Libertinus

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Wortbedeutung

"Libertinus" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "Der Freigelassene"


Historische Zuordnung

Frühmittelalter

Walter zur Ungnad beschreibt in seinem Buch Deutsche Freibauern, Kölmer und Kolonisten die Geburtsstände in germanischer Zeit und benennt Edelfreie, Gemeinfreie und Untertanen. Nach ihm bildete sich der Stand der Edelfreien, also der Uradel, aus den nächsten Verwandten der Sippenhäuptlinge heraus. Entfernte Abkömmlinge bildeten den Stand der Gemeinfreien. Die Untertanen waren Hörige, Erbuntertanen oder Grunduntertanen der beiden vorangehenden Stände. Sie erhielten oft eine Hufe Land und waren zu Abgaben und Kriegsdienst verpflichtet. Es mangelte diesen an Freizügigkeit, weil sie an die Scholle gebunden waren. Wurden sie getötet, wurde das Wehrgeld an deren Herren entrichtet.

Fränkisches Reich

In der Zeit Karls des Großen tritt an die Stelle der einzelnen Volksversammlungen die Volks-, Heeres- und Gerichtsversammlung des Reiches. Nur die Reichen, also die nobiliores und maiores haben genügend Grundbesitz und Pferde um an diesen Reichsversammlungen teilzunehmen. Nur sie waren schließlich auch zum Reichskriegsdienst, der Reise, verpflichtet. Die Untertanen schieden aus der Heeresgemeinde und der allgemeinen Gerichtsgemeinde aus. Ihre Angelegenheiten wurden fortan auf Hofgerichten erledigt, denen der Erbherr, ein Vogt oder Meier vorsaß und die von einer gewählten Schöffenbank unterstützt wurden. Sie hatten also ihr eigenes Recht und waren zur Heimatverteidigung, also der Landwehr verpflichtet.

Die drei Geburtsstände des Frühmittelalters bildeten sich langsam zu Berufsständen um, den Bauern, Rittern und Geistlichen, die als Nährstand, Wehrstand und Lehrstand bezeichnet wurden. Die Ritter bildeten sich aus der Gruppe der hörigen Kriegsknechte heraus. Sie wurden auch Ministeriale und Dienstmannen genannt und waren ursprünglich Untertanen. Ihnen traten in den folgenden Jahrhunderten Gemeinfreie und Edelfreie bei.

Heerschildordnung

Die älteste bekannte Heerschildordnung im 13. Jahrhundert, kennt sieben Heerschilde, bzw. Stufen des Kriegsdienstes:

  • 1. Der König
  • 2. Die Bischöfe und Äbte
  • 3. Die Fürsten
  • 4. Die Freien Herren (Hochfreien, bzw. Ingenuus)
  • 5. Die Schöffenbarfreien (Mittelfreien, bzw. Libertinus)
  • 6. Die Dienstherren (Ritter)
  • 7. Die Dienstmannen

Die Dienstherren zählten als Dienstmannen der Fürsten und Hochfreien ursprünglich zum fünften Heerschild, bildeten aber mit dem Aufkommen der Ritterschaft einen eigenen Heerschild zwischen den Freien und den Dienstmannen der Freien. Die unterste Stufe der Freien (Landsassenfrei, bzw. Liber) waren nicht zur Heerfolge verpflichtet und bildeten keinen Heerschild.

Im 14. Jahrhundert schrumpft die Heerschildordnung auf vier Heerschilde zusammen:

  • 1. Fürsten
  • 2. Grafen und Freie
  • 3. Dienstherren (Ritter)
  • 4. Rittermäßige (Edelknechte, Knappen)

Die Dienstmannen werden nun als Rittermäßige oder Edelknechte bezeichnet und bilden den vierten Heerschild. Die ursprünglichen ersten drei Heerschilde werden zum ersten Heerschild zusammengefasst. Die Hochfreien und Mittelfreien scheinen den zweiten Heerschild zu bilden. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Heerschildordnung erneut geändert und es werden wieder sieben Heerschilde benannt:

  • 1. Kaiser
  • 2. König und Erzbischöfe
  • 3. Fürsten
  • 4. Grafen
  • 5. Bannerherren
  • 6. Edlen
  • 7. Ritter

Die Freien scheinen aus dieser Heerschildordnung ganz herausgefallen zu sein. Wo sie in der Ordnung zu suchen sind, ist fortan vom Recht ihrer Besitzung abhängig. Im deutschsprachigen Raum sind die Freibauern als Freie zu identifizieren. Sie sind Gutsbesitzer, gehören zu den vornehmsten Landwirten im Ort und sind waffenfähig. Ihnen entsprechen in einigen Ländern die Vladiken, Libertini, Gentry und Yeoman.

Böhmen und Mähren

Die Freien in den Ländern der Böhmischen Krone wurden im Mittelalter als Vladiken bezeichnet. Ein Teil dieser Freien bildete mit den Rittern und Edelknechten die Šlechta. Die anderen wurden zu Bauern. Wie lange sie als eigener Stand existierten ist unklar. Auf der Stufe dieser Vladiken waren in Böhmen und Mähren auch die Freirichter. Sie sind die Nachkommen oder Nachfolger der Lokatoren und mit den Schulzen und Schultheißen gleichzusetzen. Sie bildeten z.B. im Glatzer Landtag den dritten Stand und ihre bis sechs Hufe großen Güter waren Eigenbesitz, in weiblicher Linie vererbbar und mit Privilegien ausgestattet. Aufgrund ihres besseren Rechts waren die Freirichtergüter auch für den niederen Adel interessant. Viele Freirichter wurden auch in den niederen Adel aufgenommen. Neben der niederen Gerichtsbarkeit übten die Freirichter auch die Polizeigewalt aus. Zu ihren Gütern gehörte oft auch die Mahl-, Brau- und Schankgerechtigkeit und die freie Jagd und freier Fischfang.

Polen

Die Freien bildeten mit den Rittern und Edelknechten einen gemeinsamen Stand, der in der frühen Neuzeit Szlachta genannt wurde. Diese geht, wie in Böhmen, auf den Stand der Wlodyken zurück, wie die freien Krieger des Mittelalters genannt wurden. Ab einem Eigentum von 5 kulmischen Hufen, hatten sie in der Neuzeit das passive und aktive Wahlrecht der Republik. Bei den Teilungsmächten konnten sie ab 1773 nur dann in den Adel wechseln, wenn Sie über Adelsgüter verfügten und den Adelsnachweis über drei Generationen erbrachten. Aus dem deklassierten Kleinadel bildete sich später die sogenannte Intelligenz.

Pommerellen

Die Freien in Pommerellen bildeten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur polnischen-litauischen Union eine eigene Szlachta. Ihre Freigüter bilden oft kleine Ortschaften, die als Pustkowe bezeichnet und als Vorwerk eingestuft wurden.

Schlesien

Die schlesischen Herzogtümer wurden in der Zeit der polnischen Piasten mit deutschen Kolonisten besiedelt. Lokatoren legten die Dörfer an und erhielten für sich ein Erbschulzengut mit dem Recht der Brau-, Schank- und Mahlgerechtigkeit, sowie weiteren Privilegien. Die Kolonisten waren persönlich freie Bauern, die mehrere Hufe (schlesische Hufe zu 16,8 Hektar) Land erhielten. Dieses Vorgehen entspricht den Regeln, wie sie auch in anderen Regionen angewendet wurden.

Im Verlauf der wechselnden Herrschaftsverhältnisse gerieten diese Siedlungen unter den Einfluss von adligen Rittergutsbesitzern. Die ehemals freien Bauern wurden Stellenbesitzer in einer adligen Grundherrschaft, dem Dominium. Dennoch gab es innerhalb der Grundherrschaften freie Besitzungen. Die Eigentümer waren Freibauern, Freigärtner und Freihäusler. Wenn überhaupt, leisteten diese geringe Abgaben. Frei-, Schulzen- und Rittergüter waren über längere Zeit im stabilen Besitz einer Familie.

Ungarn

Der ungarische Adel geht wie die polnische Szlachta und die böhmische Šlechta, auf freie Krieger zurück. In Ungarn also auf die Magyaren. Bis in die Moderne bildeten diese einen homogenen kleinadligen Stand, der international als Gentry eingestuft wird und stets auf seine Unabhängigkeit und Freiheit bedacht war. Der Hochadel bildete sich aus den Angehörigen des Herrscherhauses und den alten Baronen und Grafen heraus.

Preußen

Der Libertinus (mehrz.: Libertini - equites prutheni) ist ab dem Hochmittelalter im Deutschordensstaat in Preußen nachweisbar. Ihre Güter besitzen die Libertini nach preußischem Recht (Feudum). Diese Güter maßen im Schnitt fünf Hufe mit ungefähr 80 ha. Die Höfe lagen in eigenen Gutsbezirken oder Dörfern, besaßen die niedere Gerichtsbarkeit und konnten nur an männliche Nachfahren vererbt werden. Später wurden die Höfe auch zu kulmischen Recht (Allod) erworben, was die weibliche Erbfolge ermöglichte. Zur gleichen Schicht gehörten die Kölmer, die als Schulzen, Mühlen- und Krugbesitzer ebenfalls freie Eigentümer ihres Landes (Allod) waren. Der Libertinus oder Kölmer wurde in Kirchenbüchern und Verschreibungen auch als Honestus bezeichnet und präsentierte pro Hufe einen Ritterdienst. Das kleine kulmische Gut konnte durch Teilung großer Güter entstehen und wieder zu solchen zusammengelegt werden. Sie konnten aber auch zu Zinsdörfern mit kleineren Höfen werden. Einige größere Dienstgüter hatten das Magdeburger Recht (Feudum), bevor sie das kulmische Recht erhielten. Auf ihnen ruhte oft der Ritterdienst in schwerer Rüstung mit Streitroß.

Neben den Libertini gab es in Preußen auch Freibauern, die Bauernhufe besaßen, auf denen Freijahre lagen. So entschied König Friedrich mit Kabinettsorder vom 09.06.1786, dass über den Status des Gutes eines Libertini das Landes-Justiz-Collegio, über das der Freibauern aber die Kriegs- und Domänenkammer zu entscheiden habe.

Die Besitzer der großen Dienstgüter wurden im Bistum Ermland als Vasallen bezeichnet. Zu ihnen zählten Anfangs auch die Besitzer preußischer Güter, weil diese ja ebenfalls als "Feudum" und nicht als "Allod" galten. In der polnischen Zeit erwarben auch Angehörige der polnischen Szlachta freie Güter. Sie werden in Verzeichnissen als Generosus Dominus oder Nobilus Dominus bezeichnet. Die freien und adligen Gutsbesitzer bildeten in dieser Zeit eine gemeinsame Klasse. Nach der Annektion durch das Königreich in Preussen 1773, wurde die Bevölkerung zur Huldigung des neuen Königs Friedrich II. aufgefordert. Aus dem polnischsprachigen Kammeramt Allenstein kamen, nach den Akten in Berlin, nur die Besitzer der großen Dienstgüter der Aufforderung nach. Die anderen Freien scheinen die Huldigung verweigert zu haben, was ein deutliches Zeichen ihres Selbstverständnisses wäre. Die Besitzer der Dienstgüter wechselten in den neuen preußischen Adel. Die anderen Freien, darunter viele polnische Adlige, verloren spätenstens mit der Bauernbefreiung 1807 ihren Status. Die Anrede Honestus wurde noch einige Jahre verwendet. Die Bezeichnung Libertinus verlor sich. Mit dem Warschauer Aufstand 1863 schlossen sich viele dieser Polen der Nationalbewegung an, förderten die polnische Sprache, kauften polnische Bücher und gründeten in Allenstein die "Gazeta Olsztynska". Bei der Volksabstimmung 1920 war ihr Anteil aber nur noch in den polnischsprachigen Ortschaften von Bedeutung.

Literatur

  • Ungnad, Walter zur: Deutsche Freibauern, Kölmer und Kolonisten, Hamburg 1932
  • Porebska, Krystyna: Adeliger Gutsbesitz des Ermlands im 16. bis 18. Jahrhundert, Fürth 1999