Die Probstei in Wort und Bild/149

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Die Probstei in Wort und Bild
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Der Greis durchwacht mit ergebenem Sinn
Im Hause des Herrn düstere Stunden.
Am Morgen sah er vom „Kapellen“ hin;
Ach, Osterwisch war schon verschwunden!
Wohl blickte die Sonne so freundlich, mild;
Wohl strahlte sie auf das Christusbild
der kleinen, geheiligten Zelle:
Nur Osterwisch schien die Sonne nicht mehr,
Verschlungen hat es das wilde Meer,
Beklaget vom Greis bei der Kapelle.
Bei niedrigem Wasser seht ihr am Strand
Von Osterwisch Ruinen noch stehen,
Ihr könnt auf dem Hügel, wo's Kirchlein stand
Auch mancherlei Steine noch sehen.
So sinket hin, was groß und was klein,
Nur eines bleibet, muß ewig sein:
Die Liebe im Busen, die reißt heraus
Auch nicht des Sturmes Saus und Gebraus;
Mit dem Glauben im Herzen reise ich
Vom Finstern der Erd' ins himmlische Licht.




Die Flut zu Fernwisch
Es brüllt der Orkan, der rauhe Nordost,
Er schüttelt die kahlen Bäume erboßt.
Schon dringet die schäumende Flut herein; –
„Es wolle der Himmel uns gnädig sein.“
Schon wankt das Gemäuer, ringsum bespült;
Schon löset das Dach sich, vom Sturm durchwühlt.
Ein heulender Windstoß – die Thür bricht ein –
Die brausende Flut dringt ins Kämmerlein.
Sanft schlummert im einsamen Kämmerlein
Das einzige Kindchen, ein Knäbelein,
Die Hände gefaltet wie zum Gebet;
Ein Engel ihm schützend zur Seite steht.
„Auf, folgt mir, noch Rettung wohl möglich ist!
Zum Holen der Habe bleibt keine Frist.“
Dem Hausvater folgt die bebende Schar
Die letzte Zuflucht: der Boden noch war.
Zum Kämmerlein eilt der Vater geschwind.
„Wache auf, mein Knäblein, mein liebes Kind!
Bitte Gott, daß er uns gnädig verschon';
Sonst sind wir verloren! wach auf, mein Sohn!“
Was rettest du Hausfrau? Was birgt dein Schoß?
Die silbernen Ketten? das goldene Schloß?
Die Feierkleider? den Brautschmuck? –
O nein! Es ist ihr Liebling, ihr Knäbelein.
Aus süßem Schlaf fuhr das Söhnlein hervor,
Streckt zum Gebete die Händchen empor.
„O Herr,“ sprach es voll Zuversicht,
„Himmlischer Vater, verlasse uns nicht!“
Was holtest du, Hausherr, vom Tische dort?
Sein wichtigster Schatz ist's: das Gotteswort!
Und Peter, der Knecht, ist's, der mit der Magd
Die Rettung des prächtigen Hengstes wagt.
Draußen, da tobt es, es heulet und kracht;
Leuchtende Blitze durchzucken die Nacht.
Dumpf rollet der Donner, das Fenster klirrt
Vom heulenden Sturm, der vorüberschwirrt.
Waten zum Stalle, mit Tauen versehn,
Der Hengst wird – wo wär' wohl so 'was geschehn –
Gelöset und dann mit vereinter Macht
Glücklich hinauf auf den Boden gebracht.
Und herein stürzt, einem Gespenste gleich,
Die teure Gattin, verstöret und bleich.
Zitternd folgt ihr das bange Gesind' –
„Herr, sei uns gnädig! – wie rett' ich mein Kind?“
Indessen kommt hoch her und höher die Flut,
Es sinket zuletzt dem Häuflein der Mut,
Der Knabe nur immer noch tröstend spricht:
„Der himmlische Vater verläßt uns nicht!“
Sie hält es umklammert, sie stiert es an:
„Ist keiner, ach keiner, der helfen kann?
Schon höre ich schlagen der Wellen Schlag,
Sagt, wo meinen Knaben ich bergen mag?!“
Das Haus, des schirmenden Daches beraubt,
Den Bäumen gleicht, welche der Herbst entlaubt.
Der Einsturz drohet und neue Gefahr
Breitet sich über die schreiende Schar.
Und draußen brüllen mit kläglichem Schall
Aengstlich die Kühe im naßkalten Stall.
Laut wiehernd stampfet das mutige Roß,
Reißt von der nährenden Krippe sich los.
Es knarrt das Gebälke, schon wiegen sich
Im Sturm die Balken gar fürchterlich.
Regen und Hagel schlägt nieder ins Haus!
Ach, dauert denn ewig die Nacht voll Graus?