Herkunftsname: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. September 2008, 08:24 Uhr
Definition
Herkunftsnamen als Familiennamen können abgeleitet sein von
- Ortsnamen
- Ländernamen
- anderen geographischen Namen (z.B. von Flüssen, Gebirgen etc.)
- geographischen Bezeichnungen (im Tal, am Hang, am Ortsende etc.)
Beispiele und Erläuterungen
In Herkunftsnamen spiegelt sich im allgemeinen wie im einzelnen die durch die Jahrhunderte dauernde große Ostbewegung deut. Kolonisten, die Wiederinbesitznahme altgerman. Bodens, aber auch die teilweise volkliche Verschmelzung mit den eingesessenen oder zugewanderten Polen, Böhmen und Wenden.
Sie kommt zunächst zum Ausdruck in den Stammesnamen, aus deren zahlenmäßiger Stärke sich zugleich ein Bild vom Anteil der alten deut. Mutterlande ergibt. An der Spitze marschieren die Beier/Beyer und Franke (selten jüd. Fränkel), es folgen die Reimann (die Rheinländer), dann mit Abstand die Döring/Döhring (die Thüringer) und die Meißner (auch Meichsner, d. s. die Obersachsen); den Schluß bildet die kleine Gruppe der Hess/Hesse, Schwab/Schwabe/Schwob, Sachs/Sachse und Friese. Hinzu tritt auf der anderen Seite die fremdvölkische Beimischung: Pohl, oberschles. Pollack, ist hier bei weitem der häufigste Name; er erinnert an die vor deut. Zustände und Beziehungen des schles. Landes zu Polen, während Böhm (jünger Tschäche, Czech), das etwa halb so stark vertreten ist, die darauf folgende Epoche Schlesiens unter der böhm. Krone im 14. Jahrh. widerspiegelt; vereinzeltes Merländer/Mehrländer weist auf das früher nicht unbedeutende Markgraltum Mähren hin.
Der Name Deutsch/Deutschmann (Deutschländer) kann seinen Ursprung nur in verhältnismäßig geschlossener fremdvölkischer Umgebung haben. - Während die genannten Slawenstämme nicht unwesentlich am Werden des schles. Stammes und Stammescharakters beteiligt waren, sind die sonst noch bezeugten Preuß, Unger (poln. Wenger, im deut. Munde Fenger) und Fluche (Flach) ziemlich unbedeutend an Zahl und dürften z. T. nicht auf direkte Herkunft aus dem betr. Lande, sondern auf Handelsbeziehungen dorthin deuten, so nachweislich bei Preußen; auch zu Ungarn sind die politischen und wirtschaftlichen Bindungen zeitweise (im 15. Jh. unter König Matthias Corvinus) beachtlich gewesen. Hinter dem Fluche oder Flach (d. i. Wallache) sind die italien. Bergarbeiter, Händler und Wanderhirten des 15. Jahrh. verborgen (vgl. die schles. "Walenbücher" und Ortsname Wallachisch-Meseritsch (Mähren). Der Schlesier selbst erscheint als Schlesiger/Schlesinger, oberschl. Schlensog u.ä.
Die allgemeinen landschaftlichen Herkunftsnamen finden ihre nähere Bestimmung durch die einzelnen Ortsnamen. Außerhalb Schlesiens gehören sie im wesentlichen der ostmitteldeut. Zone, d.h. vor allem Obersachsen und Ostthüringen an, so etwa Grimm (von Grimma), Geyer, Gleisberg, Hubrich (d. i. Hohburg) Leißner, Schirmer (von Schirma), Zwicker/Zwickert von Zwickau), Tauchert und Tauchmann (von Taucha bei Leipzig), Teuchert (von Teuchern), Stolpe/Stolper und Stolpmann (von Stolpen bei Dresden); Häsler (Keßler) von Häseler und Heßlar in Thüringen, Dreißig (von Droyssig, Saalfeld in Thüringen) u.a.m.
Nach Böhmen, besonders dem nördlichen Teil, weisen Kade und Kadisch (von Kaaden), Körber. Leip/Leipner (von Böhmisch-Leipa). Nixdorf, Greulich, Grätzer, Gabel und Gabler; nach Oberösterreich zweifellos: Krems, Kremser und Enzmann (Land ob der Enns) neben allg. Österreich, nach dem Osten: Krock, bzw. Krocker (von Krakau). Es ist durch anderwärtigie Untersuchungen (vgl. H. Bahlow: Der Zug nach dem Osten im Spiegel der niederdeut. Namenforschung: "Teuthonista" 9, 1933) heute erwiesen, daß die örtlich bestimmten Herkunftsnamen die beste Grundlage darstellen für die Erforschung der Besiedlungsgeschichte einer Landschaft; sie ist nur möglich auf Grund der im Mittelalter noch viel zahlreicher bezeugten Herkunftsnamen.
Als Ergebnis wäre dann nicht nur ein Überblick über den Zuzug aus den verschiedenen deut. Landschaften zu buchen, sondern ebenso ein Bild von der wichtigen Binnenwanderung innerhalb Schlesiens, dem Zuge vom Lande in die Stadt und auch wieder von einer Stadt zur anderen. Die Erkenntnis, daß von allen Namengruppen die Gruppe der Herkunftsnamen im allgemeinen die umfangreichste ist (vgl. Bahlow Deutsches Namenbuch (1933) und den Artikel Germanisches Erbgut in unseren Familiennamen?" in Geistige Arbeit" (1936). Die Statist. Aufstellungen von Hohlfeld in den Familiengeschichtl. Bl. 1944 sind demgegenüber unbewiesene Behauptungen), bestätigt sich auch in unserem Falle. Es dürfte nur wenige Orte in Schlesien geben, die nicht in Familiennamen wiederzufinden sind. Die bunte Fülle der Erscheinungen läßt sich am besten ordnen und verstehen, wenn wir uns die Gesetze ihrer Bildungsweise vergegenwärtigen. Drei Arten lassen sich unterscheiden:
- 1. Einfache Kürzung des Ortsnamens
Bei der einfachen Kürzung handelt es sich um die seit alters bezeugte mundartl. Form der vielen Namen auf -au (teils slaw., teils deut. Ursprungs): so Bunzel für Bunzlau, Breßel (noch heute Braßel) für Breslau, Deichsel (Dächsei) für Deichslau oder Gloge für Glogau, Sprotte für Sprottau, Bank/Banke für Bankau, Grottke für Grottkau, Koischke für Koischkau, Hayn für Haynau (und Großenhain), Krock für Krakau; z. T. liegen auch die obersächs.-lausitz. Namen auf -a: so Grimm/Grimme für Grimma zu Grunde.
- 2. Anfügung der Endung -er
Beliebter aber war die -er-Ableitung. Sie tritt nicht immer rein in Erscheinung, wie in Heider (aus Heidau), Gloger (aus Glogau), oder Krocker (aus Krakau), sondern meist als -ner, -ler oder -ert, je nachdem der Stamm des Ortsnamens auf n oder l ausging oder das schles. sekundäre t antrat. So haben wir neben Breßel den Breßler, neben Deichsel den Deichsler, von Modlau den Modler, von Schüttlau den Schüttler. Die zahlreichen -ner- Formen, sind bedingt durch die Häufigkeit der schles. Ortsnamen auf -enau, bzw. -en wie Langenau (Langner) und Wiesen (Wiesner). Zuwachs erhielten sie auch durch bloße Analogiebildungen wie Glogner neben Gloger, Neisner neben Neißer oder Schwerdtner von Schwerta (Oberlausitz). Wie Langner sind gebildet Rösner (von Rosenau), z. T. auch Reichner (von Reichenau), Wildner (von Wildenau), Weidner (von Weidenau), Lindner (von Lindenau), Eichner (von Eichenau) u. a. Diese letzteren von Baumarten hergeleiteten Namen gehen aber in der Regel auf Örtlichkeitsbezeichnungen zurück, wie Büchner, Birkner, Fichtner; dem deut. Lindner entspricht dem Wortsinn nach das slaw. Leipner (lipa-Linde). Die Häufigkeit der Erle in der slaw. Form olša und den damit gebildeten Ortsnamen Olesna, heute Ölsen, Ölsa, Öls erinnert an die vielen kleinen Wasserläufe und feuchten Niederungen der schles. Landschaft. Der rühmlichst bekannte Familienname Eisner (entrundet aus Ölsner, wie Exner aus Öchsner) hat hier seinen Ursprung. Slaw. Wortstammes sind auch Schleupner und Steudner sowie die auf Sagan und Lauban weisenden Sagner und Laubner.
Die dritte Erscheinungsweise der Endung -er als -er t, für Schlesien geradezu charakteristisch, ist noch in heutiger Mundart anzutreffen (vgl. Blüchert, Blauert)(vgl. Bahlows Ausführungen in "Teuthonista" 3 (1926), 33 - 37 nebst Prof. Teucherts Anm. S. 34).
Dies sekundäre t stammt erst aus dem 16. Jahrh. und findet sich nicht nur bei Herkunftsnamen (Steiner/Steinert von Steinau), sondern ebenso bei Berufs- und Übernamen (Weinert = Wagner, Kleinert = der Kleine). Wie Steiner(t) sind gebildet: Gruner/Grunert von Grunau, Hartert von Hartau/Harthau, -a (volkssprachlich: von der Harte!), Bieler/Biehler/Bielert/Biehlert von Bielau, Bemer/Bemert von Berna, Zwicker/Zwickert von Zwickau, Weichert von Weichau, Teichert und Tauchert von Teicha/Teichau und Taucha. An kurze, vor allem einsilbige Ortsnamen klammert sich gern das man-Suffix, das sonst in Nordwestdeutschland zu Hause ist (vgl. Carstens, Beiträge zur Geschichte der bremischen Familiennamen. Marburg 1906). Tinz/Tinzmann und Tanzmann stammen aus den Dörfern Tinz und Tanz in Niederschlesien, Enzmann aus Enz bzw. von dem Flusse Enns in Oberösterreich.
- 3. Anfügung von -mann, jedoch fast nur bei einsilbigen Namen
Tauer/Tauermann aus Tauer bei Breslau, Tauchmann und Teichmann aus Taucha und Teicha/Teichau; letzterer auch der am Teiche wohnende. Auch Wohnstätten- und Örtlichkeits- (Flur- u. Fluß-) namen zeigen dies man nicht selten; Endemann (auch Mende = am Ende) ist der am Ende der Ortschaft oder der Straße Wohnende, Bormann/Borrmann neben Bornmann/Bornemann der am Brunnen, Bruchmann, der am Bruche (Sumpfe), Pfützner, Pfitzner, Fitzner! Lindemann (wie Lindner), der unter Linden, Hellmann (Hallmann) der in der Hölle (mhd. helle), einer verbreiteten Flurbezeichnung, Lochmann, der im Loche (nachweislich Hausname in Alt-Breslau), Grundmann (neben Gründer) der im Grunde, einem tiefen, schmalen Tale, im Gegensatz zum Bergmann (neben Berger), der auf Bergeshöhe wohnt. Der Viehweg und die Überschar/Überschaar haben zwei markante Wohnstättennamen beigesteuert: Fiebig und Überschär; Niedenzu und Niedenführ weisen auf den Tieferwohnenden hin.
Auch Schlesiens Hauptverkehrsader ist mit Oder/Odermann (vgl. Oderwald) vertreten; Reimann (vom Rhein) war unter den Stammesnamen schon genannt. Von den übrigen schles. Flüssen sind der Queis und die Görlitzer Neiße, die Katzbach und die schnelle Deichsel in Familiennamen wiederzufinden: Queiser/Queisser, Neißer, Katzbach (14. Jahrh.), Deichsel, Deichssler, Dechsel.
Bergnamen sind seltener: Riesenberger enthält noch den alten Namen der Schneekoppe (heute nur allgemein noch Riesengebirge), Kienast, Landskron und Zeisbrich sind zugleich Burgennamen. Rehorn (tschech. = Gebirge) ist der Name der südöstl. Fortsetzung des Riesengebirges auf böhm. Seite. Bei Steinberg hat man die Wahl zwischen mehreren Berg- und Ortsnamen Schlesiens.
Innerhalb der Herkunftsnamen verdienen besondere Betrachtung die auf -brich; es sind alles Ortsnamen auf -berg und nicht zu verwechseln mit den altdeut. Personennamen auf -brecht (-brich), mit denen sie also äußerlich zusammenfallen (wie Ulbrich = Albrecht, Hilbrich = Helmbrecht). Für die Erklärung dieses Lautwandels (berg - berig - berig - brig), der sich auch sonst in Mitteldeutschland bis heute belegen läßt (vgl. Behaghel, Geschichte der deut. Sprache, 5. Aufl. (1928) § 125). Hierher gehören nun die schles. Familiennamen Fellbrich (neben Fellenberg), Hilzbrich neben Hilsberg, Hubrich/Hubricht, -brecht neben Hoberg/Hohberg, Herbrich/Herbricht, Herbrig (neben Herberg, Herberger), Steinbrich (neben Steinberg), Süßbrich, Weisbrich/Weissbrich, Weitzbrich und Zeisbrich (neben Zeisberg, Zeisberger), ja sogar Vorbrich (neben Vorwerk). Andererseits fehlt diese Entwicklung heute, offenbar infolge schriftsprachlicher Rückbildung, bei Goldberg (mundartl. heute Gulprich), Löwenberg (mundartl. Lammrich), als Familienname stets Lemberg!), Hirschberg (alt Hirsbrich), Grünberg (alt Grunenberg) u.a.
Wie die vielen berg-Namen gehören auch die -wald (-walde, -waldau)-Namen in der Mehrzahl dem bewaldeten Bergland oder seinen Ausläufern zur schles. Ebene hin an. Unter ihnen fallen durch Entstellung auf: Mehwald, Krautwald und Kiesewalter; es handelt sich um die mundartl. Form von Maiwaldau (alt Meienwalde) bei Hirschberg, um Krautenwalde bei Bad Landeck und um Kiesewald im Riesengebirge, welch letzteres sich durch die Parallele Lewalter = Lewald erhärten läßt. (Von Gottschald, Deutsche Namenkunde natürlich fälschlich als altgerman. Personennamen erklärt). Beim Studium dieser Namengruppe läßt sich am deutlichsten erkennen, daß alle heutigen Wald-Namen geographischen Ursprungs sind. Das wald der altgerman. Personennamen ist stets zu -old gewandelt, nur Ewald und Oswald haben infolge ihrer frühen Heiligsprechung den archaischen Lautstand bewahrt. Einen Sonderfall stellt schles. Gottwald dar; hierüber Näheres im Namenbuch.
Literaturhinweise
Bahlow, H., Schlesisches Namenbuch (1953)
Siehe auchOnomastik