Handbuch der praktischen Genealogie/359

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
< Handbuch der praktischen Genealogie
Version vom 24. September 2012, 13:47 Uhr von Laubrock (Diskussion • Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version • aktuelle Version ansehen (Unterschied) • Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[358]
Nächste Seite>>>
[360]
Datei:Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



durch einige gesellschaftlich rezipierte jüngere Elemente; endlich der neue Briefadel. Die Sonderstellung des reichsfreien Adels in Schwaben, Franken und am Rhein beruhte auf der nahezu landeshoheitlichen Gewalt, die dieser Adel auf seinen reichsunmittelbaren Gütern ausübte, und auf seiner besonderen, positiv allerdings ziemlich bedeutungslosen Rechtsstellung im Reichsverband. Die Genealogie der einzelnen Familien zeigt uns, daß eine strenge gesellschaftliche Sonderung (ohne die ein Adel nichts bedeutet) zwischen den Reichsfreien und den sogenannten Landsässigen zu keiner Zeit bestanden hat Es ist also sicherlich übertrieben, wenn man aus der formellen verfassungsrechtlichen Sonderlage des reichsfreien Adels darauf schließen will, daß er eine Mittelstufe zwischen hohem und niederem Adel eingenommen. Das läßt sich eben nur formell-verfassungsrechtlich behaupten.

      Der Adel der einzelnen Territorien vom Kurfürstentum herab bis zur Grafschaft hatte noch im Mittelalter überall ziemlich gleichmäßig korporativ einen gewissen Einfluß auf die landesherrliche Regierung erlangt. Diese ständische Teilnahme an der Regierung hat in Deutschland während der Periode des Absolutismus überall nachgelassen, weniger durch verfassungsgesetzliche Einschränkung als tatsächlich. Dagegen entwickelte sich sowohl für den hohen wie für den niederen Adel eine eigentümliche Rechtseinrichtung: die Autonomie. Jede einzelne Linie eines adeligen grundherrlichen Hauses maßte sich mit Erfolg im Lauf der Zeit gewisse Befugnisse an, das Erbrecht und Familienrecht ihrer Mitglieder eigenmächtig ohne Rücksicht auf landrechtliche Regeln zu bestimmen. In Testamenten und Haus- und Stammgutsordnungen, später in Fideikommißstiftungen setzte sich dieser Anspruch durch.

      Dabei war es ganz allein der Genealogie überlassen, festzustellen, wer in jedem Fall nach den besonderen Bestimmungen zur „Familie" gehörte. Dies Recht der Autonomie verließ sich auch noch in anderer Beziehung auf die Genealogie: Es wurde allgemein anerkannt, daß der adelige Grundherr unter anderem die Nachfolge in seine Güter davon abhängig machen konnte, daß seine Besitznachfolger eine Anzahl (vier, acht, sechzehn) adelige Ahnen haben müßten — analog den Aufnahmebestimmungen der meisten adeligen Klöster und Stifter, oder daß er die Nachfolge in den Familienbesitz von einer adeligen Standeslage des betreffenden Anwärters abhängig machen konnte. Damit war materiell in jedem Fall ein besonderes Familienebenburtsrecht geschaffen; denn im einen Falle schloß die bürgerliche Frau oder die Frau ohne genügende adelige Ahnen ihre Kinder von der Erbfolge aus, im anderen Falle ging wenigstens die an einen Nichtadeligen verheiratete Tochter ihres Eventualerbrechts für sich und ihre Kinder verlustig. Ein allgemeines Ebenburtsrecht solcher Art entwickelte sich nicht. Dafür war der Adel schon viel zu wenig homogen der ursprünglichen Abstammung nach zusammengesetzt. Aber diese besonderen Familienebenburtsrechte bestanden fort. Im hohen Adel sind sie heute noch anerkannt, insofern unsere hochadeligen Häuser auch durch die neuste Gesetzgebung autorisiert sind, durch besondere Bestimmungen ihr Familienrecht mit Gesetzeskraft zu regeln. Ja