Saugen/Bewohner/Familie Kalley

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Familie Kalley

Friedrich Ewald Kalley

Memelland, seine Heimat

Das Memelland war ein Produkt des Versailler Friedensvertrages von 1919. Aufgrund dieses Vertrages wurde der nordöstlich des Memelstroms und östlich des Kurischen Haffs und der Ostsee gelegene Teil der Provinz Ostpreußen, der ca. 20 km breit war und sich von der Gemeinde Nimmersatt im Norden bis zur Gemeinde Schmalleningken im Süden erstreckte, vom Deutschen Reich abgetrennt und unter die Kontrolle des Völkerbundes gestellt. Auch der nördliche Teil der Kurischen Nehrung gehörte dazu. Die östliche Grenze dieses deutschen Grenzgebietes wurde nach der Niederlage des Deutschen Ordens gegen ein polnisch-litauisches Heer in der Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 und dem darauf folgenden Frieden am Melnosee 1422 festgelegt und blieb bis zur litauischen Annexion im Jahre 1923 gültig. Östlich grenzte das Memelland wechselweise an Russland oder Litauen. Mit dem Namen „Memelland“ dokumentierten die Memelländer aber auch ihre Zugehörigkeit zum Deutschtum. Das Memelland war mit knapp 3000 qkm etwas größer als das Saarland, hatte aber nur ca. 150.000 Einwohner. Die größte Stadt war Memel, die etwas über 40.000 Einwohner zählte. Heute heißt sie Klaipeda und hat um die 200.000 Einwohner. Als Besatzungsmacht nach dem 1. Weltkrieg fungierte zunächst eine kleine Besatzungstruppe von knapp 1.000 Mann mit einem französischen General. Später wurde der General durch einen Präfekten abgelöst. Litauen, das im Rahmen der polnischen Teilungen im 18. Jahrhundert von Russland einverleibt worden war und im Versailler Friedensvertrag seine Selbstständigkeit wieder erhalten hatte, forderte wiederholt, das Memelland in seinen Besitz zu nehmen. Von memelländischer Seite versuchte man den Status eines Freistaates zu erreichen, denn eine Rückkehr ins Deutsche Reich schien unter den gegebenen Verhältnissen unmöglich. Die Verwaltung blieb zunächst noch in der alten deutschen Form erhalten. Als die Litauer erkannten, dass ein Anschluss des Memellandes an Litauen auf politischer Ebene bei den alliierten Siegermächten nicht zu erreichen war, entschied man sich für eine militärische Annexion. Am 10. Januar 1923 marschierten litauische Streitkräfte und Freischärler in das Memelland ein. Nach kleineren Schießereien zogen die französischen Truppen ab. Es hieß, dass dieser „Operettenkrieg“ ein abgekartetes Spiel gewesen sei. Unklar ist nur, zwischen welchen Mächten. Litauer, Franzosen, aber auch Deutsche und Polen könnten ihre Hände mit im Spiel gehabt haben. Das Memelland erhielt eine eigene Volksvertretung und Regierung. Litauen stellte einen Gouverneur und übernahm die Hoheit über Post, Bahn, Polizei und Zoll. Wehrpflichtige memelländische Männer hatten im litauischen Heer zu dienen. Durch die Benachteiligung der Memeldeutschen gegenüber den wenigen echten Litauern und die ständigen Versuche der Litauer, die deutschen Bewohner zum Litauertum zu bekehren, entstand permanent politischer Zündstoff. Die Litauer konnten ihre Macht nur durchsetzen, indem sie über das Memelland den Belagerungs- und Kriegszustand verhängten. Während der Belagerungszustand bald aufgehoben wurde, blieb der Kriegszustand von 1926 bis 1938 in Kraft. Allein diese Tatsache zeigt, wie spannungsgeladen das Verhältnis zwischen den Memeldeutschen und den Litauern damals war. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse verschlechterten sich so rapide, dass sich viele deutsche Bauern sehr hoch verschulden mussten, weil gewisse Schikanen der Litauer sie beim Absatz ihrer Produkte behinderten.

Am 23. März 1939 wurde das Memelland wieder dem Deutschen Reich eingegliedert. Die wirtschaftliche Not war mit einem Schlage beseitigt und die meisten Bewohner atmeten erleichtert auf. Aber schon nach einem knappen halben Jahr begann der 2. Weltkrieg, und mit ihm folgten Flucht und Vertreibung. Litauen wurde 1940 von der Sowjetunion annektiert und in eine litauische Sowjetrepublik umgewandelt. Nach dem 2. Weltkrieg gliederte die Sowjetunion auch das Memelland in die Sowjetrepublik Litauen ein. Im Zuge der Perestrojka erklärte sich Litauen 1990 als erste Sowjetrepublik zum souveränen Staat, einschließlich des Wilna-Gebietes und des Memellandes.

Memel, Theaterplatz am 23.03.1939
Datei:Memel Stadtteater1.jpg
Memel, Stadttheater

Berufsleben

Der 2. Weltkrieg und Internierung in Sibirien

Eine neue Heimat

Anekdötchens

Enttäuschung

Am 1. Mai 1915 wurde Ewald zum Bayerischen 8. Infanterie Regiment, 11. Kompanie, einberufen. Bevor er den Soldatenrock anzog, wollte er seinen Lieben zuhause noch schnell etwas Gutes tun. Er schickte ihnen ein paar Flaschen guten Wein und glaubte, damit seiner Familie eine Freude bereitet zu haben. Ewald hatte sich in der Pfalz zu einem Weinliebhaber entwickelt und blieb diesem Getränk auch lebenslang treu. Etwas enttäuscht war er, als er von zuhause kein Dankeschön erhielt. Bei seinem ersten Fronturlaub erkundigte er sich, ob denn sein Wein überhaupt angekommen sei. Nur allmählich konnten sich seine Lieben daran erinnern, dass da mal ein paar Flaschen Wein angekommen waren. Auf die Frage, wie ihnen der Wein geschmeckt habe, kam die große Ernüchterung. Du meinst wohl das „saure Zeug“, das du uns aus der Pfalz schicktest. In Ostpreußen hatte man im Allgemeinen die Vorstellung, dass guter Wein süß und süffig sein müsse. Nur in gehobenen gesellschaftlichen Kreisen genoss man Wein von Weintrauben. Der normale ostpreußische Bürger trank seinen Obstwein. Nach Rückkehr aus Krieg und sowjetischer Internierung zog es Ewald gerne nach Bodenheim bei Mainz hin, wo sich sein Töchterchen Anneliese verheiratet hatte. Hier im Rheinhessischen wurde er an seine Zeit in der Pfalz erinnert, denn der Wein in Bodenheim schmeckte ihm noch genau so gut, wie der damals in Schifferstadt.

Elchbullen

Ausflug der Familie Kalley zu Sohn Bernhard in Kinten. Die Straße von Saugen nach Kinten führte durch ein größeres Wald- und Elchrevier. Am Tage war die Straße gefahrlos, nur nachts konnten Pferdefuhrwerke von den Elchbullen belästigt werden, wenn sie in ihrem Schlaf gestört wurden. Da die Rückfahrt von Kinten meist schon in der Dunkelheit erfolgte, mussten vor allem die Kinder ruhig gehalten werden. Denn die Elchbullen konnten die Pferde zum Scheuen und so die Kutsche ins Schleudern bringen. Ein solcher Unfall ist wohl nie geschehen, aber die Kinder nahmen die Drohung sehr ernst.

Besuch

Ewald besuchte gerne Verwandte und Bekannte, aber genau so gern freute er sich, wenn er liebe Gäste empfangen konnte. Dann legte er großen Wert darauf, dass auch „sein Garten“ in Lüttringen keinen Grund für Beanstandungen bot. Schon Tage zuvor war er eifrig dabei, alles aufs Feinste herzurichten. Als er dann fertig war, teilte er seiner Familie nicht ohne einen gewissen Stolz mit: „der Garten ist fertig, Besuch kann kommen“.

Wacholdertour

Große Freude kam bei Ewald auf, wenn sich Emil und Co. aus dem hohen Norden Deutschlands zum Besuch angesagt hatten. Die traditionelle Wanderung hatte immer den Besuch einiger Gasthäuser in der Gemeinde zum Ziel, in denen der Wacholderschnaps besonders gut gemundet haben muss, denn die Wandertruppe kam stets in einer recht seligen Stimmung nachhause. Um dem Kind einen Namen zu geben, beschlossen die Wandergesellen einstimmig diesen Rundgang „Wacholdertour“zu nennen.

Skatspiel

Sehr unterhaltsam war es, wenn Ewald, Nachbar Albert und Herbert mit Schwiegersohn Fredi Skat spielten. Während Ewald seine Karten ordnete und überlegte, ob er mit einem solchen „Blatt“ ein Spiel gewinnen könnte, äußerte er sich meist mit dem Hilferuf: „Spinne, du webst“. Manchmal wurde auch eine solche Bitte von unbekannten Kräften erhört. Die Zeit flog meist nur so dahin, und ehe man sich versah, war es Mitternacht. Manchmal konnte die Spielerei kein Ende finden; und erst als bereits die Sonne den neuen Tag ankündigte, war auch Ewald bereit, mit der Spielerei aufzuhören.

Enkelsohn

Über die Geburt von Enkelsohn Stefan hat sich Ewald ganz besonders gefreut. Vor allem, weil dieses Ereignis in seiner unmittelbarer Nähe, im damaligen Krankenhaus in Ense-Bremen, stattfand. Die meisten seiner Enkelkinder waren in der Zeit geboren, während er fernab der Heimat in Sibirien in sowjetischer Internierung lebte. Deshalb empfand er die Geburt von Stefan, als wenn es sein eigener Sohn wäre. Elf Jahre lang hat er Stefan aufwachsen gesehen, und für Großvater und Enkel war es eine schöne Zeit. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass der Großvater seinen Enkel mit „mein Sohn“ ansprach.