Musik im Memelland: Unterschied zwischen den Versionen
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* http://de.youtube.com/ | * http://de.youtube.com/ (Für Hörbeispiele Kantele, Kokle oder Gusli eintippen) | ||
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Aktuelle Version vom 13. Oktober 2009, 20:30 Uhr
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Melodie
"Viele Melodien drehen sich nach dem alten griechischen Tonsatz, wie in den Windungen der Melodien der Dzuken und des Užnemunis (Hintermemelgebietes). In Preußisch-Litauen werden äolische, mixolydische, frygische, hypoäolische, dorische und hypofrygische Melodien angetroffen, besonders viel in gemischtem Tonsatz: ein Teil in einem Tonsatz, der andere in einem anderen. Es gibt Melodien in melodisch minorisch gammischem Tonsatz. Ebenso werden Melodien angetroffen, die man wie in Žemaiten mit einer Zweitstimme singen kann, aber es gibt auch Melodien rein monodischer (einstimmiger) Art, denen mit einer Zweitstimme nicht mehr zuzustimmen geht." Die prußischen Lieder sind im Vergleich mit den litauischen viel archaischer, wozu viel die Reformation beigetragen hat. Es wurde das Singen von Psalmen und Chorälen gelehrt, deren Melodien und Formen völlig anders waren. Die Menschen wurden angehalten, selbst zu Hause das Singen ihrer Volkslieder zu unterlassen, so dass diese in den Untergrund gedrängt wurden und sich nicht im üblichen Gruppengesang weiterentwickeln konnten. Da die tief gläubige Bevölkerung angehalten wurde, in fremder Sprache zu beten und fremde Lieder zu singen, wurde ihre Religiosität nicht befriedigt. So wurden die "deutschen" Lieder in ihrem Sinne verschönert, und der Organist musste sich wohl oder übel der Gemeinde anpassen, wenn diese Töne in die Länge zog oder verkürzte oder gar mitten im Choral den Rhythmus wechselte.
Bauern- und Fischerlieder
Die pentatonischen Lieder der Landbevölkerung weisen sich durch charakteristische Quartensprünge aus, während die Sprünge der Fischerlieder auch Quinten, Sexten und Oktaven nach oben beinhalten und so das Schaukeln der Schiffe nachahmen. Bei den Fischerliedern fehlen auch Synkopen und Tanzrhythmen. Typisch für prußische Lieder sind auch chromatische Tonfolgen mit gut erkennbarer Modulation. "Bei der Aufzeichnung und Abfassung in Noten geht das Schönste verloren, was nicht ausgedrückt werden kann. Gleich dem Vogelgesange entschlüpfen die plötzlichen Aufsteigungen, die schnellen Abfälle, die sanften Verschwebungen des Volksliedes jedem Versuch, sie festzuhalten und in Zeichen darzustellen." Die Rhythmenwechsel in den Singtanzliedern machen es zudem manchmal erforderlich, in den 5/4-Takt auszuweichen. Allgemein werden der 2/4-Takt und der 3/8-Takt bevorzugt, seltener der 6/8-Takt. Den meisten Liedern liegt eine Wehmut, eine Melancholie zugrunde. Das Verhältnis zwischen Moll und Dur beträgt etwa 6:1.
- Per nedėlę žirgužį szėrau (Wochüber hab ich´s Rößlein gepfleget)
- Subatoje po pietu sawo bėrą žirgėlį gražei szropawau. (und Sonnabend nachmittag hab mein liebes Braunpferdchen schön ich gestriegelt.)
- Sėjau rutas, sėjau mėtas (säte Raute, säte Krauseminze)
- sėjau szwėses lėlijates (säte strahlenlichte Lilien)
- sėjau žalius lewendrelus. (säte schönen grünen Lavendel.)
- Atsimįk bernužėli (Denk dran, lieber Guter´chen)
- Ką wakar kalbėjai (was du gestern sagtest)
- Karcziamėlij už stalėlio, rankėles sudėjai. (in der Schenke, hinterm Tische drückend meine Hände.)
Tanz
"Bei diesen Wachfeuern erschallen die langgezogenen wehmütigen Rund- und Chorgesänge der Dzimken; alsbald greift Einer zur Violine oder zum Dudelsack, die Anderen fassen sich bei den Händen und springen und tanzen im Kreise herum. Der Tanz ist oft ein Solo, oft ein mimisches Gegeneinander- und Umeinanderherumtanzen von Zweien, wobei das schnelle Sichumwerfen besonders interessirt. Der Oberkörper bewegt sich wenig, aber die Füße sind in kleinen zierlichen Wendungen und Sprüngen unerschöpflich. Die im Ganzen schwächliche Gestalt des Dzimken entwickelt im Tanz alle Schönheit, deren sie fähig ist. Die Violine spielt eine hopferartige Melodie, Tänzer und Zuschauer klatschen mit schallenden Händen den Takt, der eine oder andere bricht auch wohl in ein helles Juchzen aus."
- Szoka kiszkis, szoka lapė, szoka wisi žwėris (Tanzt der Hase, tanzt der Fuchs, tanzen alle Tiere)
- ir tas briedis, il garietis, ir tas ne tylėju. (selbst das Elch, das langebeinte, mag im Forst nicht ruhen.)
Deutsche Tänze wurden zwar auch übernommen, doch wurden diese recht ungekonnt und eintönig vorgetragen. „Zuweilen wird bei einem Jaunimmis oder Tanzvergnügen noch der Keppurinis oder Huttanz aufgeführt; dann erst kommt Seele und Leben in die wandelnden Statuen... Wenn es an Musik gebricht, sind die Tänzerinnen um eine Aushilfe nicht verlegen; sie singen dann zum Tanze. Alle Littauer sind als Natursänger wie Naturdichter bekannt. Die littauische Jugend übertrifft die deutsche in geschwinder Erlernung der schwersten Melodien; seien es weltliche oder geistliche, und man kann ihren wohlklingenden, taktfesten Gesang nicht ohne Bewegung hören. Wenn die Mädchen ihre theils erlernten, theils aus dem Steigreif gedichteten Liebeslieder und Liebesklagen singen, tönt ihre Stimme in einem weichen wollüstigen Schmelz, und derselbe Ausdruck lagert sich dann um Mund und Augen, so daß der Fremde, wenn er auch nicht ein Wort versteht, doch den Sinn erräth...Es macht einen wundersamen Eindruck, bei einer Hochzeits- oder andern Feier die jungen Mädchen ein Trinklied anstimmen zu hören, wie es sonst von Studenten und lustigen Zechbrüdern gesungen wird.
- Nimm das Gläschen in die Rechte.
- Trink es Liebster bis zur Hälfte.
- Du mußt´s leeren bis zum Boden.
- Stülp´es um ohn´ Einen Tropfen.
- Wieviel Tropfen, soviel Gläser.
- Gieb´s zurück, wo´s angefangen.
Bei der langen Schlußfermate auf der Dominante wird regelmäßig und nach dem Takt getrunken... Das Zutrinken wird nicht anders gehandhabt wie bei einem burschikosen Commerce. Nach der letzten Strophe ertönt das Sweiks, Sei gesund!...Noch verwunderlicher ist´s, daß auch diese lustigen Zechlieder sich in weicher Tonart bewegen, sich wie Trauergesänge oder feierliche Choräle anlassen.“
Instrumente
Instrumente wurden alle selbst hergestellt. Sie wuchsen quasi überall, man musste sie sich nur ein wenig herrichten. Musikalisch, wie dieses Volk nun einmal war (kàntewilis ist der Musikliebhaber, wörtlich heißt es „wünscht Laute“), wurde der Erfindungsreichtum auch auf den Bau von Instrumenten erstreckt. Geigen und Celli wurden ebenso selbst gearbeitet wie Flöten und Klarinetten geschnitzt. Diese wurden am unteren Ende mit einem Kuhhorn als Klangverstärker versehen. Ein Schellenbaum diente nicht nur der Musik, sondern gab, auf den Boden gestoßen, auch gleich den Takt. Besonders eindrucksvoll war eine Art Holzkästenklavier oder senkrechtes Xylophn, das aus verschieden großen und damit anders gestimmten Holzkästen gebaut war, deren hintere Seitenflächen offen waren. Daneben gab es Zimbeln oder Hackbretter, aber auch neue Instrumente wie Akkordeon und Mundharmonika wurden selbstverständlich in die eigene Musik mit einbezogen. Metallinstrumente spielten keine Rolle, da man sich dessen bediente, was die Natur einem schenkte.
Sehr beliebt war natürlich die Kantele, Kokle oder Kankle. Diese hatte ursprünglich nur fünf Saiten, wurde aber später auch mit bis zu dreiundzwanzig Saiten bespannt. Sie gab es in verschiedenen Größen und wurden meist in D-Dur oder D-Moll gestimmt. Eine besondere Flöte war die Trimiete, in der alphornlangen Version auch Trubas genannt. Diese wurden aus ganzen Bäumen hergestellt, die der Länge nach gespalten und ausgehöhlt wurden. Dann wurden sie mit Pech zusammengeleimt und mit Birkenrinde und Bändern umwickelt. Die kleinere aber trotzdem sehr laute Trimiete wurde von Hütejungen auf Waldweiden gebraucht und spielte meist Quart- und Sextintervalle. 1638 schreibt die Insterburger Kirchenvisitation: "Desgleichen läuft dabei auch das Unwesen, dass sie gemeiniglich über der Predigt aufgezogen kommen und mit Trummel und Pfeifen ein großes Getümmel machen, dadurch Pfarrer und Kirchenbesuch gestört werden. Darum wird solches unzeitiges Getrummel verboten und wenn sie es nicht lassen wollen, sollen ihnen durchstochen und zerschnitten und die Pfeifen zerschlagen, auch der Kirche 3 Mark Strafe erlegt werden."
(Beate Szillis-Kappelhoff)
Literatur
- Balys, Jonas: Grundzüge der Kleinlitauischen Volksdichtung, in Tolkemita-Texte „Lieder aus Schalauen“ Nr.53, Dieburg 1997
- Lepa, Gerhard: Gedanken über die Prußen und ihre Lieder, in Tolkemita-Texte „25 Lieder der Sudauer“ Nr. 56, Dieburg 1999
- Rhesa, Ludwig: Dainos oder Litthauische Volkslieder, Königsberg 1825
- Žilevičius, Juozas: Grundzüge der kleinlitauischen Volksmusik, in Tolkemita-Texte „25 Lieder der Sudauer“ Nr. 56, Dieburg 1999
Weblinks
- http://de.wikipedia.org/wiki/Kantele
- http://de.youtube.com/ (Für Hörbeispiele Kantele, Kokle oder Gusli eintippen)
- http://www.jpc.de/jpcng/cpo/detail/-/hnum/7694446#audiosamples (Hörbeispiele Kantele)