Chirurg

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De Chirurgyn 1694 Joh. u. Caspaars Luiken

Einführung

Chirurgen, Bader und Barbiere

Als das Baden im 17. / 18. Jhdt. vielerorts ganz außer Gebrauch kam, wurde das Tätigkeitsfeld von Badern und Barbieren im wesentlichen deckungsgleich so daß man sie häufig unter der Bezeichnung Chirurgen zusammenfaßte; die vollständigen Berufsbezeichnungen lauteten Bader und Chirurg sowie Barbier und Chirurg.

In hartem Konkurrenzkampf errangen die Barbiere einen Vorteil: Im Unterschied zu den Badern durften sie ihre Dienste meist auch außerhalb ihrer Barbierstuben anbieten. Die oft zu Unrecht nur mit den Barbieren in Verbindung gebrachte Chirurgie oder Wundarznei konnten sie den Badern dagegen nicht streitig machen.

Chirurgie oder Wundarznei

Zum Schutz der Patienten waren die Chirurgen des 18. Jhdts. in manchen Gebieten in drei Klassen mit unterschiedlichen Kompetenzen eingeteilt. Nur die erste Klasse durfte die Chirurgie in vollem Umfang (größere Operationen) ausüben. Riskante und gewinnbringende Eingriffe wie Steinschnitte, Starstiche, Amputationen und Operationen von Hernien (Bruch) führten nur wenige Spezialisten in den Städten oder unzünftige Fahrende (Unorganisierte) durch.

Vorstoß in die operative Geburtshufe

Manche Chirurgen begannen im 18.Jhdt. in die operative Geburtshufe vorzudringen. Die Mehrheit lebte jedoch von gering vergüteten Arbeiten wie dem Rasieren der „Jahrgäste“ (Stammkunden mit Jahresabonnement für meist eine Rasur pro Woche), vom Aderlassen, Schröpfen und Zahnziehen, wozu in der Durchschnittspraxis noch Wund- und Frakturbehandlungen kamen.

Instrumentenleihe

Neben den notwendigen Instrumenten, die teilweise auch bei der Zunft und den Oberämtern ausgeliehen werden konnten, besaßen Chirurgen seit früher Zeit berufliche Fachliteratur. Entgegen den gesetzlichen Verordnungen betätigten sich viele Bader und Barbiere auch in der inneren Medizin und Pharmazie. Damit füllten sie — zumal auf dem Lande — eine wichtige Marktlücke, denn die Zahl der Ärzte und Apotheker blieb bis ins 19. Jhdt. hinein sehr gering. Chirurgen wurden — selbst bei inneren Krankheiten — von Personen aus allen Schichten konsultiert. Von der Privatpraxis abgesehen, stand mancher Meister als Ratsbarbier, Blattern- und Pestarzt etc. in städtischen Diensten; die geschworenen Meister fungierten als gerichtsmedizinische Gutachter.

Im Widerspruch zur gängigen Nachrede ihrer Unehrlichkeit standen Bader und besonders Barbiere oft in hohem Ansehen, bekleideten öffentliche Ämter, waren entsprechend vermögend, und mancher brachte es bis zum Leib- oder Hofbarbier an einem Fürstenhof.

Die chirurgischen Betriebe waren meist recht klein, so praktizierten viele Meister auf dem Lande alleine, in den Städten hatten sie häufiger bis zu drei Hilfskräfte; meistens durfte jedoch nur ein Lehrjunge gehalten werden, in anderen Fällen auch bis zu zwei Gesellen.

Hohe Ausbildungsanforderungen

An die Ausbildung des Nachwuchses wurden hohe Anforderungen gestellt. Die Lehrzeit war seit Beginn des 16.Jhdts auf zwei bis vier, meist drei Jahre festgelegt; an ihrem Ende stand im 18. Jhdt. z. T. die Prüfung durch einen Arzt. Ein Teil der drei- bis siebenjährigen, zumeist sechsjährigen Gesellenzeit mußte verwandert werden. Außerdem verlangten die Zunftordnungen seit dem 17. Jhdt. Grundkenntnisse im Lateinischen, die Lektüre von Fachliteratur sowie den Besuch chirurgischer Lehrveranstaltungen (Collegien, anatomische Demonstrationen). Als Meisterstück wurde seit dem Spätmittelalter die Herstellung von Pflastern und Salben gefordert. Unter dem Einfluß akademischer Ärzte, die seit dem 17./18. Jh. den Meisterprüfungsgremien angehörten, gewann die theoretische Prüfung in Anatomie und Chirurgie an Bedeutung, so daß das herkömmli-che Meisterstück im i8. Jhdt. teilweise überflüssig wurde.

Gesellenvereinigungen

Chirurgengesellen finden sich vielfach auch als Feldschere in militärischen Diensten. Im frühen 19. Jhdt. übten Chirurgen mit der Einführung der Pockenschutzimpfung vorübergehend eine wichtige medizinische Tätigkeit aus, doch war ihr Handwerk infolge der Professionalisierung der Ärzte schon im Niedergang begriffen. Ihre Zünfte wurden aufgelöst (1800 Mainz, 1814 Württemberg, 1839 Lübeck) und ihr Tätigkeitsfeld zunehmend eingeengt: Die medizinischen Tätigkeiten mußten sie den Ärzten überlassen; das Recht zu rasieren verloren sie teils schon im frühen 19. Jhdt. an die Peruquiers bzw. Friseure (1800 Mainz, 1810 Freiburg), teils wurde es erst mit den liberalen Gewerbeordnungen freigegeben. Im Südwesten sanken die Chirurgenzahlen drastisch, um 1900 war das Handwerk fast verschwunden. Im Norden dagegen (Hannover, Preußen) gingen die Barbiere und Bader — ebenso wie die Peruquiers — im Friseurgewerbe auf.