Handbuch der praktischen Genealogie/273: Unterschied zwischen den Versionen

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ansprechen darf, läßt sich ja streiten. Wie weit man gehen kann, dafür ist Galippe ein Beispiel, der die Anwendung des Prädikats „prognath" auf eine unsinnige Spitze trieb. Aus den Strohmayerschen Arbeiten mögen hier noch folgende Einzelheiten erwähnt werden:
 
Bereits bei Karl V. erreicht die Prognathie und Üppigkeit eine geradezu aus dem Rahmen jeglicher Ordnung fallende Höhe. Nach Strohmayer liegt die Vermutung nahe, daß hier ein erblicher Familientyp durch pathologische Prozesse (adenoide Wucherungen) zur vollständigen Mißbildung des Gesichts gesteigert worden ist. Sein Bruder Ferdinand I., nicht viel weniger „adenoid" und offenmäulig als Karl V., ist wenig prognath, aber ungemein lippig. Die Erhaltung des Habsburger Typus hat sich nicht in unveränderter Form, sondern in offenbarer Abwandlung der Merkmalsausprägung vollzogen. Die erste Hauptetappe umfaßt die spanischen Habsburger und reicht bei den Österreichern bis auf Leopold I. Seine Kinder- und Enkelgeneration markiert sich durch den weittragenden Einfluß von Frauen blutsfremder Herkunft als die zweite Etappe. Die dritte wird inauguriert durch die Vereinigung habsburgischen und lothringischen Blutes. In ihrem Mittelpunkte steht Leopold II., dessen gleichartige Deszendenz in die Augen springt.
 
Der verwandtschaftliche Zusammenhang zwischen den Habsburgern und Wittelsbachern ist ein alter, und besonders im 16. und 17. Jahrhundert sehr enger. Zwischen beiden besteht eine Inzucht, die nur in der im Erzhause Habsburg selbst geübten ein vollwertiges Seitenstück besitzt. Überblickt man die lange Reihe wittelsbachischer Bildnisse, so ergibt sich, daß sich die älteren Bayern in ihrem Familientypus so eng an die Habsburger anlehnen, daß man sie als eine physiognomische Untergruppe dieser Dynastie bezeichnen darf. Mit der Einheirat der ersten Habsburgerin Anna, der Tochter Ferdinands, erscheint anstatt des bisherigen der habsburgische Gesichtstypus in eindeutiger Stärke. Dann können wir den Typus durch sechs Generationen verfolgen. Nach langer Pause haben neuerdings die Wechselheiraten zwischen den Häusern Habsburg und Wittelsbach wieder begonnen; und wieder sehen wir die Herrschaft der Merkmale des Habsburger Typus. Die „Habsburger Lippe" hat sich auch heute noch als stark genug erwiesen, sich bei der Übertragung durch eine Frau in eine andere Familie dort geltend zu machen.
 
Auch bei den Wettinern ist die Wirkung des Habsburger Typus zu bemerken. Maria Josepha, Tochter Josephs I. und Gattin Friedrich Augusts II. von Sachsen war, obwohl selbst nicht prognath, sondern nur Lippenträgerin, doch imstande, bei fünf Söhnen Physiognomien zu schaffen, die auf Habsburg deuten. Darunter ist ein Vollblut-Habsburger, Clemens Wenzel, Kurfürst von Trier. Zwei weitere Brüder (Franz Xaver und Albert) haben ihren analogen Habsburger Vertreter in Joseph II.
 
Auch nach Strohmayer unterliegt es „wohl keinem Zweifel, daß der Familientypus der Habsburger ein Hauptkriterium für mendelnde dominierende Charaktere erfüllt: er wird nur durch affizierte Individuen, hauptsächlich durch stark affizierte männliche, aber auch durch schwächer gezeichnete weibliche übertragen".    Dabei verschweigt Strohmayer keineswegs die Schwierigkeiten
 
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<references />

Version vom 16. August 2007, 10:02 Uhr

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
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ansprechen darf, läßt sich ja streiten. Wie weit man gehen kann, dafür ist Galippe ein Beispiel, der die Anwendung des Prädikats „prognath" auf eine unsinnige Spitze trieb. Aus den Strohmayerschen Arbeiten mögen hier noch folgende Einzelheiten erwähnt werden:

Bereits bei Karl V. erreicht die Prognathie und Üppigkeit eine geradezu aus dem Rahmen jeglicher Ordnung fallende Höhe. Nach Strohmayer liegt die Vermutung nahe, daß hier ein erblicher Familientyp durch pathologische Prozesse (adenoide Wucherungen) zur vollständigen Mißbildung des Gesichts gesteigert worden ist. Sein Bruder Ferdinand I., nicht viel weniger „adenoid" und offenmäulig als Karl V., ist wenig prognath, aber ungemein lippig. Die Erhaltung des Habsburger Typus hat sich nicht in unveränderter Form, sondern in offenbarer Abwandlung der Merkmalsausprägung vollzogen. Die erste Hauptetappe umfaßt die spanischen Habsburger und reicht bei den Österreichern bis auf Leopold I. Seine Kinder- und Enkelgeneration markiert sich durch den weittragenden Einfluß von Frauen blutsfremder Herkunft als die zweite Etappe. Die dritte wird inauguriert durch die Vereinigung habsburgischen und lothringischen Blutes. In ihrem Mittelpunkte steht Leopold II., dessen gleichartige Deszendenz in die Augen springt.

Der verwandtschaftliche Zusammenhang zwischen den Habsburgern und Wittelsbachern ist ein alter, und besonders im 16. und 17. Jahrhundert sehr enger. Zwischen beiden besteht eine Inzucht, die nur in der im Erzhause Habsburg selbst geübten ein vollwertiges Seitenstück besitzt. Überblickt man die lange Reihe wittelsbachischer Bildnisse, so ergibt sich, daß sich die älteren Bayern in ihrem Familientypus so eng an die Habsburger anlehnen, daß man sie als eine physiognomische Untergruppe dieser Dynastie bezeichnen darf. Mit der Einheirat der ersten Habsburgerin Anna, der Tochter Ferdinands, erscheint anstatt des bisherigen der habsburgische Gesichtstypus in eindeutiger Stärke. Dann können wir den Typus durch sechs Generationen verfolgen. Nach langer Pause haben neuerdings die Wechselheiraten zwischen den Häusern Habsburg und Wittelsbach wieder begonnen; und wieder sehen wir die Herrschaft der Merkmale des Habsburger Typus. Die „Habsburger Lippe" hat sich auch heute noch als stark genug erwiesen, sich bei der Übertragung durch eine Frau in eine andere Familie dort geltend zu machen.

Auch bei den Wettinern ist die Wirkung des Habsburger Typus zu bemerken. Maria Josepha, Tochter Josephs I. und Gattin Friedrich Augusts II. von Sachsen war, obwohl selbst nicht prognath, sondern nur Lippenträgerin, doch imstande, bei fünf Söhnen Physiognomien zu schaffen, die auf Habsburg deuten. Darunter ist ein Vollblut-Habsburger, Clemens Wenzel, Kurfürst von Trier. Zwei weitere Brüder (Franz Xaver und Albert) haben ihren analogen Habsburger Vertreter in Joseph II.

Auch nach Strohmayer unterliegt es „wohl keinem Zweifel, daß der Familientypus der Habsburger ein Hauptkriterium für mendelnde dominierende Charaktere erfüllt: er wird nur durch affizierte Individuen, hauptsächlich durch stark affizierte männliche, aber auch durch schwächer gezeichnete weibliche übertragen". Dabei verschweigt Strohmayer keineswegs die Schwierigkeiten