Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/003: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
K (Fehlerkorrektur) |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
{{Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)|002|4|004|korrigiert}} | {{Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)|002|4|004|korrigiert}} | ||
Gesetzes in dieser Beziehung hat hauptsächlich fortwährende, fast allgemeine Klagen der auswärtigen Gemeindeglieder über drückende und ungerechte Belastung mit Steuern durch die Muttergemeinden zur Folge. Die Bauernbehörden tragen dazu bei, daß diese Klagen nicht aufhören, indem sie erklären, die auswärts lebenden Ansiedler seien zur Theilnahme an allen Gemeindelasten ihrer Stammgemeinde verpflichtet. Dies ist aber eine große Ungerechtigkeit: jene Auswärtigen benutzen dort, wo sie eingeschrieben stehen, weder den Geistlichen noch den Wolostarzt, noch das Wolostgericht, noch die Dorfschule, noch die Gemeindegebäude, noch das Gemeinde-Zuchtvieh u.s.w., sondern tragen die Kosten für alle diese und andere gemeinschaftliche Bedürfnisse an ihrem jeweiligen Aufenthaltsorte. Obgleich nun viele Muttergemeinden das Ungerechte der obigen Erklärungen der Bauernbehörden einsehen und sich bemühen, ihre auswärtigen Glieder mit ungebührlichen Auflagen zu verschonen, so laden sie doch diese Glieder zur Theilnahme an der Steuerumlage, an den Wahlen u.s.w. nicht ein; andere Gemeinden aber, die abwesenden Glieder gleichfalls nicht berufend zu den Gemeindeversammlungen in allgemeinen Dingen, halten sich an die erwähnten Erklärungen der Bauernbehörden und ihre Dorfämter fordern die Steuern von den Auswärtigen sogar in runder Summe ein, so daß diese Ansiedler nicht einmal erfahren, wofür sie zahlen. | Gesetzes in dieser Beziehung hat hauptsächlich fortwährende, fast allgemeine Klagen der auswärtigen Gemeindeglieder über drückende und ungerechte Belastung mit Steuern durch die Muttergemeinden zur Folge. Die Bauernbehörden tragen dazu bei, daß diese Klagen nicht aufhören, indem sie erklären, die auswärts lebenden Ansiedler seien zur Theilnahme an allen Gemeindelasten ihrer Stammgemeinde verpflichtet. Dies ist aber eine große Ungerechtigkeit: jene Auswärtigen benutzen dort, wo sie eingeschrieben stehen, weder den Geistlichen noch den Wolostarzt, noch das Wolostgericht, noch die Dorfschule, noch die Gemeindegebäude, noch das Gemeinde-Zuchtvieh u. s. w., sondern tragen die Kosten für alle diese und andere gemeinschaftliche Bedürfnisse an ihrem jeweiligen Aufenthaltsorte. Obgleich nun viele Muttergemeinden das Ungerechte der obigen Erklärungen der Bauernbehörden einsehen und sich bemühen, ihre auswärtigen Glieder mit ungebührlichen Auflagen zu verschonen, so laden sie doch diese Glieder zur Theilnahme an der Steuerumlage, an den Wahlen u. s. w. nicht ein; andere Gemeinden aber, die abwesenden Glieder gleichfalls nicht berufend zu den Gemeindeversammlungen in allgemeinen Dingen, halten sich an die erwähnten Erklärungen der Bauernbehörden und ihre Dorfämter fordern die Steuern von den Auswärtigen sogar in runder Summe ein, so daß diese Ansiedler nicht einmal erfahren, wofür sie zahlen. | ||
3) Von mehr als 150 deutschen Ansiedlern des Südens, welche in den letzten 30 Jahren das Amt eines Wolost- oder eines Gemeindeschreibers verwalteten oder noch verwalten, und mehr als 200 Schullehrern aus dem Ansiedlerstande, welche in kleinen Dörfern das Amt des Dorfschreibers versahen oder noch versehen, haben sich im Laufe der genannten Periode, wie mir bekannt, nur sechs als wirklich unzuverlässig im Amte eines Schreibers erwiesen.<ref>Verschiedene Ausländer, städtische Kleinbürger und verabschiedete Kronsbeamte, die sich im Amt eines Schreibers in den Colonien als unzuverlässig erwiesen, sind in obiger Zahl nicht mitinbegriffen.</ref> Im Allgemeinen beziehen die Wolost- und Gemeindeschreiber der Ansiedler eine hinreichende Besoldung und leiden nicht an Habsucht und anderen Leidenschaften, und von den Wolostschreibern, als unterrichteten und ziemlich gebildeten Leuten, wird mancher zum Mitgliede oder Vorsitzer des Landamtes und zum Ehren- und wirklichen Friedensrichter erwählt, wo dagegen Wolost- und Gemeindevorsteher zu solchen Aemtern bis jetzt noch nie erwählt worden sind.<ref>Aus Wolostschreibern wurden erwählt: das Mitglied des Odessaer Landamtes von 1872-1875 Ansiedler {{Sperrschrift|Böhm}}; das Mitglied des Akkermaner Landamtes von 1869-1875 Ans. {{Sperrschrift|Wagner}}, der 1875 Friedensrichter wurde und seit 1877 wiederum als Mitglied des Landamtes dient; der Vorsitzende des Nowousenschen Landamtes von 1874-1876, dessen Name mir entfallen. Ansiedler {{Sperrschrift|Kundert}}, früher Gemeindeschreiber, war von 1872-1876 Mitglied des Odessaer Landamtes und bekleidet dieses Amt seit 1880 wieder. Die Wolostschreiber {{Sperrschrift|Weipert}}, im Kreise Kamyschin und {{Sperrschrift|Heine}} im Kreise Melitopol, zu Ehrenfriedensrichtern erwählt, verwalteten dies Amt und nahmen Theil an den Sitzungen des Friedensrichterplenums und der Abtheilungen des Bezirksgerichts (окружный судъ) u.s.w.</ref><ref>''GenWiki-Red.: die Ortschaften Odessa, Akkerman, Nowo Usensk, Kamyschin, Melitopol können u.a. bei D. Wahl '[http://www.odessa3.org/collections/refs/link/villhelp.txt Long German Russian Village List]' verglichen werden.''</ref> Die Schreiber der | 3) Von mehr als 150 deutschen Ansiedlern des Südens, welche in den letzten 30 Jahren das Amt eines Wolost- oder eines Gemeindeschreibers verwalteten oder noch verwalten, und mehr als 200 Schullehrern aus dem Ansiedlerstande, welche in kleinen Dörfern das Amt des Dorfschreibers versahen oder noch versehen, haben sich im Laufe der genannten Periode, wie mir bekannt, nur sechs als wirklich unzuverlässig im Amte eines Schreibers erwiesen.<ref>Verschiedene Ausländer, städtische Kleinbürger und verabschiedete Kronsbeamte, die sich im Amt eines Schreibers in den Colonien als unzuverlässig erwiesen, sind in obiger Zahl nicht mitinbegriffen.</ref> Im Allgemeinen beziehen die Wolost- und Gemeindeschreiber der Ansiedler eine hinreichende Besoldung und leiden nicht an Habsucht und anderen Leidenschaften, und von den Wolostschreibern, als unterrichteten und ziemlich gebildeten Leuten, wird mancher zum Mitgliede oder Vorsitzer des Landamtes und zum Ehren- und wirklichen Friedensrichter erwählt, wo dagegen Wolost- und Gemeindevorsteher zu solchen Aemtern bis jetzt noch nie erwählt worden sind.<ref>Aus Wolostschreibern wurden erwählt: das Mitglied des Odessaer Landamtes von 1872-1875 Ansiedler {{Sperrschrift|Böhm}}; das Mitglied des Akkermaner Landamtes von 1869-1875 Ans. {{Sperrschrift|Wagner}}, der 1875 Friedensrichter wurde und seit 1877 wiederum als Mitglied des Landamtes dient; der Vorsitzende des Nowousenschen Landamtes von 1874-1876, dessen Name mir entfallen. Ansiedler {{Sperrschrift|Kundert}}, früher Gemeindeschreiber, war von 1872-1876 Mitglied des Odessaer Landamtes und bekleidet dieses Amt seit 1880 wieder. Die Wolostschreiber {{Sperrschrift|Weipert}}, im Kreise Kamyschin und {{Sperrschrift|Heine}} im Kreise Melitopol, zu Ehrenfriedensrichtern erwählt, verwalteten dies Amt und nahmen Theil an den Sitzungen des Friedensrichterplenums und der Abtheilungen des Bezirksgerichts (окружный судъ) u. s. w.</ref><ref>''GenWiki-Red.: die Ortschaften Odessa, Akkerman, Nowo Usensk, Kamyschin, Melitopol können u. a. bei D. Wahl '[http://www.odessa3.org/collections/refs/link/villhelp.txt Long German Russian Village List]' verglichen werden.''</ref> Die Schreiber der | ||
---- | ---- | ||
<references /> | <references /> |
Aktuelle Version vom 11. Juli 2008, 14:59 Uhr
GenWiki - Digitale Bibliothek | |
---|---|
Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland) | |
<<<Vorherige Seite [002] |
Nächste Seite>>> [004] |
Datei:Berichte und Gesuche 1892.djvu | |
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien | |
Texterfassung: korrigiert | |
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
|
Gesetzes in dieser Beziehung hat hauptsächlich fortwährende, fast allgemeine Klagen der auswärtigen Gemeindeglieder über drückende und ungerechte Belastung mit Steuern durch die Muttergemeinden zur Folge. Die Bauernbehörden tragen dazu bei, daß diese Klagen nicht aufhören, indem sie erklären, die auswärts lebenden Ansiedler seien zur Theilnahme an allen Gemeindelasten ihrer Stammgemeinde verpflichtet. Dies ist aber eine große Ungerechtigkeit: jene Auswärtigen benutzen dort, wo sie eingeschrieben stehen, weder den Geistlichen noch den Wolostarzt, noch das Wolostgericht, noch die Dorfschule, noch die Gemeindegebäude, noch das Gemeinde-Zuchtvieh u. s. w., sondern tragen die Kosten für alle diese und andere gemeinschaftliche Bedürfnisse an ihrem jeweiligen Aufenthaltsorte. Obgleich nun viele Muttergemeinden das Ungerechte der obigen Erklärungen der Bauernbehörden einsehen und sich bemühen, ihre auswärtigen Glieder mit ungebührlichen Auflagen zu verschonen, so laden sie doch diese Glieder zur Theilnahme an der Steuerumlage, an den Wahlen u. s. w. nicht ein; andere Gemeinden aber, die abwesenden Glieder gleichfalls nicht berufend zu den Gemeindeversammlungen in allgemeinen Dingen, halten sich an die erwähnten Erklärungen der Bauernbehörden und ihre Dorfämter fordern die Steuern von den Auswärtigen sogar in runder Summe ein, so daß diese Ansiedler nicht einmal erfahren, wofür sie zahlen.
3) Von mehr als 150 deutschen Ansiedlern des Südens, welche in den letzten 30 Jahren das Amt eines Wolost- oder eines Gemeindeschreibers verwalteten oder noch verwalten, und mehr als 200 Schullehrern aus dem Ansiedlerstande, welche in kleinen Dörfern das Amt des Dorfschreibers versahen oder noch versehen, haben sich im Laufe der genannten Periode, wie mir bekannt, nur sechs als wirklich unzuverlässig im Amte eines Schreibers erwiesen.[1] Im Allgemeinen beziehen die Wolost- und Gemeindeschreiber der Ansiedler eine hinreichende Besoldung und leiden nicht an Habsucht und anderen Leidenschaften, und von den Wolostschreibern, als unterrichteten und ziemlich gebildeten Leuten, wird mancher zum Mitgliede oder Vorsitzer des Landamtes und zum Ehren- und wirklichen Friedensrichter erwählt, wo dagegen Wolost- und Gemeindevorsteher zu solchen Aemtern bis jetzt noch nie erwählt worden sind.[2][3] Die Schreiber der
- ↑ Verschiedene Ausländer, städtische Kleinbürger und verabschiedete Kronsbeamte, die sich im Amt eines Schreibers in den Colonien als unzuverlässig erwiesen, sind in obiger Zahl nicht mitinbegriffen.
- ↑ Aus Wolostschreibern wurden erwählt: das Mitglied des Odessaer Landamtes von 1872-1875 Ansiedler Böhm; das Mitglied des Akkermaner Landamtes von 1869-1875 Ans. Wagner, der 1875 Friedensrichter wurde und seit 1877 wiederum als Mitglied des Landamtes dient; der Vorsitzende des Nowousenschen Landamtes von 1874-1876, dessen Name mir entfallen. Ansiedler Kundert, früher Gemeindeschreiber, war von 1872-1876 Mitglied des Odessaer Landamtes und bekleidet dieses Amt seit 1880 wieder. Die Wolostschreiber Weipert, im Kreise Kamyschin und Heine im Kreise Melitopol, zu Ehrenfriedensrichtern erwählt, verwalteten dies Amt und nahmen Theil an den Sitzungen des Friedensrichterplenums und der Abtheilungen des Bezirksgerichts (окружный судъ) u. s. w.
- ↑ GenWiki-Red.: die Ortschaften Odessa, Akkerman, Nowo Usensk, Kamyschin, Melitopol können u. a. bei D. Wahl 'Long German Russian Village List' verglichen werden.