Handbuch der praktischen Genealogie/261
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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Schon seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts, seit den Tagen Bernwards von Hildesheim, war in den alten sächsischen Landen Erzguß und Steinbildnerei lebhaft betrieben worden, und aus diesen Anfängen einer noch wesentlich zu dekorativen Zwecken arbeitenden Kunst entwickelte sich um die Mitte des 12. Jahrhunderts ein großer monumentaler Stil, dessen Ruf bald die lokalen Grenzen überschritt und dessen Schöpfungen in alle Lande gingen.
Im östlichen Sachsen entstanden zum Beginn des 13. Jahrhunderts die großartigen Triumphkreuze von Wechselburg und Freiberg, die Statuen Heinrichs des Löwen und seiner Gemahlin Mathilde im Dome zu Braunschweig und gegen 1270 die Stifterfiguren im Dome zu Naumburg. Mit einem Schlage erscheint hier all das Kindlich-Rohe und Unbeholfene überwunden, das uns in den gleichzeitigen Darstellungen der menschlichen Gestalt im Buche wie an der Kirchenwand entgegengetreten war. Mit freiem Blicke haben diese Künstler ins Leben geschaut und das, was sie dort fanden, mit tüchtigem technischen Können im Bildnisse wiedergegeben, oft auch, wie die Braunschweiger, mit einem großen Zug idealer Verklärung.
Streben nach typischer Schönheit zeigen auch die berühmten Meister, die an dem steinernen Bilderschmuck des Bamberger Domes gearbeitet haben. In den machtvollen Prophetenköpfen der älteren Gruppe ist zudem bei aller Idealität eine Naturwahrheit und Schärfe der Charakteristik erreicht worden, wie man sie sonst in der gesamten deutschen Kunst romanischer Periode vergeblich suchen wird.
Müssen wir auch die Bamberger Skulpturen künstlerisch höher bewerten als die Naumburger, so kommt doch bei diesen die Annäherung an das nüchtern Porträthafte mehr zum Ausdruck als bei jenen, wie das ja auch der den Bildwerken zugrunde liegende Gedanke rechtfertigt: hier ein realistisch-monumentaler, dort ein ideal-kirchlicher. Vor den Markgrafen und Edelfrauen im Naumburger Dom haben wir das Gefühl, vor einem einfachen, tüchtigen, bodenwüchsigen Menschengeschlecht zu stehen, das in seiner wahren, ein wenig hausbackenen Alltagserscheinung im Gedächtnis der Nachwelt fortzuleben wünscht.
Teils der Richtung der Bamberger Meister, teils jener der sächsischen Schule folgen eine große Anzahl von Grabsteinen der nämlichen Zeit, die einen mit geringerer, die anderen mit stärkerer Neigung zum Porträtartigen; die letztere gewinnt im 14. und noch mehr im 15. Jahrhundert, der materialistischen Strömung in allen Künsten folgend, die Oberhand, freilich auf Kosten des künstlerischen Inhaltes, jedoch sind es jene Grabfiguren, in denen uns die ersten wirklichen Porträts begegnen.[1]
Einzelbildnisse, die nicht als Grabfiguren, sondern als Ehrendenkmäler
- ↑ Lichtenberg, Reinhold Frhr. v., D. Porträt an Grabdenkmalen; seine Entstehung u. Entwickelung v. Altertum bis z. Italien. Renaissance. Straßburg 1902. — Buchner, O., D. mittelalterlichen Grabstätten in Nord-Thüringen mit besonderer Berücksichtigung der Erfurter Denkmäler. Studien z. deutschen Kunstgesch., H. 37, Straßburg 1902.