Handbuch der praktischen Genealogie/349

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
< Handbuch der praktischen Genealogie
Version vom 21. September 2012, 16:18 Uhr von Laubrock (Diskussion • Beiträge)
(Unterschied) ← Nächstältere Version • aktuelle Version ansehen (Unterschied) • Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
<<<Vorherige Seite
[348]
Nächste Seite>>>
[350]
Datei:Handbuch der praktischen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



3. Die Genealogie in der staufischen Periode.

Die Genealogie in der staufischen Periode.      Der große kulturelle Aufschwung, den Deutschland mit dem übrigen Europa im 12. und 13. Jahrhundert nahm, spiegelt sich natürlich im genealogischen Bilde; und da auch für diese Periode die bestimmten Nachrichten über Verfassungsverhältnisse dürftig sind, ist wieder das genealogische Bild Quelle mancher aufklärenden Schlaglichter — oder könnte es sein, und wird es sein, wenn die genealogische Forschung einmal ihre Aufgabe erfüllt haben wird. Sie hat es für das 12. und 13. Jahrhundert schon leichter; denn es beginnen die Familiennamen und Familienwappen. Andererseits komplizieren sich allerdings die Verhältnisse dadurch, daß sich die großen Geschlechter schnell ausbreiten und in einzelne, künftig selbständige Zweige teilen.

      Der wichtigste Umschwung im Verfassungsleben des 12. und 13. Jahrhunderts betrifft aber nicht die Dynastenklasse, sondern ganz andere Volksschichten. Das Emporkommen bisher unfreier oder kleingutsherrlicher Leute zum Rittertum und zur Lehnsfähigkeit drückt dieser Zeit den Stempel eines enormen verfassungsrechtlichen Fortschritts auf. Und wieder kann und muß uns die Genealogie beste und sicherste Führerin sein, wenn wir sehen wollen, wie dieser Umschwung sich vollzog.

      Materiell ist ja dieses Aufrücken zum Rittertum leicht erklärt: der König oder ein Dynast oder Bischof oder Abt gab einem Mann, der ihm tauglich schien, Ritterwaffen und Pferde und den Ritterschlag und Güter, von denen der ritterliche Lebensunterhalt bezogen werden konnte, als Lehen; so war der Ritter geschaffen und zugleich der Begründer eines künftig ritterlichen Geschlechts Allein dem standen formell Schwierigkeiten im Wege. Kein Reichsgesetz hatte die Entstehung eines Standes unfreier Ritter angeordnet. Wie kamen König und Fürsten dazu, diese Neuschöpfung zu unternehmen, an die bis dahin niemand gedacht? Das war doch eine tief eingreifende Neuerung. Als Lehnsträger, womöglich Lehnsherren von ihnen abhängiger ärmerer Mannen sollten die neuen unfreien Ritter mit den ganz großen Herren der exklusiven Dynastengruppe künftig im Lehnsgericht zusammensitzen? Da sollte sich nicht von irgendeiner Seite Widerstand gezeigt haben?

      Tatsächlich ist diese ganze kultur- und rechtshistorisch ungemein interessante Erscheinung des Aufkommens eines neuen von Anfang an sehr zahlreichen (niederen) Ritteradels im 12. und 13. Jahrhundert ein höchst komplizierter Vorgang; er ist erst möglich geworden durch einen Verfall der Dynastenkaste und durch ein bestimmt und bewußt förderndes Eingreifen der Regierung; zunächst der staufischen Kaiser, später der mächtigen Reichsfürsten. Noch lange nicht alles ist da geklärt, trotzdem gerade in letzter Zeit viel über diese Vorgänge geforscht und geschrieben worden ist. Es sei hier wenigstens auf einige wichtige Punkte hingewiesen, die in das Problem hineinspielen und bei denen insbesondere die feste genealogische Grundlage vonnöten ist, um auf den richtigen Weg zu führen. Die umfassende Adelsgeschichte, die alle Einzelbeobachtungen sammeln und das Material aus ganz