Warthebruch Kolonisation: Unterschied zwischen den Versionen

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Wiki-Markup gesetzt; Link zum Gesamtverzeichnis "Die Neumark" gesetzt)
Zeile 6: Zeile 6:


*Gesamtverzeichnis '''[[Die_Neumark_(Schriftenreihe)|Die_Neumark]]'''
*Gesamtverzeichnis '''[[Die_Neumark_(Schriftenreihe)|Die_Neumark]]'''
*siehe auch '''[[Warthebruch_Kolonisation_Städte|Warthebruch Kolonisation Städte]]'''





Version vom 1. November 2010, 16:47 Uhr

Diese Seite gehört zur Familienforschung Neumark und wurde unter Mithilfe von Teilnehmern der Mailingliste Neumark-L erstellt. Die Daten aus den gesammelten Namensauszügen und -registern können in der Neumark-Datenbank durchsucht werden.



Paul Schwartz: Neues zur Fridericianischen Urbarmachung des Warthebruchs

in: Die Neumark. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Neumark, Heft 7, 1930, S.3–88



Kolonistennamen

Als neue Kolonisten im Jahre 1763 werden genannt:

in Altensorge:
NAME;VORNAME;BEMERKUNG
Roggenbach; Bernd; Pfälzer

in Berkenwerder:
Jungtorius; Samuel
Kanien; Georg
Kutzer; Gottfried
Schmidt; Erdmann
Schellert; Christian
Murack; Martin
Virch; Jakob
Milow; Michael
Schmidt; Johann
Rohrbeck; Christian
Kühn; Martin
Schellert; Gottfried
Schmidt; Martin
Bornau; Georg
alle aus Polen

weiter genannt 1765:
Petri;;Oberst (Vermessungsarbeiten)
Kreye;;Oberbürgermeister,Landsberg
Pachur;;Stadtsyndicus

Landsberger Bürger, die 1765 Land erhielten:
Philipp;;Schneider
Lampertius;;Tuchmacher
Pflaum;;Schmied
Nietzschke;;Tuchscherer
Bumcke;;Braueigen
Bumcke;;Seifensieder
Lampertius;;Braueigen
Pflugk;;Tuchmacher
Höffcke;;Schneider
Scheele;;Schneider
Seidelmann;;Glaser
Sasse;;Fuhrmann
Schelhorn;;Meister

mit Wiesen und Gärten ausgestattet werden weiterhin:
Altmann;;Bürgermeister
Bumcke;;Nachtwächter
sowie die Bürger
Bley
Dehoh
Engelmann
Fechner
Felmer
Fitzke
Glohr
Hemmerling
Hesse
Jasche
Lehmann
Löffler
Mann
Nickel
Nikol
Robertsohn
Schätz
Schöne
Schwinarcki
Seidlitz
Splittgarbe

Über den Oberbürgermeister Kreye heißt es - für Genealogen nicht ganz
uninteressant: "der vermittels des Ansehens, so er als Großvater,
Schwiegervater und naher Anverwandter fast von sämtlichen Mitgliedern des
Magistratskollegiums, ingleichen auch durch die Verwandtschaft und
Konnexion, worin er mit dem größten Teil der Bürgerschaft stand, beim
Magistrat und in der Stadt hatte, sich eine willkürliche Disposition über
sämtliche Stadt- und Kämmereibrücher [das Land im Bruch] auf eine
unerlaubte Weise angemaßt hat".

1766 in Küstrin verhandelnde Abgesandte der Bürgerschaft Landsberg:
Marche;Johann Friedrich
Pasche;Christian
Schröder;Samuel

1768:
Liebenthal;;Bürgermeister
Triest;;Marschkommissar
Geiseler;;Witwe

Bewohner von Borkow nach der Neuordnung von 1768:
Dämcke;;Lehnschulze
  Bauern:
Bumcke;Gottfried
Kube;Hans
Schleusener;Samuel
Bumcke;Witwe
Schmerse;Martin
Beyerke;Hans
Lehmann;Christian
Quilitz;Gottfried
Lehmann;Gottfried
Schleusener;Gottfried
Dohrmann;Gottfried
Hanschmann;Christian
Bleye;Witwe
Teschner;Christoph
Häbscher;Georg
Röstel;Tobias
Quilitz;Georg
  Kossäten:
Beyerke;Martin
Kuhjow;Martin
Munkewitz;Johann
Beyerke;Hans
Dohrmann;Samuel
Schüler;Georg
Heese;Hans
Schleusener;Michael
Fechner;Martin
Schröder;Tobias
Büttner;Martin
Gohlke;Adam
Röstel;Martin
Eichberg;Hans
Damm;Michael
Häuseler;Gottfried
Heese;Gottfried

in Zechow:
Teschner;;Lehnschulze
  Bauern:
Scheffler;Christian
Warnike;Peter
Felmer;Daniel
Mecklenburg;Adam
Döhring;Michael
Bumcke;Matthias
Mecklenburg;Michael
Faustmann;Martin
Stentschke;Michael
Röstel;Martin
Schüler;Andreas
Adam;Michael
Beyerke;Michael
  Kossäten:
Stentschke;Gottfried
Mecklenburg;Martin
Adam;Martin
Glohr;Michael
Höppner;Hans
Bumcke;Martin
Herwarth;Christian
Seegert;Martin
Schüler;Martin
Neumann;Michael

in Dechsel:
Lehmann;;Lehnschulze
  Bauern:
Borchard;Michael
Sachse;Martin
Heese;Christ
Heese;Gottfried
Hanschmann;Hans
Seegert;Christ
Strehmel;Gottfried (sen. + jun.)
Haupt;Christ
Schaumkessel;Christ
Röstel;Hans
Borchert;Hans
König;Christ
  Kossäten:
Beeck;Christ
Leitert;Martin
Ribbach;Jakob
Sasse;Erdmann
Hentze;Erdmann
Fuß;Michael
Nieske;Martin
Hemmerling;Samuel
Adam;Gottfried
Lehmann;Hans (sen. + jun.)
Föllmer;Martin (sen. + jun.)
Liepsch;Michael
Lehmann;Samuel
Lehmann;Balzer
Bumcke;Hans
Seegert;Daniel
Gohlke;Martin
Borchert;Gottfried
Kunth;Georg
Klempke;Hans
Liepsch;Adam
Heese;Jakob
Schmid;Hans
Lehmann;Gottfried
Borchert;Hans
Schmid;Michael
Strehmel;Christ.

in Kernein:
Herrmann;;Lehnschulze
  Bauern:
Wilke;Martin
Heese;Michael
Schubert;Michael
Winnicke;Samuel
Geiseler;Michael
Bumcke;Witwe
Wilke;Hans
Teichmann;Erdmann
Schmerse;Samuel
Lehmann;Witwe
Bumcke;Georg
Borchardt;Christian
Stentze;Gottfried (sen. + jun.)
  Kossäten:
Klusener;Tobias
Schüler;Christian (sen. + jun.)
Blehe;Hans
Nadoll;Christian
Quilitz;senior + junior
Wunnike;Witwe
Rastin;Martin
Strehmel;Adam
Eichberg;Christian
Häpsche;Michael
Hemmerling;Hans
Schleusener;Christian

Stadt- und Gewerkälteste Landsberg 1769:
Fechner;Johann Friedrich
Gaebeler;Joh. David
Geiseler
Goedens;Hermann Andreas
Hartung
Kaßmann
Köhler;Joh. Andreas
Köppen;Joh. Friedrich
Kraule;Michael
Kuhlow;Wilhelm Georg
Lehmann;Karl August
Lohe
Masche;Joh. Friedrich
Mögelin;Christ.
Nicol;Georg
Nieröse;Friedrich
Nuselcky
Pasche;Karl
Pfennigkäufer
Rißmann
Röstel;Joh. Georg
Schneider;Joh.
Schroeter;Daniel
Schummel;Gottlieb
Sieling;Elias

Beschwerdeführer 1769 (Stadt- und Gewerbeälteste, Bürger) Landsberg:
Andrä;Martin
Axthausen;Christian
Bartsch;Joh. Samuel
Behlendorf;Georg
Behrendt
Benckers;Andreas
Bresler;Gottfried
Ehrenberg;Joh. Kaspar
Fechner
Frölich
Gaebeler
Glohr
Görtz
Hartung
Hencke
Hirsekorn
Hoffke;Christoph Friedrich
Jäckel;Meister
Jorkach
Kakuschky
Kalikampff
Köhler
Krause
Lange;Martin
Lehmann
Löffler
Lucas;Gottfried
Masche
Mögelin
Pahle;Samuel
Pasche
Philipp;Martin
Röstel
Sabathe;Christoph
Schüle;Karl
Schasieritz
Schroeter
Schultze;Daniel Adam
Spiegelberg
Stege
Steinert;Martin
Wildenow;Ernst Friedrich
Wilke
Zimmermann

Johanneshof, Gut im Wepritzschen Bruch, 1773:
Balcke;Gottfried;Entrepreneur
  Kolonisten im Jahre 1786:
Messinger;Christ
Messinger;Friedrich
Messinger;Michael
Steinecker;Christ

Karlsthal, 1774:
Pfeiffer;Karl;Entrepreneur, Amtmann aus Dessau
Baumgarten;;Kolonist
Lüde;;Kolonist
Strauch;Daniel;Käufer des Guts 1784

Karolinenhof, 1774:
Janecke;;Entrepreneur, Amtsrat
  Kolonisten:
Koch;Michael
Nehring;Christ
Reddig;Johann
Ahlae;Christ
Henning;Erdmann
Karutz;Michael
Kaßner;Michael
Paul;Martin
Kluth
Rabe

Christiansburg, 1774:
Dennert;;Entrepreneur
William;;Kolonist
Benecke;Joh. Christian;Käufer des Guts 1775

Friedrichshorst, 1773:
Lehmann;;Entrepreneur
Daemicke;Joh. Gottlieb;Käufer des Guts 1783

Friedrichsthal, 1773:
Hahn;;Entrepreneur, Baudirektor
  Kolonisten 1785:
Koch;Christ
Butter;Erdmann
Wothe;Johann
Matthias;Martin
Gliese;Michael
Hochmüggel;Martin
Wutschke;Christ
Siering;Johann
Schumann;Friedrich
Schulz;Friedrich

Ludwigsthal, 1773;
Riemer;Christian Friedrich;Entrepreneur, Schleusenbaumeister
  Kolonisten 1786:
Wickfelder;Samuel
Ziebarth;Johann
Briesemeister;Daniel
Flatow;Michael
Ziebarth;Christoph
Spremberg;Daniel
Ziebarth;Gottlieb
Grüneberg;Paul

Maskenaue, 1774:
Maske;Sigmund Jakob;Entrepreneur

Neu-Soest, 1774:
Schultz;Goswin Ottomar;Entrepreneur, Landbaumeister

Karlsfelde, 1773:
Krieger;Karl;Entrepreneur, Kammersekretär
Voigt;Johann;Kolonist
Borkenhagen;Christian;Kolonist
Schenck;Johann;Käufer des Guts 1777

Landsberger Bürger, die 1773 bei der Anlage des Walles und Kanals Wiesen
und Äcker verloren:

Adam;Andreas
Altmann;;Bürgermeister
Behrend
Biegen
Borchert;;Kommerzienrat
Born;;Braueigen
Cattra
Clawe;Martin
Dettloff;Witwe
Failler;;Färber
Flottmann
Förster;Erben
Gaedens
Geiseler;;Senator
Gerlach;Herr
Gerlach;Mademoiselle
Gohlicke;;Vorstädter
Gohlicke;Gottlieb
Greifenow
Haacke
Haacke;;Dragoner
Hahn;;Baudirektor
Hammerschmied;Frau
Hartwich;Christian Friedrich
Henke
Herforth;Christian
Hübner
Ihlow;Gottfried
Kante
Klietmann
Klucke
Köhler;Andreas
Ladisch;Heinrich;Feldscher
Lehmann;;Weißbierbrauer
Lehmann;senior
Liptow;Frau
Melitz;;Hofrat
Militz;;Vorstädter
Mögelin;Joh. Christian
Muche;;Dragoner
Neumann;Michael
Nickel;;Weißbierbrauer
Nürrenbach;;Braueigen
Pachur;;Syndikus
Page;;Prediger
Pflesser;;Postmeister
Pforte
Pinnow
Podscharly;;Kriegsrat
Preuße;Martin
Preuße;Johann
Prodehl;;Vorstädter
Reinmann;Erben
Robertsch
Röstel
Schmidt;Hans
Schöning, v.;Frau
Schültzke
Schultze;;Bauinspektor
Schumann;;Schmied
Simonius;Witwe
Spiekermann;Gottlieb
Stenigke;;Oberkommissar
Stubenrauch
Sypelt;Christian
Triest;Frau;Marschkommissar
Ursinus;Witwe
Wessel;Dr.
Wuthe;Valentin
Zippel;Johann
Zorn;;Dragoner

aus den Prozeßakten gegen Kriegsrat Schartow 1779:
Schartow;Paul Gottlieb;Kriegsrat;* 1731
Grapow;Karl Friedrich Wilhelm;Bauaufseher;* 1740
Krieger;Karl Samuel;Theologe, Kammersekretär;* 1744

II. Über die Kolonisation des Warthebruchs und Netzebruchs und die Herkunft der Kolonisten

1. Zeitraum der Besiedlung und Gesamtzahlen der Kolonisten

„Die Urbarmachung des Oder-, Warthe- und Netzebruches, welche um die Schläfe Friedrichs II. einen unverwelklichen Lorbeerkranz gewunden, hat auf die bessere Agrikultur in dieser Provinz einen segenvollen Einfluß gehabt“, schreibt Bratring in seiner Topographie Brandenburgs 1804. Sie kostete den Staat ihm zufolge um die 1 Million Reichsthaler.
„Die Zahl der zum Zweck der ländlichen Kolonisation nach Preußen eingewanderten Personen wird für die Regierungszeit Friedrichs II. auf 250.000 veranschlagt," so Stamm-Kuhlmann in seinem Buch über die Hohenzollern. Über 11.000 von ihnen werden in 896 „Kolonien“ in Ostbrandenburg angesiedelt – in der relativ kurzen Zeit von 1763 bis 1775, über 14.000 insgesamt bis 1790.
Bratring spricht für die Zeit von 1740-1785 von 4.944 angesiedelten Familien, nach anderen Aufstellungen, so Neuhaus, ist für die :Zeit von 1763 bis 1790 die Rede von „4450 ausländischen Familien, die aus 14.731 Köpfen bestehen“, die in der Neumark im Zuge :der Kolonisation angesetzt worden seien. Sie hätten „5329 Pferde, 4668 St. Rindvieh, 16.231 Schafe und 2097 Schweine mit ins :Land gebracht“. Ab dem Anfang der 1770er Jahre, besonders nach der polnischen Teilung, wurde der Zustrom der Siedler geringer. Gegen 1796 war der Strom der Zuwanderer so gut wie versiegt.
Angaben über die Anzahl der Kolonisten nach unterschiedlichen Sekundärquellen:
Verfasser Netze - Familien/Personen Warthe - Familien/Personen Gesamt - Fam./Pers.
Neuhaus, Tabelle 45,s.u.3. ******** **** * / 3.991 **************/ 8.092 **************/ 12.083
W. Scheer 1763-1769/75 ********1.016/ >3.900 *******2.711/ >8.844
W. Scheer, bis 1775 *******1.695/ 4.944
Bratring 1740-1785 *******4.499/
Bratring 1763-1790 *******4.450/ 14.731


2. Gründe für die Kolonisation und „Peuplierung“ der Brüche

Der Netzebruch von 1763 bis 1769, der Warthebruch bis 1775/1785 wurden trockengelegt, d.h. „meliorisiert“, mit Deichen und Wällen und Schleusen bebaut, überall von der Oder bis zur polnischen Grenze wurden nach Urbarmachen des Landes einheitlich gestaltete Kolonistendörfer mit Kirche und Schule im Mittelpunkt und Fachwerkhäusern, oft auch Doppelhäusern angelegt, mit Erweiterungen bis 1782 in das von Polen übernommene Gebiet hinein.
Die Flüsse Warthe und Netze, ein ehemaliges Urstromtal, waren bis ins 18. Jahrhundert ein weites Sumpfgebiet, ein Flussmarschengebiet, das weite Teile des Jahres unter Wasser stand. Schon unter Friedrich Wilhelm I. war Anfang des 18. Jahrhunderts eine Trockenlegung von einer eingesetzten Kommission für möglich gehalten worden. Aber erst unter Friedrich dem Großen wurde dann die „friderizianische Kolonisation“ durchgeführt.
Die Neumark war nach dem siebenjährigen Krieg verwüstet gewesen, über 100 Städte und Dörfer waren zerstört, ein großer Teil der Bevölkerung tot oder geflohen, über 50.000 Menschen – ¼ ihrer Bevölkerung - war allein in der Neumark im Krieg umgekommen. Friedrich II. nahm sofort nach Kriegsende 1763 die Pläne zur Trockenlegung der Brüche wieder auf, gründete eine :"Immediatkommission“ in der alleinigen Verantwortung des Projektes, setzte den erfahrenen Beamten, den Geheimen Oberfinanzrat Franz Baltasar von Schönberg Brenkenhoff als verantwortlichen Leiter ein und ließ das Gebiet aufschließen und besiedeln. Ziele gab :es für das Urbarmachen mehrere: die landwirtschaftliche Fläche ausweiten, Landwirtschaft, Handwerk und Handel wachsen zu lassen, von Importen unabhängig zu werden, Menschen in großer Zahl in ein kriegszerstörtes Land zu holen („Peuplierung“), um eben diese Ziele zu erreichen. Solche Menschen musste man von außen holen – nicht die eigenen Preußen sollten von ihrem Land abgezogen werden, sie brauchte man dringend, um das Leben nach dem Krieg wieder in Schwung zu bringen. Vom Ausland außerhalb Preußens holte man sie. Vermögen sollten die Siedler mitbringen, denn Preußen war ausgelaugt, ihre Wohn- und Geräteausstattung, ihr Vieh, ihre Futter- und Saatmittel sollten sie selbst mitbringen und den Bau ihres Hauses, den Grundzins und die Wallunterhaltung bezahlen können. Das war auch möglich, weil sie vor der Auswanderung ihren Besitz verkauften. Gezielt zogen preußische Werbekolonnen in die Gebiete Deutschlands und Polens, in denen die Menschen auswanderungswillig waren. Das war „leicht“ in Württemberg, weil dort jedermann das Land verlassen durfte. Preußen konnte in Württemberg frei rekrutieren, in Polen wegen schwacher Obrigkeit weitgehend ebenfalls. Das war schwer überall sonst, weil niemand das Land verlassen durfte ohne obrigkeitliche Genehmigung. Dort arbeiteten die Werbekolonnen im geheimen. Die Voraussetzungen zur Abwerbung waren günstig: Die Zeit des 18. Jahrhunderts war in vielen deutschen Siedlungsgebieten eine Periode religiöser Verfolgung, Drucks von der Obrigkeit und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit und Verarmung; die Bereitschaft zur Auswanderung war hoch. Nicht Einzelne machten sich auf Weg, sie hätten schwerlich über Hunderte von Kilometern mehrere 1000 Stück Vieh durch halb Deutschland oder Polen bewegt. In großen Sammeltransporten zogen die geworbenen Familien nach Preußen – mit diplomatischer Zusicherung des Durchzugs durch die Transitstaaten, ab der preußischen Grenze unter preußischer Begleitung und der Bezahlung von Meilengeldern als Reisegeld - um mit dem Vieh und Hab und Gut die vielen deutschen Zollgrenzen zu passieren und nicht Plünderern zum Opfer zu fallen. In Polen erhielten die Siedler von Preußen militärischen Schutz, dort herrschten Bürgerkrieg und Plünderungen.
Die Namen der Siedlungen wählte man teils nach Brenkenhoffs Vorlieben, Mitarbeitern und verdienten Politikern (wie Cocceji), vor allem aber geographisch phantasievoll wie Malta oder Jamaika und politisch dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg verpflichtet wie Saratoga, Maryland – oder eben auch Altona oder Stuttgardt.
50% der Siedler waren Vollbauern, der Rest verteilte sich auf Arbeiter allgemein, Wollspinner und Handwerker. 70 Reichsthaler brachte jede Familie im Schnitt mit, den Gegenwert von 12- 14 Kühen, die Vollbauern mehr, die übrigen weniger.


3. Herkunft der Kolonisten

Die Verteilung nach der Herkunft ist für die Zeit bis 1774 aus der folgenden Tabelle 45 bei Neuhaus, Fridericianische Kolonisation, zu entnehmen. Die Listen wurden in dieser Form wie dargestellt nur bis Ende 1775 geführt. Sie trägt die Überschrift:
Übersicht über die Kolonisteneinwanderung in die Neumark (1763-74) nach Nationalitäten
Nr. Herkunftsländer bzw. Orte Netzebruch Amt Driesen Netzebruch Stadtkämmerei Friedeberg Warthebruch Landsberger Anteil Warthebruch Ordens Anteil Warthebruch Adlig. Anteil Warthebruch Königl. Anteil Summa Köpfe überhaupt' Summa darunter allein Neu-Anspach
1 Polen 2.302 600 3.319 594 644 927 8.386 106
2 Rußland 4 4
3 Curland 4 4
4 Mecklenburg 21 161 211 164 59 123 739 4
5 Sachsen 62 92 463 323 50 84 1074 9
6 Brandenburg 2 51 24 32 26 135
7 Kurmark 40 40
8 Neumark 102 102
9 Lausitz 4 4
10 Provinz Preußen 8 8 16 4
11 Schlesien 2 2
12 Dessau 2 9 22 5 38 2
13 Thüringen 85 10 95
14 Altenburg 3 3
15 Voigtland 4 4
16 Hohenstein 2 2
17 Isenburg 32 32 19
18 Darmstadt 8 8
19 Hessen 2 8 10
20 Pfalz 215 110 23 4 352 173
21 Schwaben 66 18 6 7 97 16
22 Württemberg 7 3 84 94 7
23 Franken 2 2
24 Elsaß 6 4 10 3
25 Frankreich 4 4
26 Schweiz 3 3 8 4 18
27 Bamberg 4 4
28 Anspach 45 45 37
29 Durlach 6 6 6
30 Mainz 13 13 13
31 Erfurt 4 4
32 Salm 29 29 7
33 Nassau 29 29 19
34 Braunschweig 4 4
35 Bremen 4 4
36 Lüneburg 8 2 10
37 Holstein 7 3 10
38 Dänemark 5 8 13
39 Schweden 40 4 44
40 Schwed. Pommern 13 6 19
41 Niederlande 4 10 5 19
42 Uebriges Reich 7 52 140 109 92 74 474
43 Oesterreich 16 20 36
44 Mähren 4 4
45 Böhmen 6 14 7 27
46 Ungarn 9 9
47
48 Zusammen 3.020 971 4.534 1.380 908 1.270 12.088 425


(In Zeile 1 unter dem königlichen Anteil sind der Tabelle zufolge 654 in anderen neumärkischen Ämtern angesiedelte polnische Kolonisten enthalten)
Welche Erkenntnisse liefern sie? Aus den Daten der Besiedlung im allgemeinen lassen sich einige Schlussfolgerungen ziehen.
2/3 der Warthe-Kolonisten kamen aus Polen, Deutsche aus den deutschen Siedlungsgebieten; das waren wegen des Bürgerkriegs in Polen schon vor der ersten Teilung 1772 genau 5484 evangelische überwiegend Glaubens-Flüchtlinge aus Polen! Über 1000 der gesamten Siedler kamen aus Sachsen, über 700 aus Mecklenburg, nur 277 aus der übrigen Mark. An sonstigen Siedlern kamen einige Pfälzer, die damals besonders lange und in großer Zahl auswanderten, so daß „Auswanderer“ und „Pfälzer“ in Deutschland gebräuchliche synonyme Begriffe waren. Bis in die 1770er Jahre kamen wegen rigoroser Zwangskatholisierung in ihrer Heimat Württemberger; in Württemberg war durch Zwangsrekrutierung für die Kriege in Amerika, Verfolgung von Pietisten und durch eine Hungersnot 1770/71 die Bereitschaft zur Auswanderung besonders hoch.
Sieht man die Listen und Tabellen der Kolonisten durch, sieht es im Netzebruch so aus, dass besonders hier zahlreich Siedler aus :Süddeutschland angesetzt wurden – daher Siedlungsnamen wie Neu-Erbach, Neu-Anspach u.a. Es gibt in der Sekundärliteratur der dreißiger Jahre Kolonistenlisten bei Scheer für die Ansiedler im Warthebruch und im Netzebruch. Die Listen sind nicht vollständig, wie die Tabelle oben unter 1. zeigt, und sie nennen bei den rund viereinhalbtausend „Familienoberhäuptern“ auch „nur“ den Vornamen des Familienoberhaupts, nicht den der mitzugezogenen Kinder. Einige verließen nach kurzer Zeit ihren neuen Zuzugsort wieder. Diese Abwanderung war im Netzebruch, wie Scheer schreibt, durchaus häufiger – das galt ebenso für den Warthebruch. Manche suchten nur vorübergehend Schutz in der Neumark. 1786 wurde die Abwanderung bei Strafe verboten. Auch in einem anderen Aufsatz (Kröning) wird die Wanderungsbewegung über die preußisch-polnische Grenze betont, viele Siedler in Posen und Westpreußen stammten ursprünglich aus der Neumark.


4. „Hängengebliebene“ auf dem Weg in den Netzedistrikt oder nach Westpreußen, in die Bukowina oder nach Russland

Im übrigen zogen auch durch die Neumark und die Brüche nach Russland bestimmte Kolonistentransporte, von denen auch Familien in Brandenburg oder Polen „hängenblieben“, von denen aber die meisten an die Wolga oder die Bukowina weiterzogen.
Eine weitere Kolonisation setzte in der ersten Generation der Kolonisten wenig östlich in West-Polen ein in den Gebieten, die ab 1772 zu Preußen gekommen waren. Erneut schickte Preußen Werber los, die mit Flugblättern und Liedern in Baden und Württemberg Siedler anwarben. Eindrucksvoll vermitteln dies die Internetseiten der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg zur Auswanderung. Mehrere Hundert Familien aus dem heutigen Baden-Württemberg ließen sich umsiedeln. Nach der Melodie von „Jesus, meine Zuversicht“ versprach man den Siedlern in 13 (!) Strophen wahrhaft das gelobte Land Kanaan in nun Preußisch-Polen, einige Siedler zogen weiter nach Bessarabien. Nach Westpreußen zogen ab 1789 über 6000 Menschen aus Württemberg.


5. Vollbauern, Vorwerkskolonisten und Entreprisekolonisten

Unter den Kolonisten entlang der Warthe gab es die drei Gruppen der Vollbauern, der Vorwerkskolonisten (u.a. Spinner für die Wollmanufakturen und Arbeiterfamilien) und die Entreprisekolonisten. Vom Militärdienst waren alle Kolonisten und ihre Kinder und Kindeskinder in Preußen befreit. Etwa 4/5 des ganzen Kolonisationsgebietes des Warthebruchs wurden als „Erbverschreibung“ an vollbäuerliche Siedler vergeben mit je rund 20 Morgen Land, 1/5 der Kolonien bildeten die Arbeitersiedlungen mit nur ca. je 5 :Morgen Land.
Von den Siedlergruppen wurden etwa die Hälfte Vollbauern, die zweite Hälfte verteilt sich auf alle anderen, die weitgehend mit wenig oder fast ohne Geld kamen. Die Vorwerkskolonisten mussten auf grundherrschaftlichen Vorwerken oder Dispositionsstücken arbeiten, hauptberuflich lebten sie aber auf kleineren Bauernstellen und fanden ein Haus bereits vor – das galt vor allem für das Gebiet des Johanniterordens. Die Wollspinner erhielten ebenfalls ein Haus und mussten das gesponnene Garn - zu dieser Arbeit :wurden sie verpflichtet - an die Wollmanufakturen der Tuchmacher in den Städten liefern. Die Arbeiter – nach den Vollbauern die größte Gruppe – erhielten kleinere Gebäude und Grundstücke und konnten sich frei verdingen.
Die Entreprisekolonisten schließlich als dritte Gruppe: Entreprisen sind Grundstücke, die ein Entrepreneur (noch heute im :amerikanischen und dänischen verwendet für „Unternehmer“) von einem Grundherrn zur Rodung und zum Anbau übernahm, und :der dann dort Kolonisten ansiedelte. Sie bestanden vor allem im Landsberger und Ordensbruch. Nach einem frühen Vertrag aus dem Landsberger Territorium – so Neuhaus (S. 121 ff) - war der Entrepreneur etwa vom Mühlenzwang befreit und er war frei, dort mahlen zu lassen , wo er „es für sich am zuträglichsten findet “; in einem späteren Vertrag heißt es aber, dass der Entrepreneur dem Mahlzwang unterworfen ist und „sich gefallen lassen [muß], in der ihnen zunächst zuzuweisenden Mühle zu mahlen.“

6. Handwerker

Handwerker und Gewerbetreibende waren nur in den Dörfern anzutreffen, nicht in den Entreprisen. Über sie gibt es in den Dokumenten nur sehr selten und wenige Angaben. Neuhaus ( S. 114) führt dazu aus: „Sicher ist nur, dass andere Handwerker, als :diejenigen, die nach den für das ganze Staatsgebiet darüber geltenden „Generalprincipiis“ auf dem platten Land zugelassen waren, auch in den Kolonien nicht geduldet wurden.“ Die Abhängigkeit von den Zünften als dem entscheidenden Punkt finde sich aber verschieden geregelt. Im Johanniter-Ordensbruch mussten sich die Handwerker an die Zunft anschließen, ob das auch im Landsberger und königlichen Anteil galt, sei nicht feststellbar, Neuhaus vermutet es aber, doch betont er, die Quellenlage sei dünn.
Neuhaus, (S. 242 ff) führt weiter aus, in der ersten Generation nach den Kolonisten habe es massenweise Kinder gegeben, die landbesitzlos waren und Mieter und Handwerker oder Wanderarbeiter wurden.


Literatur

1. Bratring, Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg, Die Neumark Brandenburg, Berlin 1804, Reprint 1968, insbes. S.9 ff, 31 ff

2. Stamm-Kuhlmann, Thomas, Die Hohenzollern, Berlin 1995

3. Neuhaus, Erich, Die Fridericianische Kolonisation im Warthe- und Netzebruch, Landsberg 1906

4. Scheer, Wilhelm, Ansiedler im Warthebruch im Jahre 1775, Landsberg 1943

5. Kaplick, Otto, Das Warthebruch, Würzburg 1956

6. Vollack,Manfred, Ostbrandenburg in Farbe, Mannheim 1984

7. Piotrowski, Robert, Franz Balthasar von Schönberg-Brenkenhoff, in: Die Mark Brandenburg-Land rechts der Oder , Die Neumark, Heft 20, Berlin 1996

8. Kröning, Max, Einige Bevölkerungsbewegungen aus der Neumark nach Osten, Der Neumärker Band 2, Landsberg 1939

Links

9. http://www.politikundunterricht.de/2_3_01/auswanderung.htm, 2007

10. http://www.villingen.de/stadt/Stadtgeschichte/zeittafel/schwenningen/index/, 2006

11. www.lpb.bwue.de/aktuell.due, 2007


Kontakt: Gerd Schmerse


Diese Seite basiert auf den Inhalten der alten Regionalseite /reg/BRG/neumark/wbrukolo.htm.
Den Inhalt zur Zeit der Übernahme ins GenWiki können Sie unter "Versionen/Autoren" nachsehen.
Kommentare und Hinweise zur Bearbeitung befinden sich auf der Diskussionsseite dieses Artikels.