Schlesisches Namenbuch/030
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soweit sie auf Wohn- und Lebensverhältnisse Licht werfen. Es handelt sich in Schlesien um Flur- und Gassennamen, ländliche Gegenden und städtische Bezirke, selten um Hausnamen. Dornpusch und Siedorn, Röhricht und Elsner (Erle!), Anger und Veldishalb, Niedenzu und Niedenführ, Ende(mann) und Mende (d.i. am ende) entstammen dem ländlichen Wohnbereich, desgl. Berger (of dem berge) und Grundmann, dem städtischen anderseits Fiebig (by dem viwege, - jede Stadt und jedes Dorf hatten ihre gemeinsame Viehtrift) und Bormann (by dem borne); an die winkligen Gassen erinnert Winkler (in dem winkel). Wuchsen Flurstücke ins Weichbild der Stadt, konnten sie zu Gassen- und Hausbenennung dienen: so helle (Hölle, = öde Gegend); wer „in der helle“ wohnte, wie z.B. Michael Scholz in Görlitz um 1300, konnte alsbald Hellmann oder Hallmann heißen. Die südwestdeutsche Hausnamensitte dagegen ist Schlesien unbekannt. Vgl. Adler, Kokentril usw.
Kapitel V. Verbreitung und Häufigkeit der einzelnen Namen.
Wie sich aus den verschiedenen Siedlermundarten zwar das Gesamtschlesische entwickelt hat und doch keine vollkommene Einheit darstellt, so zeigt auch das Bild der schlesischen Namenwelt eine im allgemeinen zwar einheitlich schlesische Prägung, aber darüber hinaus auch unverkennbare landschaftliche Sonderzüge, und zum Teil so auffallende Unterschiede in der Verteilung des gleichen Namenschatzes, daß eine Sonderbetrachtung dieser Erscheinungen und Klärung ihrer Ursachen unerläßlich ist. Mag auch manches Rätsel ungelöst bleiben, so dürfte dies Kapitel doch das Reizvollste von allen sein, weil es in vielen Fällen erst zum rechten Verständnis der Namen führt.
Beginnen wir mit einem eindrucksvollen Beispiel, das zugleich die Methode der bisherigen „Namenforschung“ schlagend widerlegt. Der Name Krautwald, bekannt durch den Liegnitzer Reformator Valentin Krautwald, begegnet von Haus aus nur in der Neißer Gegend, wo auch der eben Genannte vorher Domherr war[1]. Ganz in der Nähe aber (und nur dort) liegt die Ortschaft „Krautenwalde“, ohne Zweifel der namengebende Ort. Was einem Dogma zuliebe ein halbes Jahrhundert und länger galt - die Herleitung vom germanischen Rufnamen Hrodwald -, erledigt sich endgültig durch die landschaftliche Forschungsweise. Dasselbe gilt für Me(h)wald, Möhwald, Maiwald, drei durch die Mundart abgewandelte Formen ein und desselben Namens, des alten Ortsnamens Meyenwalde, heute Maiwaldau, gelegen bei Schönau an der Katzbach, also halbwegs zwischen Hirschberg und Liegnitz, den heutigen Verbreitungszentren. Auch dieser Fall beleuchtet grell die Spielerei der Namenbücher, die zu zwei längst verklungenen altgermanischen Rufnamen, Magwald und Modowald ihre Zuflucht nehmen. Wir lernen hier zugleich ein Gesetz der Binnenwanderung kennen, das auch für andere Landschaften nachweislich Gültigkeit besitzt: der Zug vom Lande in die Stadt erfolgt im allgemeinen nach dem nächst gelegenen kulturellen oder wirtschaftlichen Mittelpunkt, in dessen Ausstrahlungsbereich die Ortschaften der näheren und weiteren Umgebung liegen.
Weitere Beispiele hierfür sind u.a. die Görlitzer Namen Schwerdtner, Rot(h)enburger und Queißner, die Glogauer Niedergesäß und Herbrich, der Glatzer Reichner (von Reichenau in der Grafschaft), die Liegnitzer Hain (v. Haynau) und Berner (von Berna b. Lauban), der Schweidnitzer Zeisbrich von der nahen Zeisburg. In anderen Namengruppen sind für solche Erscheinungen die Ursachen ähnlicher Art, so wenn der Liegnitzer Familienname Thamm (nebst dem Ortsnamen Tammendorf), auf einen in Adels- und Patrizierkreisen jener Gegend einst
- ↑ Vgl. F. Bahlow, Die Reformation in Liegnitz, Liegnitz 1918. S. 45 ff.