Geschichte der kleinen deutschen Höfe 1/008: Unterschied zwischen den Versionen

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Bei dem <tt>odium Germaniae</tt> gegen die kleinen deutschen Staaten, wo Dinge vorgehen, die in einem großen gar nicht geschehen können, muß man
Bei dem <tt>odium Germaniae</tt> gegen die kleinen deutschen Staaten, wo Dinge vorgehen, die in einem großen gar nicht geschehen können, muß man
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Version vom 14. März 2008, 08:28 Uhr

Vorlage:Geschichte der kleinen deutschen Höfe1

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kleinen Fürstlichkeiten nicht verführen können, in ihnen die Menschen zu übersehen. Was die leidenschaftlose Bereitwilligkeit dagegen betrifft, das, was wirklich zu loben ist, zu loben, so kann ich in dieser Beziehung auf den oldenburgischen Hof verweisen, welcher bis auf die neusten Zeiten ein wahrer kleiner deutscher Musterhof war.

Ich enthalte mich aus guten Gründen eine eigentliche Vorrede zu diesen Geschichten der kleinen deutschen Höfe zu schreiben, Höfe, welche ihr Schicksal theils schon erfüllt haben, theils noch erfüllen werden, da sie, wie das Sturmjahr 1848 sehr deutlich gezeigt hat, das odium Germaniae verfolgt und so lange verfolgen wird, als zum Beispiel in dem interessanten Ländchen der „Erbweisheit", welches am 18. April 1855 das 100jährige Jubiläum für den Codex derselben gefeiert hat, solche Verhältnisse bestehen, wie mit den adligen und bürgerlichen Rittern, den Niederlassungen und Heiratheslicenzn der armen Tagelöhner, den nächtlichen Hofediensten der Dorfmädchen, dem offen betriebenen Schmuggelhandel der großen Branntweinbrenner an der Ostsee, der Belastung Deutschlands mit alljährlich 250,0U0 Thalern vom Boitzenburger Elbzoll zum Vortheil der mecklenburgischen Ritter, einer Criminaljustiz, wie in dem 1854 vorgekommenen Prozesse: Sophie Caroline Marie Düde u.s.w. u.s.w.

Bei dem odium Germaniae gegen die kleinen deutschen Staaten, wo Dinge vorgehen, die in einem großen gar nicht geschehen können, muß man


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aber die Worte eines neueren vortrefflichen Humoristen sich wohl zu Gemüth führen, die mir wie aus der Seele geschrieben sind: „Das historische und politische Bewußtsein besteht weniger in der Ausbildung eines specifischen Hasses gegen die Reaction als in der Reinigung und Befestigung seiner selbst. Schon weil alles das, was sich reactionair nennt, jederzeit haßerfüllt, straf- und rachsüchtig ist, so kann es der Fortschritt unmöglich sein, oder er ist keiner. Die Reaction liebt z.B. das Blut, folglich darf es der Fortschritt nicht lieben, wenn er ihm wirklich überlegen sein will. Auch die gerechteste Rache führt den eignen schließlichen Untergang mit sich und die heldenmüthigsten Rächer bringen mit ihrem Siege höchstens eine große Tragödie zu Stande: es handelt sich aber eben in der Geschichte und Politik um das, was die kurzathmigen Helden und Rhetoren nie einsehen: nicht um ein Trauerspiel, sondern um ein gutes Ziel und Ende, wo die geläuterte unbedingte Einsicht Alle versöhnt, um ein großes heiteres Lustspiel, wo Niemand mehr blutet und Niemand weint. Langsam, aber sicher geht die Welt diesem Ziele entgegen".*)


*) Gottfried Keller. Der grüne Heinrich IV, 97f. Ich empfehle den guten Mecklenburgern aufs Wärmste diesen kurzweiligen Roman, eines der geistreichsten Bücher, das in den letzten Jahren die Presse verlassen hat. Der Verfasser ist ein Republikaner, aber ein geborner und ein einfacher, ächter, keiner von der Hypercultur unserer durch und durch vereitelten und verfaulten modernen Genialität angesteckter, „kurzathmiger Held und Rhetor"; ein geborner Züricher, der in dem Buche seine eigne Geschichte vorführt; er lebt gegenwärtig noch Studien halber in Berlin, wird aber mit Nächstem in seine Heimath zurückgehen, wo er voraussichtlich eine hervorragende Stelle in den Geschäften seines Staats einmal einnehmen wird, denn dieser vortreffliche Poet ist auch ein kerngesunder, profund gescheiter politischer Kopf, und ein durchaus unabhängiger, fester, im edelsten Sinne des Worts einfacher Charakter, ein Mann ganz anderen Schlages als der jetzt sein Landsmann gewordene Exdemagog Herwegh, der dereinst „auf der Zinne der Partei" stand, derselbe Mann, der sich schließlich auf die schönsten Cavalierwege verlegt und nach langen Herumtreibereien mit galanten französischen uud russischen Weibern, während die eigne verblendete Frau, bekanntlich eine reiche Berlinerin, der für den Cavalier-Gemahl gemachten Schulden wegen in Nitza fest saß, sich iu Zürich etablirt hat, wo er noch das unwürdigste Leben eines Seigneur faineaut, nach wie vor von Schwiegervaters Gelde lebend, fortsetzt und wo selbstverständlich Männer von ernster uud fester Gesinnung ihn vermeiden. Hic niger est, hunc tu romane caveto! Was würde aus Deutschland geworden sein, wenn solche Genies der Partei an die Spitze gekommen wären, wohin sie, Waffen tragend, strebten. In Herrn Keller's Buche weht ein ganz anderer, friedlicher, aber frischer, neuer, gesunder, durchaus Maaß haltender, besserer Geist — darum eben empfehle ich das Buch den guten Mecklenburgern.