Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/032

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Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)
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Datei:Berichte und Gesuche 1892.djvu
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zerstückeln; es waltet jedoch bei ihnen ein anderer Uebelstand ob: wenn die Gemeinden bestimmen, welcher von den Erben die Wirthschaft oder den Hof übernehmen darf, oder soll und wie viel er den anderen Erben herauszuzahlen hat, fällt oft die Abschätzung des Landes und der Gebäude in Dörfern eines und desselben Bezirks bei gleichem Werth sehr, sehr verschieden aus.


8. Der 7. Punkt des Art. 19 der Regeln von 1871.

Das Gesetz von 1871 sagt nichts davon, daß sich die Ansiedler in der Ererbung von Gebäuden und beweglicher Habe nach ihren Gebräuchen richten dürfen. Auf diese Weise sind die Mennoniten ihres früheren Rechts, sich in der Erbfolge im Allgemeinen nach ihren besonderen Regeln zu richten, verlustig gegangen. Einstweilen glauben die Mennoniten nicht an diesen Verlust, sondern gehen damit um, ihre Erbfolgeregeln der höhern Regierung zur Bestätigung zu unterbreiten. Die andern Ansiedler wiederum verstehen nicht, warum ein Unterschied gemacht worden zwischen der Erbfolge im Lande und der in Gebäuden; gebe man aber Freiheit in der Erwerbung unbeweglichen Vermögens, so könne, meinen sie, Sitte und Brauch überhaupt in der Ererbung von Vermögen zur Geltung kommen, wie dies das Gesetz z.B. für die Erbschaftssachen der Bauern (крестьяне) erlaubt.


9. Die Waisensache, als in Verbindung stehend mit der Landsache der Ansiedler.

Im Jahre 1866 arbeitete in Odessa eine Versammlung abgeordneter Colonisten Südrußlands, als der in dankbarem Andenken der Ansiedler stehende umsichtige und thatkräftige Staatsrath Lysander Präsident des Fürsorge-Comités war, Regeln für Waisen-, Spar- und Anleihekassen in den Colonien aus, nach den Beispiele der Großliebenthaler Casse, Kreis Odessa, welche seit 1830 besteht (die gegenwärtig über ½ Million Rubel jährlich umsetzt)[1]. Es war ein Plan, solche Cassen in allen Bezirken einzurichten; in Folge der Wankelmüthigkeit des nachfolgenden Präsidenten Ellinger aber wurden sie nur in einigen Wolosten eingeführt. In den anderen Wolosten werden die hie und da bedeutenden Gemeindecapitalien entweder längere Zeit unfruchtbar im Wolostamte aufbewahrt oder in Banken deponirt, wo Anleihen für die Ansiedler kaum zu erhalten sind; die Angelegenheiten der Waisen aber leiden von Habsucht der Vormünder und von Unthätigkeit der Gemeinden; die Vormünder


  1. Dieselbe Deputirtenversammlung arbeitete Regeln der Feuerversicherung und der Centralschulen der südlichen Colonien aus. In der Stadt Saratow beriethen und beschlossen 1870 und 1873 Versammlungen abgeordneter Wolgaansiedler über die Einrichtung des Schulwesens in den dortigen Colonien.