töchter mit den Söhnen erbten; oder auch ob ein Großer, der sich gegen den König aufgelehnt hatte, alles verlor, oder etwa nur Lehnsbesitz, dagegen Eigenbesitz nicht. Es läßt sich häufig nachweisen, daß die Nachkommen des Stifters eines Klosters die Vögte des Klosters waren, woraus wir erkennen, daß Klosterstiftung den weggegebenen Besitz doch nicht unbedingt der Familie entzog. Nur auf dem Grunde einer Rekonstruktion von Familienverbänden in Verbindung mit einer Feststellung der Besitzverhältnisse läßt sich zeigen, wie das Lehnrecht praktisch ausgestaltet war. Die Lehnsverhältnisse in Deutschland vom 9.-13. Jahrhundert sind noch gar nicht methodisch untersucht worden. Ich kann auf die ungemein wichtigen Fragen, um die es sich da handelt, hier natürlich nicht eingehen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß es sehr wertvoll wäre, zu wissen, wer alles in vorstaufischer Zeit Vasall sein konnte. Unfreie sicher nicht Vermutlich war der Kreis der zum Lehnrecht befähigten ein recht kleiner. Eine der wichtigsten Reformen der frühen staufischen Zeit war jedenfalls,