Auge um Auge

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Auge um Auge ?

Von Gerhard Krosien

Den Eigentümer der Memeler Seifenfabrik hatten die Nazis 1939 aus Deutschland hinausgeekelt, weil er Jude war. Ihm glückte es, rechtzeitig nach Amerika zu fliehen.

Seinen alten Seifensiedermeister hatten die Nazis noch auf seine alten Tage zum Volkssturm eingezogen. Er wurde im allgemeinen Rückzugswirrwarr über die Ostsee in ein dänisches Flüchtlingslager gebracht. Dort hatte ihn sein Schwiegersohn - mein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft heimgekehrter Vater - aufgespürt. Er holte ihn - halbverhungert und halbtot - von dort ab und übergab ihn seiner nach Schleswig-Holstein geflüchteten Ehefrau - unserem Omchen. Die päppelte ihn so nach und nach wieder auf.

Nur - durch die Kriegsereignisse und während der Flucht hatten sowohl seine Frau als auch Opa alle für ihre Rentenberechnung wichtigen Papiere verloren, die ihren zutreffenden Rentenanspruch hätten beweisen können. Darum erhielten sie jetzt auf ihre alten Tage auch nur eine „Mindestrente“, zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.

Über einen Informationsdienst konnte Vater die neue Anschrift des ehemaligen Memeler Seifenfabrikeigners herausbekommen. Diesem schilderte er in einem Brief nach Amerika die Notlage seines früheren Mitarbeiters.

Eines Tages kam ein Luftpostbrief aus Amerika bei den beiden alten Leuten an. Der ehemalige „Chef“ legte dar, wann, als was, gegen wieviel Verdienst „sein alter Meister“ in seinem Betrieb gearbeitet hatte. Er sei traurig über dessen jetziges Schicksal und freue sich, dass er nun ein wenig dazu beitragen könne, dessen derzeitige Notlage etwas zu lindern. Kurze Zeit später war vom Tode dieses Mannes jüdischen Glaubens zu hören.

Was sollte man als Deutscher dazu sagen? Ein Mensch, dem von Deutschen nur wegen seiner Glaubenszugehörigkeit selbst viel Unrecht zugefügt worden wäre, der zur Rettung seines Lebens Hab und Gut in Memel verloren hat und sich im Ausland in Sicherheit bringen musste, hilft jetzt einem Deutschen in der Not! Genügend andersartige Reaktionen sind bekannt. Ein Glück, dass in diesem Fall die Menschlichkeit trotz vielfacher Unmenschlichkeit in der jüngsten Vergangenheit nicht ausgelöscht worden war!

Die Rente der alten Leute wurde aufgrund der bestätigenden Angaben des Menschen jüdischen Glaubens aufgebessert. Damit hatten sie einen sorgenfreien Lebensabend.