Der Tempelhüter steht wieder in Trakehnen
Der Tempelhüter steht wieder in Trakehnen
Über die Hintergründe und Aufstellung der Tempelhüter Replik am einstigen Standort berichtet Dr. Christoph Hinkelmann[1], Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg[2].
Am 26. September 1932 ließ die Preußische Gestütsverwaltung[3] aus Anlass des 200. Jubiläums des Hauptgestüts Trakehnen auf einem Sockel vor dem Landstallmeisterhaus eine lebensgroße Pferdeplastik aufstellen. Der Hengst „Tempelhüter“[4], geboren 1905, verkörperte mit seiner harmonischen Vereinigung von Kraft und Eleganz das ideale Pferd seiner Zeit.
Gut 12 Jahre stand die Plastik dort, dann eroberte die Rote Armee Trakehnen, das seine lebenden Bewohner rechtzeitig zuvor verlassen hatten. Zurück blieb das nicht-lebende Inventar, auch der Tempelhüter. Über das nördliche Ostpreußen senkte sich der Eiserne Vorhang unbeweglicher als über das gesamte dem sowjetischen Einfluss zugefallene Gebiet und praktisch keine Information drang mehr nach außen.
Durch Zufall wurde es zu Beginn der 1970er Jahre im Westen bekannt, dass die berühmte Trakehner Pferdeplastik[5] nach Moskau gebracht worden war. Statt ihrer stand auf dem Sockel ein Denkmal zur Erinnerung an die Sowjetsoldaten, die ihr Leben bei der Eroberung Ostpreußens verloren hatten, ein Kopf mit Stahlhelm im Profil.
Erst mit der politischen Wende 1990/91 wurde das nördliche, nun russische Gebiet wieder für Deutsche zugänglich, die es natürlich auch nach Trakehnen, das heute wie der Tolstoi[6]</ref>-Ort nahe Moskau Jasnaja Poljana[7] heißt, zog. Alle sahen den originalen, aber veränderten Sockel und vermissten die Pferdeplastik. Einer, der sich mit diesem Verlust nicht abfinden wollte, war Hagen Mörig[8] aus Braunschweig, der ab 2001 ein Jahr lang Aufbauarbeit in Jasnaja Poljana geleistet hatte. Er gründete einen Verein, „Hilfe für Trakehnen“[9], und setzte alle Hebel in Bewegung, um das Standbild des Tempelhüters aus dem Museum der Landwirtschaftlichen Akademie an seinen originalen Platz in einen ebenfalls russischen Ort zurück zu führen. Er führte viele Gespräche, organisierte aufwendige PR-Aktionen wie eine Kutschfahrt[10] mit vier Trakehner Schimmeln von Berlin nach Ostpreußen, die er zusammen mit Heinrich Freiherrn von Senden im Sommer 2010 durchführte und sammelte Tausende von Unterschriften, um die verantwortlichen Stellen in Moskau zur Rückgabe des Tempelhüters zu bewegen. Das gelang ihm nicht, doch schaffte er es, dass die zuständige Stelle die Erlaubnis erteilte, eine Nachbildung oder Kopie der Pferdeplastik im ehemaligen Trakehnen aufzustellen. Allerdings unter der Bedingung, dass er für die Kosten der Anfertigung und der Aufstellung selbst aufkam. Mit diesem „Freibrief“ wurde er unermüdlich tätig, fand in Königsberg/Kaliningrad eine Gießerei, die die Plastik herzustellen bereit war und trug mehr als 35.000,- € zusammen, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass ein großer Teilbetrag von ihm persönlich geleistet wurde. Da ein Abguss vom Original nicht gestattet wurde, war die Gießerei gezwungen, das Denkmal auf der Basis zahlreicher Fotografien neu zu gestalten.
Im Mai 2013 war der erfolgreiche Abschluss des Projekts absehbar, doch einige wenige, der Sowjetzeit verhafteten Bewohner beharrten auf dem Verbleib des Soldatendenkmals auf dem Tempelhütersockel. Um die neue Pferdeplastik dennoch im Ort aufstellen zu können, errichtete ein dem Vorhaben sehr gewogener Dorfbewohner, der Eigentümer des Restaurants „Alte Apotheke“, einen Sockel[11] in seinem Vorgarten. Erneut war es Hagen Mörig, der für die Finanzierung sorgte. Doch kurz vor dem lange angekündigten Termin der feierlichen Enthüllung des Denkmals kam eine Anweisung aus Moskau, die eine beide Seiten befriedigende Lösung brachte: das Soldatendenkmal wird auf den am Dorfrand gelegenen Friedhof zu Ehren von über 2.000 Rotarmisten, die bei der Eroberung der Region ums Leben gekommen waren, überführt und die Feierlichkeiten beginnen mit einer Kranzniederlegung dort. Im Anschluss wird dann die Pferdeplastik auf dem originalen Sockel enthüllt.
Die feierliche Enthüllung der Tempelhüter-Nachbildung fand am 29. September 2013, 81 Jahre und 3 Tage nach der ersten Zeremonie am selben Ort, statt. Zur Festveranstaltung bei bestem ostpreußischen Herbstwetter fanden sich über 400 Menschen aus dem Dorf Jasnaja Poljana und der Region, auch Vertreter der Gebiets-Duma, des Landrats des Kreises Stallupönen/Nesterov und der Bürgermeister ein, weiterhin zahlreiche Gäste aus Königsberg/Kaliningrad und aus allen Teilen Deutschlands. Auch ein Vertreter der russischen Trakehnerzüchter war eigens angereist und hatte es organisiert, dass ein lebender Nachfahre der Trakehner Pferdezucht zur Feier in Jasnaja Poljana anwesend war. Besonders stark vertreten waren Angehörige der Kreisgemeinschaft Ebenrode/Stallupönen[12], der früheren Bewohner des Landkreises, zu dem Trakehnen vor 1945 gehörte, die mit einem eigenen Bus angereist waren, um der Zeremonie beizuwohnen. Einige Dorfbewohner, unterstützt von Schülern der „Deutschen Schule Trakehnen“, präsentierten in Kleidern, die denen des 18. Jahrhunderts nachempfunden waren, ein Schaubild von Tätigkeiten auf dem Lande zur Zeit der Gründung des Hauptgestüts 1732.
Die Festrede hielt Dr. Gerhard Kuebart[13], Großneffe des Künstlers Reinhold Kuebart[14], der zu Beginn der 1930er Jahre das Tempelhüter-Original geschaffen hatte. Alle Redebeiträge und Grußworte wurden entweder in Russische oder ins Deutsche übersetzt. Mit einem Pferderennen am Ortsrand, einem Konzert und einem Feuerwerk klang der ereignisreiche, historische Tag aus.
Dr. Christoph Hinkelmann Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Ostpreußen Landesmuseum in Lüneburg
Fußnoten
- ↑ Die Zustimmung vom Autor, Dr. Christoph Hinkelmann, zur Veröffentlichung des Berichtes im Portal Trakehnen liegt vom 04.12.2013 vor. Der Artikel ist auch in etwas gekürzter Form in der Zeitschrift: „DER TRAKEHNER 12 / 2013“ erschienen.
- ↑ Ostpreußisches Landesmuseum in Lüneburg (05.12.2013)
- ↑ 275 Jahre Königl. Preuß. Gestütsverwaltung (05.122013)
- ↑ Artikel Lebenslauf des „Tempelhüters“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (05.12.2013)
- ↑ Die Bronze-Statue von 1932 des Hengstes „Tempelhüter" steht heute im Landwirtschaftsmuseum in Moskau
- ↑ Artikel Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoi. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (05.12.21013)
- ↑ Artikel Jasnaja Poljana in der Nähe von Moskau. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (05.12.2113)
- ↑ Hagen Möring (05.12.2013)
- ↑ Hilfe für Trakehen (05.12.2013)
- ↑ Die Kutschfahrt von Berlin nach Ostpreußen, sie auch Bericht: Der lange Weg nach Trakehnen
- ↑ Platz vor der „Alten Apotheke“
- ↑ Kreisgemeinschaft Ebenrode (Stallupönen) (05.12.2013)
- ↑ Dr. Gerhard Kuebart (05.12.2013)
- ↑ Reinhold Kuebart, Bildhauer (05.12.2013)