Stolpe/Bauernbuch/Die großen Agrarreformen
7. Die großen Agrarreformen
7. 17. Der Ruf nach grundlegenden Reformen zur Aufhebung des "gutswirtschaftlichen Systems"
Der Ruf nach Reformen zur (zumindest partiellen) Aufhebung des gutswirtschaftlichen Systems wurde um die Mitte des 18.Jahrhunderts lauter und von Regierungsseite (auf landesherrschaftlichen Domänen) forciert. Der wichtige erste Schritt sollte in der Trennung von Guts- und Bauernwirtschaft bestehen und mußte zwangsläufig mit der Aufhebung der Feldgemeinschaft und gleichzeitiger Verkoppelung einhergehen. Auch einzelne Gutsherren wie z.B.Graf Rantzau auf dem Nachbargut Ascheberg begannen mit durchgreifenden Reformen ihrer Gutsverfassung (1740). Die beiden Hauptmotive waren ökonomischer und humanitärer Natur (im Geiste der Aufklärung). Nach vollzogener Reform auf dem "Eckhof" des Grafen Holk beispielsweise "stieg der Reinertrag des Gutes sofort um 25 Prozent, obgleich die Bauern so gelinde angesetzt wurden, daß jede Hufe statt der täglichen Hofdienste mit 8 Pferden und 5 Mann und der Extradienste in der Erndte ein Aequivalent von nur ca.120 Rthl.preußisch Courant an Zinsen für die Einlösung der Gebäude und des Inventars, so wie an jährlichen Erbpachtsabgaben in Geld und Getreide zu übernehmen hatte. Daß hierbei der Reinertrag der Bauernwirtschaften schon allein durch Beschränkung der Pferde- und Gesindehaltung und durch Vermehrung des Rindviehbestandes in noch stärkerem Verhältnis steigen mußte, braucht hier kaum angedeutet zu werden." [Ha.-S.36] Manche Gutsbesitzer wollten zwar die Hufen-Pachtwirtschaft einführen, aber voller Bedenken nicht sogleich auch die Leibeigenschaft beseitigen, weil sie auf die Frondienste der Gutsuntergehörigen nicht glaubten verzichten zu können. Doch neben den vorliegenden positiven ökonomischen Ergebnissen war es dann auch "die einheimische Presse, welche in den letzten Decennien des vorigen (18.) Jahrhunderts, als die philantropischen [menschenfreundlichen] und politischen Ansichten über allgemeines Wohlergehen, unveräußerliche Menschenrechte und bürgerliche Freiheit immer mehr sich Bahn brachen, mit steigender Lebhaftigkeit und Eindringlichkeit von den Gutsbesitzern die Befreiung der Leibeigenen gefordert hatte." [Ha.-S.41/42] Die Zeit war reif für den Wandel und der Boden bereitet; auf den adl.Gütern Ostholsteins preschten einige reformwillige Gutsbesitzer vor, unter ihnen auch Graf Luckner auf Depenau.
7. 18. Vermessung - Verkoppelung - Setzung
Die Königl.Regierung hatte mit ihrer Einkoppelungsverordnung von 1771 ["Verordnung die Aufhebung der Feldgemeinschaften betreffend und die Beförderung der Einkoppelung für das Herzogtum Holstein"] lange vorher für einen mächtigen Impuls gesorgt. " Die Gutsbesitzer faßten die Sache mit Energie an. Nicht wenige Feldregulierungen der Gutsdörfer waren schon vor Ablauf des vorigen Jahrhunderts beendet ... " Diese bestand darin, daß "sämmtliche Ländereien einer Dorffeldmark in eine Austausch-Masse zusammen geworfen werden, aus welcher sodann jeder Interessent nach Maßgabe des Areals und der Güte seiner bisherigen Ländereien und nach Verhältnis seines Nutzungsrechtes an den Gemeinheiten [an der bisherigen Feldgemeinschaft] seinen Besitz in einer einzigen arrondierten Fläche ... in völlig privater Bewirthschaftung wieder ausgewiesen erhält, womit ein Ausbau von Hufen [aus dem Dorf heraus in die Feldmark] zweckmäßig verbunden wird." [Ha.-S.71] "Bereits 1795 hob Graf Luckner auf Blumendorf (bei Oldesloe) zugleich mit der Einführung der Hufen-Pachtwirtschaft auch die Leibeigenschaft auf. Auf Depenau eröffnete er seinen Hufnern ("unter ausdrücklicher und stillschweigender Beibehaltung der Leibeigenschaft" Ha.-S.40) bei der Verpachtung der Hufen auf 15 Jahre zugleich die Aussicht, später Erbpächter zu werden, wenn sie sich als gute Wirthe bewährt haben würden." [Ha.-S.41] Was Ferdinand Graf Luckner am 31.12.1794 schriftlich niedergelegt [siehe 4.12.] - und sein Vater lange vorher geplant und ingang gesetzt hatte - das setzte er demgemäß im folgenden Jahr in die Tat um. Damit können wir diesen langwierigen und zunächst kaum durchsichtigen Prozeß des Überganges von der gemeinschaftlichen zur individuellen Wirtschaftsweise endgültig nachvollziehen.
Die Stolper (wie auch die Wankendorfer) Hufner erhielten ebenfalls jeweils im Erdbuch von 1810 nachweisbare "10-12 möglichst gleich große, durch Gräben und Erdwälle mit lebendigen Hecken (Knicks) befriedigte Koppeln". Während dem Gutsherrn die Kosten der Veräußerung [der vertraglichen Vererbpachtung], Bonitierung [Fesstellung der Bodenqualität] und Feldeinteilung [Vermessung] wie des Ausbaus [Errichtung der Gebäude inmitten der neu zugeteilten Ländereien] allein zur Last fiel, mußte der Bauer nur die Eingrabung, Umwallung und Zäunung der neuen Koppeln selbst ausführen. Damit übernahm der Gutsherr eine bedeutende Kapitalanlage, die sich erst später durch erhöhte Einnahmen aus den Hufen verzinsen konnte. [Ha.-S.72]
Die Varendorfsche Karte von Stolpe und Wankendorf, die spätestens um 1795 entstanden sein muß, zeigt an, daß die Einkoppelung auf den Dorffeldern mit entsprechendem Wegenetz, einschließlich der neuen Landstraße, zu diesem Zeitpunkt im wesentlichen bereits abgeschlossen war. Der Ausbau der Höfe aber wurde offenbar erst später, wahrscheinlich nach und nach vorgenommen. "Kurz vor oder mit dem Beginn des Pachtwesens ließen viele Gutsherren die Hufengebäude revidieren und in besseren Stand setzen, ganz alte und schlechte niederreißen und außerhalb des Dorfes möglichst in der Mitte der zur betreffenden Stelle gehörigen Ländereien wieder aufbauen, womit sie auch später fortfuhren, wenn die Gebäude einer Hufe baufällig geworden oder durch eine Feuersbrunst vernichtet waren" [Ha.-S.80], was nicht eben selten vorkam. So wird auch der Gutsherr von Depenau verfahren sein; der Großbrand von 1804, bei dem in Stolpe 18 Gebäude eingeäschert wurden, wird den Umwandlungsprozeß beschleunigt haben. Die Duggen-Hufe "am See" brannte 1804 ab und wurde an neuer Stelle als sog. Ausbau mit eigenem Namen ["Wittmaßen"] errichtet. Leider sind dem Verfasser zum gegenwärtigen Zeitpunkt außer dieser Nachricht [von Herrn Karsten Marzian als Duggen-Nachfahren] noch keine konkreten Unterlagen hierzu bekannt geworden.
Nach beendeter Vermessung und Einkoppelung wurden die Hufner nach einer Übergangsperiode Erbpächter und Eigentümer des ihnen zugewiesenen Landes. Erstmals wurden die Abgaben (der Kanon) der Bauern ausschließlich nach Maß und Güte ihres Landes bestimmt. Auf diese Weise war die Vergleichbarkeit der Bauern untereinander ebenso gewährt wie die Transparenz aller zu leistenden Abgaben. Diese Setzung [Festsetzung] nach Quantität und Qualität [Bonität] des Bodens gilt als drittes Element der Neuordnung bäuerlichen Wirtschaftens. Sie ersetzt eine alte Festlegung nach "Pflügen", die recht pauschal verfuhr und durch große Veränderungen während eines langen Zeitraumes keine reale Grundlage mehr besaß. 1815 war das Gut Depenau mit 30 Pflügen steuerlich veranschlagt, das Dorf Stolpe mit 7 Pflügen, davon u.a. 9 Vollhufner zu je 1/2 Pflug, 7 Halbhufner zu je 1/4 Pflug, Krüger und Fischer zu je 1/8 Pflug.
In Kontrakten zwischen Gutsherrschaft und Zeit- bzw.Erbpächtern wurden die beiderseitigen Rechte und Pflichten Punkt um Punkt für eine bestimmte Laufzeit festgelegt. Die Depenauer Bauern haben über die erste Laufzeit 1795 bis 1810 Zeitpacht-Kontrakte bekommen. Während sie noch auf ihren Höfen in Stolpe sitzen, wirtschaften sie bereits auf ihren arrondierten, vermessenen und eingekoppelten Flächen. Das 1810 errichtete Erdbuch trug zwar den Titel "für Stolper bzw.Wankendorfer Erbpächter", war terminlich auch so geplant gewesen, aber durch einige Konkurse des Gutes Depenau bzw.der Besitzer beider Dörfer verzögerte sich naturgemäß die Vererbpachtung, und es war dann zunächst von der "Vorbereitung zur Vererbpachtung" die Rede. Endgültig eingeführt wurde sie 1823 mit der Eröffnung des Schuld- und Pfandprotokolls, nachdem Senator Jenisch aus Hamburg, dem schon das Gut Perdoel gehörte, die Dörfer Stolpe und Wankendorf aus der "Scheelschen Konkursmasse" erworben hatte. "Über das Arbeitsgerät, über Pferde- und Viehbestand wurde nach den veränderten Bedürfnissen der Trennung von Guts- und Bauernwirtschaft in geregelten Verfahren befunden. Gegenüber 10-12 Pferden vorher benötigten die Hufner nur noch 4-5; dafür konnten sie die Zahl ihrer Kühe von vorher 7-8 auf 18-20 erhöhen." [Ha.-S.45] Die Gutswirtschaft arbeitete jetzt vornehmlich mit eigenem Gesinde und mit Tagelöhnern, denen teils neu errichtete Katen in Gutsnähe zur Verfügung gestellt werden. Für das Gut Depenau befinden sie sich in Gutsnähe sowie in "Rüsch" und "Ochsenkoppel" - Orte, an die heute kein einziger Stein mehr erinnert!
Die umfassenden Agrarreformen gegen 1800 beseitigen das gutswirtschaftliche System, indem sie die Guts- und die Bauernwirtschaft voneinander trennen und den Bauern durch Einkoppelung, Vermessung und Setzung das individuelle Wirtschaften ermöglichen. In ihrem Gefolge wird die nunmehr gegenstandslose Leibeigenschaft aufgehoben und Justitiare werden zu Vorsitzenden der Gutsgerichte bestellt. [Die untere, lokale Verwaltung des Gutsdistrikts verbleibt (örtlich) bis 1928 (!) beim Gut in Depenau.]
Die Kontrakte zwischen Gutsherrschaft und Bauern regeln bestimmte weiterbestehende und gegenseitige Pflichten und Rechte. Das Erdbuch hält das bäuerliche Eigentum am Boden fest; es benennt die Flurstücke und deren Größe. Das Schuld- und Pfandprotokoll nennt den Versicherungswert der aufgezählten Gebäude und bestimmt im "Canon" die alljährlich zu zahlenden Abgaben. Dazu wird jeder Besitzwechsel eingetragen; ebenso der Ver- bzw. Ankauf von Immobilien. Schuldverschreibungen (Obligationen) werden hier protokolliert. 7. 19. Der Erbpächter in: Pachtkontrakt - Erdbuch - Schuld- u. Pfandprotokoll
Anstatt je eines Pachtkontrakts, eines Folios des Schuld-und Pfandprotokolls sowie einer Erdbuch-Eintragung soll an dieser Stelle ein für alle künftigen Erbpächter allgemein gehaltener und umfassender Kontrakt stehen, wie er in den Beschreibungen der Dörfer Stolpe und Wankendorf anläßlich der öffentlichen Versteigerung 1815 in Kiel nachzulesen ist. Unterzeichnet wurde er von allen Hufnern Wankendorfs und Stolpes.
Vorläufige Bedingungen zu einer Vererbpachtung in: >Beschreibung des zum adelichen Gute Depenau gehörigen Dorfes Stolpe< anläßlich der öffentlichen Versteigerung des Dorfes "auf dem Rathause in Kiel", 15.März 1815
1) Das ganze Kauf-Pretium wird zu Canon gesetzt, und dieser wird halbjährig ohne Abzug an die Gutsherrschaft entrichtet. 2) So wie die Herrschaft alle Abgaben übernimmt, die bis den 1sten Januar 1810 auf das Land etc.gelegt sind, so übernehmen die Erbpächter alle Abgaben, Steuern etc., die auf das Land, Menschen oder Vieh nach dem 1sten Januar 1810 gelegt werden. Der Betrag der bis zum genanten Dato aufgelegten Steuern etc.wird zu Gelde gerechnet, und diese Summe von der Gutsherrschaft zu ewigen Tagen garantiert. 3) Erbpächter entrichtet jährlich 2 Schillinge per Tonne zu der Armenkasse. 4) Die Erbpächter leisten alle Fuhren und Reisen unentgeltlich, die bei der Errichtung der Gebäude erforderlich sind, die durch Feuer oder Sturm zerstört werden, und dieses erstreckt sich auf alle Gebäude des ganzen Gutes. Zum Richten dieser Gebäude schicken sie jeder einen Mann täglich. 5) Wenn die Gutsherrschaft es verlangt, muß jeder Erbpächter in der Winter- und Sommersaatzeit, auf Depenau oder Löhndorf, der Vollhufner 2 Tonnen Roggen- oder Weizenaussaat, a 6 Mark pro Tonne, pflügen. Der Halbhufner leistet die Hälfte. In der Sommersaat muß der Vollhufner 4 Tonnen Hafer- oder 2 Tonnen Gerstenaussaat pflügen, die Tonne Hafer zu 3 Mark und die Gerste zu 4 Mark. Doch müssen die Erbpächter 2 Tage vorher dazu angesagt werden. Ebenso sind die Erbpächter verpflichtet, in der Heu- und Kornernte mit ihrem Gespann, einen Tag in der Heu- und einen Tag in der Kornernte einzufahren. Sie halten mit den Hofwagen Reihe und laden ebensoviel auf. Dafür bekommen sie per Tag für das Gespann 4 Mark. Jedoch sind sie verpflichtet, dafür ordentliche Fuhrleute und gute Wagen mit ihren Pferden zu schicken. Die Halbhufner leisten bloß zwei Tage in der Heuernte mit ihren Pferden und Wagen Dienste; sie halten gleichfalls mit den Hofwagen Reihe und laden ordentlich auf. Sie erhalten für den Tag 1 Reichstaler. 6) Die Vollhufner leisten im Winter oder Sommer, außer der Saat- und Erntezeit, von den Höfen Depenau oder Löhndorf zwei Kornfuhren von 5 Meilen unentgeltlich. Eine Tour nach Kiel, Kellinghusen, Lübeck etc.wird für eine Reise von 5 Meilen gerechnet, und eine Tour nach Hamburg oder Altona wird für zwei lange Reisen gerechnet. Sie laden 8 Tonnen Weizen 8 " Roggen 9 " Gerste 10 " Buchweizen 10 " Rappsaat 8 " Kartoffeln 8 " Erbsen 8 " Wicken
7) Auch leisten die Hufner zwei Kornfuhren für Geld, eine lange und eine kurze, und erhalten für die lange Reise 16 Mark und für die kurze 12 Mark. Unter einer kurzen Reise wird eine Reise von 2 Meilen verstanden. Diese Touren müssen aber zu einer Zeit gefordert werden, worin die Wege gut sind, und außer der Saat- und Erntezeit. 8) Die Halbhufner sind verpflichtet, nach Depenau oder Löhndorf oder nach der Ziegelbrennerei jährlich 6 Faden Kluftholz aus den herrschaftlichen Hölzungen des gesammten Gutes Depenau unentgeltlich anzufahren. Diese Arbeit kann aber nur außer Saat- und Erntezeit und bei guten Wegen von ihnen gefordert werden. 9) Sollte die Gutsherrschaft gesonnen werden, auf Depenau oder Löhndorf ein neues Herrenhaus zu bauen, so leisten sämtliche Vollhufner während des Baues drei lange Reisen von 5 Meilen unentgeltlich. Sie laden 4 Zwölfer 12füßige ebenkantige Bretter, Sparren und Balken. 10 Tage tun sie mit ihrem Gespann unentgeltlich zu diesem Bau Tagfuhren im Gute. Die Halbhufner leisten zu dem Bau mit ihren Pferden und Wagen 12 Tage lang unentgeltlich Tagfuhren. Diese Fuhren können und müssen außer Saat-und Erntezeit von den Bauern gefordert werden. 10) Die Gutsherrschaft behält sich eine genaue Aufsicht über diese Stellen un deren Bewirtschaftung vor. Zu dem Ende wird sie zweimal im Jahr eine Revision darüber halten oder halten lassen. 11) Sämtliche Erbpächter können ihre Stellen verkaufen, doch behält die Gutsherrschaft sich das Vorkaufsrecht vor. 12) Sollten die Erbpächter in der Folge etwas von dem Kaufschilling abtragen wollen, so werden ihnen für jede bezahlte 100 Rthlr 4 Rthlr in ihrem Canon abgeschrieben. 13) Sämtliche Erbpächter leisten pro rata alle Fuhren, die der König oder die Regierung von jedem Pflug oder sonstigen bestimmten Tonnenzahl requiriert. Ebenso alle Korn-, Fourage- und Naturallieferung an das Königl.Magazin, ohne irgendeine Vergütung von der Gutsherrschaft zu erwarten. Auch hält jeder Erbpächter alle Kosten der Einquartierung ab und sorgt bestmöglich für die gute Bewirtung der bei sich in Quartier habenden Leute, ohne Schadloshaltung von Seiten der Gutsherrschaft. Jedoch kommen dem Erbpächter alle Vergütungen zugute, die die Regierung für geleistete Fuhren, gehabte Eiquartierung und für gemachte Lieferungen an das Königl.Magazin bewiiligt. 14) Das Dorf Stolpe mit Kielerkamp wird zu 7 Pflügen und das Dorf Wankendorf mit den Bokelhorner und Obendorfer Stellen zu 6 Pflügen angesetzt. [1"Pflug" kein Land-, sondern ein Steuermaß] 15) Alle Fuhren, die bei der Errichtung der neuen Schulgebäude [1811 !] und bei der nachherigen Reparatur derselben erforderlich sind, werden von den Erbpächtern geleistet, und das nötige Stroh wird von ihnen zum Decken gratis geliefert. Auch stehen sie für ein Drittheil von dem Gehalt des Schulmeisters. Das ihnen etwa zu bewilligende Deputatkorn wird von der Hälfte der Gutsherrschaft und die andere Hälfte von den Bauern geliefert. Die Kuh des Schulmeisters wird abwechselnd von den im Dorfe wohnenden Bauern geweidet, wofür der Erbpächter für den Sommer 12 Rthlr erhält. Die 10 Rthlr werden von den sämtlichen Erbpächtern zusammengebracht und die 2 Rthlr entrichtet die Gutsherrschaft. Das nötige Winterfutter wird von der Gutsherrschaft geliefert. 16) Sollte einer oder der andere Erbpächter nachlässig in der Bezahlung seines Canons sich bezeigen und ein schlechter Wirt und Haushalter befunden werden, so ist die Herrschaft befugt, ihm sein Eigentum zu nehmen und einem anderen zu übertragen. Er muß alsdann die Stelle mit dem ganzen Haus- und Feldinventario abliefern, und seine Mobilien werden öffentlich zur Tilgung seiner Schulden verkauft. Um jedoch den Untertan gegen jede Art von Parteilichkeit zu schützen, so soll ein Gericht von 4 unparteiischen Männern niedergesetzt werden, um das Betragen und die Wirtschaft des Erbpächters zu untersuchen. Zwei Männer werden von der Herrschaft und zwei von den Erbpächtern gewählt. Von diesem Gericht kann nicht appelliert werden. Sollte der Erbpächter nach dem Ausspruch des Compromiß für schuldig erklärt werden, so verliert er nicht nur seine Stelle, sondern auch alle Ansprüche an den Altenteil, der bei der Stelle stipuliert [festgesetzt] worden. Auch wird das unparteiische Gericht untersuchen, ob die Stelle durch einen von den erwachenen Söhnen des abgesetzten Hufners, der vielleicht abwesend im Militairdienst sich befindet, zu besetzen sey. Wenn die Untersuchung ergibt, daß der junge Mensch tüchtig und daß er durch sein gutes Betragen sich von jeher ausgezeichnet hat, so soll ihm der Vorzug vor anderen bei der Wiederbesetzung der Hufe gestattet werden. 17) Wenn gleich kein Geld ausgezahlt wird, so soll doch nach dem, was der Erbpächter per Tonne ausgibt, das ganze Kaufpretium bestimmt werden, welches zu 4% berechnet wird. Z.B.gibt der Erbpächter 4 Rthlr per Tonne, so wird bei einer vollen Hufe der Kaufschilling 6.000 Rthlr seyn, wenn sie 60 Tonnen enthält. Die ersten zwei Dritteile der Kaufsumme können von dem Erbpächter ausgezahlt werden. Der dritte Dritteil aber bleibt für immer in der Stelle als Canon stehen. Die Erbpächter stellen Obligationen über die Kaufsumme aus, und es wird für sie ein Schuld-und Pfandprotokoll unter dem Gerichtshalter errichtet. wie schon vorher bestimmt worden, kann die Herrschaft dem Erbpächter kein Geld kündigen, außer den jetzt bestimmten 500 Rthlrn, die Maitag 1815 von jedem Vollhufner zu bezahlen sind; und diese werden im zweiten Dritteile des Kaufpretiums abgeschrieben. Wenn der Hufner sonst was auszahlt, so wird es ihm ebenfalls im zweiten Dritteile des Kaufpremiums abgeschrieben, und nachdem dieser ganz abgetragen, kann ihm im ersten Dritteile der weitere Abtrag abgeschrieben werden. 18) Alles Hartholz, welches auf den Ländereien und in den Knicken der Bauern steht, reserviert sich die Herrschaft. Doch kann die Wegräumung nicht zu einer Zeit geschehen, wo sie den Bauern nicht schicklich ist. Alles Weichholz auf den Feldern der Bauern wird ihnen zu ihrem Gebrauch überlassen. 19) Um Weihnachten jeden Jahres bezahlt der Erbpächter auch das Brandgildengeld und hält bei einem Brandschaden aus der Kieler adelichen Brandgilde zu erwarten, was die Versicherung mit sich bringt. Übrigens geht alles auf seine Gefahr, so wie auch bei Krieg und Kriegsüberzug. 20) Der Erbpächter erhält eine Tonne Moor auf Kuhlen oder anderweitig angewiesen. Der Halbhufner eine halbe Tonne Moor. 21) Der Erbpächter erhält jährlich, wenn er es verlangt, 2 Faden Buchen-Kluftholz; den Faden 6 Fuß hoch und weit und 2 1/2 Fuß lang, zu seinem eigenen Gebrauch angewiesen, wofür er für jeden Faden 3 Rthlr entrichtet. Ferner erhält jede Dorfschaft jährlich zu Nutzholz 2 Buchen, werth a Stück 5 Rthlr, und zwei Eichen, a Stück 6 Rthlr werth, unentgeltlich angewiesen. 22) Der Erbpächter leistet jährlich zwei Jagdtage mit zwei Mann täglich. 23) Die Erbpächter unterhalten die Feld- und Dorfwege mit ihren Nachbarn gemeinschaftlich. In den öffentlichen Landstraßen bekommt jeder Voll- und Halbhufner seine Strecke angewiesen. Das nötige Brückenholz und die Faschinen oder Wasen, welche in den Landstraßen gebraucht werden, bekommt er von der Herrschaft geliefert. Auch ist er verpflichtet, eine Strecke von seinem Anteil mit einer Steinbrücke zu versehen, das heißt, in der Strecke, die er im Kielerkamper Redder erhält. Die Herrschaft übernimmt einen Teil von der Kielerkamper Landstraße. Sie behält sich über die sämtliche Wegbesserung die genaueste Aufsicht bevor, und außer Saat-und Erntezeit können die Erbpächter immer zu dieser Arbeit angesagt werden.. 24) Allen von der höchsten Landesherrschaft bereits erlassenen oder noch künftig zu erlassenden Verordnungen sind die Erbpächter pünktliche Folge zu leisten schuldig; besonders sind sie in Ansehung des Landausschusses an die bestehenden landesherrlichen Anordnungen gebunden, müssen das Hin-und Herfahren der Landmilizen zur Exerzierzeit gemeinschaftlich unentgeltlich besorgen; wer einen Landausschußmann in Dienst hat, muß selbigen zur bestimmten Zeit zum Exerzieren abgehen lassen, und darf ihm für diese Zeit seiner Abwesenheit an seinem Lohne nichts kürzen. 25) Der Erbpächter bleibt nach wie vor für sich, seine Hausgenossen und Dienstboten der Gerichtsbarkeit des Gutes Depenau unterworfen, und ist schuldig, allen von den Gutherrn oder dessen Gericht erlassenen Befehlen und Polizei-Verfügungen genaue Folge zu leisten. Insonderheit darf derselbe unter keinem Vorwand einen Fremden, ohne gutsherrliche Erlaubnis, bei sich aufnehmen. Bei den Bettlerstreifen, sowie an dem Transport des aufgefangenen Gesindels, desgleichen bei eintretenden Physical- und Criminalfällen, der Einholung, Bewachung und allenfallsigen Weiterschaffung der Gefangenen, nimmt Erbpächter gemeinschaftlich mit den Übrigen unentgeltlich Anteil. Wenn er oder die Seinigen, es sei als Kläger oder Beklagter, besprochen und die Haltung eines Gerichts veranlassen, ist er verpflichtet, für die ihm gerichtlich zuerkannten Kosten zu haften, auch den Justitiarium von Kiel oder anderen Orten her mit Wagen und Pferden unentgeltlich zu holen und zurückzufahren.. 26) Der Erbpächter verpflchtet sich zu allen ordinairen und außerordentlichen Kirchen-Anlagen für eine Kirchenhufe, und leistet überdies alles, was an Prediger-und Organistengebühren, Kirchenfuhren, Unterhaltung der Kirche, des Prediger- und Küsterhauses etc.bisher von einem Hufner des Gutes gefordert worden oder mit Recht gefordert werden kann. 27) Jeder Erbpächter läßt sich die in der Folge wegen Hebammen-Versorgung ergehenden landesherrlichen Verfügungen gefallen und leistet die ihm etwa dabei zufallenden Beiträge ohne Ersatz. 28) Erbpächter ist schuldig, seine nötige Schmiedearbeit in der Gutsschmiede in Stolpe machen zu lassen, auch auf der Depenauer Mühle sein Korn und Malz gegen bisher gewöhnliche Matten mahlen und schroten, sowie auch seine Grütze machen zu lassen. Auch leisten sämtliche Erbpächter alle Fuhren und Handdienste, die bei den Reparationen oder Bauten der Mühlen und Schmieden vorkommen. 29) Erbpächter enthält sich, bei unabbittlicher Brüche, alles Hütens in den Hölzungen, in den herrschaftlichen Koppeln und Wiesen, alles Schießens, Fischens und Krebsfangens, sodann alles eigenmächtigen Holz- und Buschhauens, auch Torfstechens u.dergl.; überdem muß er sein Vieh nicht zum Schaden anderer in den Wegen, Reddern oder sonsten herumlaufen lassen. 30) Der bei der Hufe gegenwärtige Beschlag an lebendigem Vieh, Acker-und Wirtschafts- Gerätschaften, wird dem Erbpächter nach dem Inventario überliefert und von zwei unparteiischen Männern taxiert. 31) Sollte wider Vermutens über diesen Erbpachts-Contract zwischen der Gutsherrschaft und dem Erbpächter künftig Streit entstehen, so soll, mit Vermeidung alles förmlichen Rechtsganges, selbiger vor ein Compromiß-Gericht gebracht werden, wozu jeder Teil ein Mitglied erwählt, und bei einer Strafe von 50 Rthlr binnen 14 Tagen, nach erfolgter Anforderung, namhaft macht; der Obmann wird von beiden Teilen gemeinschaftlich und nötigenfalls durch das Los bestellt. Bei dem Ausspruch dieses Compromiß-Gerichts hat es alsdann sein unabänderliches Bewenden, und findet davon keine Appellation an die Landesgerichte statt. 32) Obgleich den sämtlichen Erbpächtern die Tonne Land zu 100 Rthlr in Erbpacht gegeben, so ist von der Gutsherrschaft dennoch eine Schätzung der Stellen vorgenommen worden, nach welcher genau bestimmt ist, wie hoch der Erbpächter seinen Kaufschilling in den ersten 5 Jahren verzinsen kann. Nach Verlauf dieser 5 Jahre muß der Erbpächter 4 % von dem Kauf-Pretium entrichten. Die letzten 1.000 Reichstaler läßt die Gutsherrschaft für immer für 4 % in den Stellen stehen, und diese können auch von den Erbpächtern nie ausgezahlt werden. 33) Der Sohn des Hufners, dem der Vater die Stelle übergibt, ist verpflichtet, seinen Eltern den gehörigen Altenteil* zu geben.
So geschehen Bockhorn, den 28sten April 1815 Es folgen die Unterschriften von 32 Voll-und Halbhufnern.
Asmus Sieck, Ellerstrücken Hans Duggen, Bansrade Christ.Detl.Sievers, Silgenwisch Hinrich Kummerfeld, Neujäger Hinrich Duggen, Wittmaaßen Jochim Eggers, Jägersberg Hinrich Sieck, Bocksberg Claus Theden, Puckrade Marx Fr.Theden, St. Op de Wach Hans Tietgen, Wdf. Ton olen Soot Claus Lüttjohann, St. Kirchtor Claus Riecken, Wdf. Claus Jürg.Theden, Missenkamp Asmus Duggen, Wdf. Aug.C.Wüstenberg, St. Ludwigshöhe [Holm] Hinr.Chr.Sieck, Schimmelhof Claus Lüttjohann Jun., St. Hohentor Christian Schlüter, Bockelhorn Asmus Tietgen, Klingenberg Asmus Schlüter, Obendorf [ter Hazeborg] Christian Tietgen, Brammerberg Paul Tietgen, Obendorf [Gerstandt] Claus Hinr.Eggers, Kielerkamp Diedrich Kummerfeld, Grünjäger Christ.Schlüter, Kielerkamp Asmus Lüttjohann, Wdf. Krugstelle Hinrich Duggen, Kielerkamp Joh.Chr.Theeden, Bansrade Joh.Hinr.Lüttjohann, Kielerkamp Christoph Wellendorf, Kuhlrade Asmus Löhndorf, Kielerkamp Asmus Horst, Düsternbrook Hans Hingst, Kielerkamp [Wittenberg] Hinrich Markmann, Rühmobendorf
- Zur Zeit der Leibeigenschaft befand sich regelmäßig bei jeder Hufe eine Altenteilskate mit einem Kohlhof (Garten) u.s.w., welche für den alten abgegangenen, von dem Nachfolger in der Stelle zu ernährenden Hufner mit seiner Frau oder für die Witwe desselben zur Wohnung bestimmt war und, wenn keine Altenteilsleute vorhanden waren, von dem Inhaber der Hufe vermietet werden konnte. ° [Hansen, S.82, 83] Nach dem Ausbau der Hufen verblieben diese Katen im Dorf, vermutlich bewohnt zunächst noch von den Altenteilsleuten bzw. von Mitgliedern der Familie, so daß deren Namen Hinweis auf eine ehemalige Hufenstelle im Dorf geben könnten.