Annaberg (Annaberg-Buchholz): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 30. April 2023, 03:10 Uhr

Annaberg: Den Ahnen auf der Spur, die Geschichte der eigenen Familie zu erforschen, ist Anreiz und Herausforderung zugleich: Land und Leute, Siedlung, Sprache, Kirche, biografische Aspekte, Archive, Quellen, Hinweise... Über die Kirchenbücher hinaus befinden sich Quellen für weitergehende Forschungen in unterschiedlichen Archiven.

Disambiguation notice Annaberg ist ein mehrfach besetzter Begriff. Zu weiteren Bedeutungen siehe unter Annaberg.

Hierarchie

Regional > Bundesrepublik Deutschland > Sachsen > Direktionsbezirk Chemnitz > Erzgebirgskreis > Annaberg-Buchholz > Annaberg

St. Annenkirche Annaberg, Relief:
Bergknappe am Kanzelaufgang (um 1516 entstanden)

Name

  • [1] 1497-1501 Newestat oder Newe Stadt bey dem Schreckenperg (auch "nawestatt"), ab 1501 St. Annaberg (n. 1550 auch St. Annapergk). Mundartlicher Name bis 1501 "Schreckenberg", in den folgenden Jahrzehnten "der sannt Annaperg" oder schlechthin "bergk" oder "pergk".

Ortslage

Stand 1941: Annaberg wurde planmäßig angelegt im Mittelpunkt eines aus rund 300 Erzgängen bestehenden, etwa 56 qkm großen Gangfeldes auf dem Gegenhang des das Berggeschrei hervorrufenden Schreckenberges. Lage am Westabhang des Pöhlberges über der hochwassergefährdeten Talsohle der Sehma, eines kleinen Nebenbaches der Zschopau. Höhe am Markt = 600 m.

Ortsursprung

Annaberg erwuchs aus wilder Wurzel auf landesherrlichen Befehl inmitten aufgeteilter dörflicher Fluren und Wälder. Anlaß war die Aufdeckung von Erzgängen am Schreckenberg und Zinnacker (1492), wobei der Schreckenberger schurf einen Erzgang entblößte, dessen lettige Ausfüllmasse einen überaus hohen Silbergehalt auswies.

Stadtgründung

Die Stadt beruht auf landesherrlicher Gründung durch Herzog Georg den Bärtigen von Sachsen als den Vertreter seines Vaters Albrecht des Beherzten. Stadtrechtsbrief 28.10.1497 verliehen, Rechte in den folgenden Jahren erweitert. Bezeichnung als "civitas" seit 1497, Wahrscheinlich Leipziger Recht. 2. Hälfte des 16. Jhdts. Übernahme der Zwickauer Stadtrechtsreform von 1539 und damit Eindringen des römischen Rechtes.

Stadtsiedlung

Nach einheitlichem Plan sind Umfang der Stadt, Straßenführung und Lage der Gebäude am 21.09.1496 festgelegt worden. Es fehlte der Stadt deshalb bis ins 19. Jhdt. jede räumliche und, da die Hauptblütezeit am Anfang lag, auch jede bauliche Entwicklung. umriß ein Kreis. Straßennetz in Gitterform nich gradlinige Führung vom Gelände erzwungen, außerdem Schutz gegen Gebirgsstürme-, Markt als räumlicher Mittelpunkt der Stadt ein Rechteck, an dessen Längsseite das Rathaus. Umfang der Stad 2.500 m. Einteilung in Großes Viertel, Fleischer Viertel, Münzer Viertel und Kleines Viertel. Stadtbefestigung auf landesherrlichen Befehl 1503 begonnen und 1540 abgeschlossen: Stadtmauer, mit vorgelegtem trockenem Graben auf 2/3 des Umfangs, 19 nut teilweise ausgebaute Türme, 2 Pforten. 5 Tore, Wolkensteiner Tor (1503-1506 erbaut, steinerne Brücke seit 1586, 1833 abgebrochen), Böhmisches Tor (1503 erbaut, steinerne Brücke seit 1586, 1836 abgebrochen), Buchholzer Tor (1506 erbaut, im 19. Jhdt. beseitigt, als Teil der Torbefestigung der noch erhaltene Fleischerturm von 1509), Frohnauer Tor (1532 ala "fronawer schrangk" erwähnt, im 19. Jhdt. verschwunden), Mühlentor (1503-1507 erwähnt, im 19. Jhdt. abgebrochen). Ummauerung z. T. 1941 noch erhalten. Innerhalb der Ummauerung war die Stadt, bis auf wenige Gärten, voll bebaut. Jenseits der Mauer Ziegelscheune, Gärten, Scheunen, Schießhaus, Hospital, Friedhof, Hüttenwerke. Erweiterung der Stadt erst im 19. Jhdt. in Richtung der Hauptausfallstraßen. Dorf Kleinrückerswalde 1912 eingemeindet. Langsames Verschmelzen mit der benachbarten Stadt Buchholz.

Kupferstich Matthaeus Merian der Ältere 1650: Bergstadt Annaberg im Erzgebirge, mit St. Annen-Kirche


Gebäude

St. Annen Kirche 1499-1525, Landschaft und Stadt beherrschender Bau, bis auf Turm und Dach im wesentlichen unverändert. Ursprünglich Kieldach mit Kupferdeckung 1662 in Pultdach umgebaut, Turm nach Brand von 1813, Hauptportal 1928. Rathaus erster Massivbau 1535. Bau mehrfach durch Brände zerstört (1604, 1634, 1664, 1731). Schauseiten des Neubaus von 1731 noch 1941 erkennbar. Bergkirche, erste Kirche 1502 erbaut, 1604, 1630, 1664 Brände, 1941 Gestalt von 1665 vorhanden, Dachreiter von 1736. Bis ins 19. Jhdt. Kirche der einfahrenden Bergleute. Kloster 1502-12 erbaut, als Kloster 1539 aufgehoben, Absteigequartier der sächsischen Fürsten, langsamer Verfall, seit 1802 Ruine, daneben Neubauten auf Klostergelände. 1512 fand hier ein Kapitel der Franziskaner strenger Observanz statt. Hospital zur hlg. Trinität seit 1502 vor der Stadtmauer. Hospitalkirchen 1498, 1526, 1608, 1684 und 1830 gebaut. Benachbarter Friedhof 1519 durch päpstliche Bulle mit allen Rechten und Gnaden des Kamposanto begnadet. Verlust an älteren Profanbauten durch die schweren Stadtbrände von 1529, 1604, 1630, 1664, 1731, 1837 und durch mangelnde Baukultur in der 2. Hälfte des 19. Jhdts. Einige alte Häuser im Unterbau mit wertvollen Zellensterngewölben und künstlerischen Türeinfassungen noch 1941 erhalten. [2]

Bevölkerung

Einwohnerzahlen

1501: 500 angesessene Bürger = schätzungsweise 3.000—4.000 Einwohner (E.), 1508 etwa 6.000 E., 1509 etwa 8.000 E., 1519 angebl. 2336 zuU firmende Kinder, 1540—50 anqebl. 12.000 E., 1699: 3.391 E., 1800: 4.223 E., 1830: 4.500 E., 1832: 6.377 E., 1840: 7.261 E., 1852: 9.314 E., 1860: 9.403 E., 1871: 11.693 E., 1880: 13.014 E., 1890: 15.084 E., 1900: 15.957 E., 1910: 17.028 E., 1917: 16.026 E., 1924: 18.510 E., 1932: 19.862 E., 1938: 20.044 E.

Erste Besiedlung durch Bergleute aus den älteren Bergstädten wie Geyer, Schneeberg, Freiberg und aus böhmischen Bergstädten. Ferner Zustrom ais Zwickau, Chemnitz, Leipzig, Dresden. Weitere Einzugsgebiete: Böhmen, Vogtland, Oberpfalz, Franken (Nürnberg, Maintal), Augsburg (Fugger), Thüringen, Niederrhein (Köln, Haus Witten). Geringerer Zustrom aus Lausitz, Schlesien, den Alpenländern, Hessen, Norsdeutschland. Im 17. Jhdt. Aufnahme von 300 böhmischen Exilanten.

Seuchen

Pest 1568 (2.228), 1582-85, 1599 (2.200), 1613, 1625-26, 1632-40, 1688.

Bevölkerungsverzeichnisse

Berühmte Personen

  • Caspar Kürschner, Bergherr u. Bürgermeister, + 24.01.1572, bedeutender Fundgrübner
  • Adam Ries, *1492, 1525-1559 in Annaberg, + 30.03.1559, Bergbeamter, Mathematiker
  • Babara Uthmann * 1514, + 14.09.1575, Bergbau u. Hüttenunternehmerin
  • Johann Rivius * 01.08.1500 Attendorn (Westf.), 1527-33 in Annaberg als Rektor, +01.01.1553 in Meißen, Humanist u. Pädagoge.
  • Paul Jenisius * 1551 Annaberg, 1576-83 in Annaberg, + 09.11.1612 Dresden, Theologe, Stadtchronist.
  • Friedrich Mykonius * 24.12.1491 Lichtenfels (Ofr.), 1500-1517, 1524, 1539 in Annaberg, +07.04.1546 Theologe
  • Erasmus Sarcerius * 28.11.1501 Annaberg, +28.11.1559 Magdeburg, Theologe
  • Gottfried Arnold 05.09.1666 Annaberg, +30.05.1714 Perleberg, pietistischer Theologe u. Kirchenhistotiker
  • Christian Felix Weiße * 28.01.1726 Annaberg, + 16.12.1804 Leipzig, Jugendschriftsteller
  • Christian August Clodius * 1738 in Annaberg, + 30.11.1784 Leipzig, Prof. der Philosophie
  • Adolf Duflos * 1802 Artenay (Frankr.), 1814-22, 1866-89 in Annaberg, + 1889 Annaberg,Pharmazeut
  • Peter Gast *10.01.1854 Annaberg, + 15.08.1918 Annaberg, Misiker, Freund Nietzsches (wikl. Name Heinr. Köselitz) [3]

Sprache

Amtssprache stets hochdeutsch, Mundart: obersächsisch, erzgebirgisch.

Wirtschaft

Stand 1941: Annabergs wirtschaftliche Aufschwung in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung beruhte durchaus auf Bergbau und Hüttenbetrieb. Hauptprodukt Silber, daneben Kupfer und Zinn (Silberrausch 1498-1593; 635 Namen von ganbbar gewesenen Gruben, 338 davon nicht mehr als 4 Quartale fündig. 37 Pochwerke, 4 Erzwäschen, 7 Flutwerke, 12 Schmelzhütten, 2 landesherrliche Schmelzhütten). die Entwicklung stand im Zeichen des Frühkapitalismus und erfolgte unter lebhafter Beteiligung von auswärtigem Kapital an den Gewerkschaften. Als Gewerke erscheinen die sächsischen Fürsten, Herzog Albrecht von Preußen, Domstift Naumburg, Leipziger Großkaufleute, Nürnberger, Augsburger und Kölner Kapitalanleger teils unmittelbar, teils mittelbar. Der Silberhandel lag in der Hand des Landesherrn, im Zinn- und Kupferhandel sind auswärtige Einflüsse vorhanden. Im letzten Drittel des 16. Jhdts. erste Versuche von Nebenproduktenverwertung (1564 Arsenikgewinnung), starker Rückgang der Erzgewinnung ab 1600, völliges Daniederliegen Anfang des 17. Jhdts. Seit Mitt des 17. Jhdts. Anwachsen der Kobaltförderung im Zusammenhang mit der westerzgebirgischen Blaufarbenindustrie. Neuer Zusammenbruch infolge des 7jährigen Krieges. Seitdem bis zum endgültigen Erlöschen 1892 Aufrechterhaltung der bebauten Gruben und Stollen wesentlich als fiskalischer Bergbau. Neben dem Bergbau föderte der Stadtgründer von vornherein auch die Niederlassung von Gewerben, die nicht unmittelbar mit dem Bergbau zusammenhingen. Vor allem scheint er die Ansiedlung von Tuchmachern durch Darlehnshergabe (1504-06) unterstützt zu haben. Mitte des 16. Jhdts. 14 Tuchmacher und Tuchmacherinnen, die durch 1542 bestätigte Satzungen sämtlich Gewandschnitt betreibende Kaufleute zum Innungsbeitritt zwang. Weitere Handwerke mit beachtlichen Leistungen: Plattnerei (Plattnerfamilie Speyer aus Speyer 2. Hälfte des 16. Jhdts.), Zinngießerei, Töpferei (arbeiten um 1600 unter süddt. Einfluß), Goldschmiede. 1542 Bortenwirkerei erstmalig in den Gerichtsbüchern erwähnt, wahrscheinlich durch oberdt. Händler (Schotten, Sophoier) in Annaberg eingeführt und zunächst als Nebenerwerb von Frauen betrieben. Frauen aus dem Kreis des Annaberger Unternehmertums organisierten den neuen Erwerbszweig auf der Grundlage des Verlagssystems und nahmen den Absatz der Erzeugnisse in die Hand. Ende des 16. und im 17. Jhdt. ging der Borten- und Spitzenhandel in die Hände "Bortenschotten" über, die den Kreis der Absatzmärkte auf Nddtl. erweiterten und überdies um diese Zeit einen zahlenmäßig beachtlichen Bestandteil der Annaberger Bevölkerung ausmachten. 1570 zahlreiche Bortenwirker, Posamentenmacher und Klöpplerinnen nachgewiesen. Ebenbürtigkeit mit Bergbau. Umbildung dieser handwerklich betriebenen Heimindustrie im 19. Jhdt. trotz Widerstandes gegen die Maschine. 1863 rund 1.200 Posamentierstühle in Betrieb, rund 1.900 Klöppelmaschinen, rund 20.000 Klöppelkissen innerhalb des Annaberger Bezirks. 1887: 200 Posamentierfirmen, die vorwiegend auf Ausfuhr eingerichtet waren. USA - Geschäft so groß, daß 1879 selbständige Konsularagentur, die bald darauf in ein bis 1908 bestehendes Konsulat umgewandelt wurde. Auslandsmarkt 1918 verloren. Gewerbe um 1941: Posamenten, Kartonagen und Prägeindustrie, Metall- und Elektroindustrie. Neben Fabrikarbeit starke Heimarbeit.

Für Eigenbedarf Zoll- und Geleitsfreiheit. Stapelrecht für Salz und Eisen. Jahrmärkte nur von örtlicher Bedeutung (Annenjahrmarkt tt. Privileg v. 13.01.1509, Lätarejahrmarkt).

Eisenbahn Chemnitz <> Annaberg seit 1866, Annaberg - Weipert - Komotau seit 1872, Annaberg <> Schwarzenberg seit 1889. [4]

Verwaltung

Der Stadtrechtsbrief sah die Selbstverwaltung vor. Der Landesherr nahm allerdings erheblichen Einfluß auf das Verfassungs- und Verwaltungsleben der Bergstadt.

Rat

An der Spitze der Verwaltung stand daher bis 1505 ein Richter, der sein Amt kraft landesherrlicher Gewalt unter Aufsicht des landesherrlichen Hauptmanns (Amtmann) ausübte. Neben ihm stand der aus der Bürgerschaft hervorgegangene Stadtvogt und die "Schöppen". 1503 scheinen sich die städtischen Kräfte bereits stärker durchzusetzen, vor allem erscheinen Vertreter der Gemeinden und der Knappschaft als Kontrollorgane hinsichtlich der städtischen Finanzgebarung. 1505 wurde das erste Ratskollegium, an dessen Spitze ein aus der ratsfähigen Bürgerschaft gekorener Richter stand, vom Landesherrn bestätigt; es umfaßte 18 Mitglieder. 1508 wurde die Zahl der Ratsfreunde auf 24 erhöht. Die Stärke bis 1534 beibehalten; von 1535 ab auf landesherrlichen Befehl auf 21 vermindert. Die Wahl der Ratsherren erfolgte auf Lebenszeit. Das Kollegium unterteilte sich in den sitzenden Rat, der seit 1508 sechzehn, seit 1535 vierzehn Mitglieder umfaßte, und den ruhenden Rat, der 8 bzw. 7 Ratsherren als Mitglieder hatte. Die Abwechslung erfolgte in 3fachen Wechsel am Sonntag Exaudi. Bis 1508-09 stand neben dem Richter der Stadtvogt. Ab 1509-10 trat der regierende Bürgermeister an die Spitze der Verwaltung. Der Stadtvogt verschwand, an seiner Stelle trat der Richter. Diese beiden Ämter waren mit je 3 auf Lebenszeit gewählten Bürgern besetzt, die sich regelmäßig jährlich abwechselten. Der Rat ergänzte sich aus dem städt. Geldadel. Die Ratsordnung von 1534 blieb in Kraft bis zur Aufstellung einer neuen Rats- und Kämmereiordnung vom 10.10.1730. Allgemeine Städteordnung 1832. Revidierte Städteordnung 1874 eingeführt.

Gericht

Verwickelte Gerichtsverhältnisse, da sich die Zuständigkeit der landesherrlichen Berggerichtsbarkeit und des Stadtgerichts in der Praxis überschnitten. Der Stadtrechtsbrief von 1497 beinhaltete für Annaberg nur die niedere Gerichtsbarkeit (Polizeistrafsachen, Schuldgerichtsbarkeit). 1509 muß die Stadt auch die Obergerichtsbarkeit erhalten haben. 1515 wurde Annaberg in städtischen Angelegenheiten vo der Zuständigkeit des Oberhofgerichts befreit und unmittelbar an den Landesherrn gewiesen. Die Rechtsprechung erfolgte seit 1505 nachweisbar durch den Stadtrichter und Schöffen, die in wechselnder Zahl aus dem sitzenden Rat gewählt wurden; seit 1525 umfaßte das Schöffenkollegium mit Richter und Bürgermeister, der ihm von Amts wegen angehörte, 7 Mitglieder. Spruchkollegium waren für Schuld- und peinliche Sachen der "Schöppenstuhl" Leipzig, für Bergsachen der Bergschöppenstuhl Freiberg. Stadtgerichtsbarkeit bis 1853 behalten.

Berggerichtsbarkeit landesherrlich und Ausgangspunkt der gesamten praktischen Gerichtspflege. Amtmann oder Bergvogt als Oberaufsicht. Beleihungen durch Bergmeister und 6 Geschworene, Rechtsprechung durch Bergrichter und 6 Geschworene vorgesehen. Schreckensberger Entwürfe von 1499-1500 und Schreckensberger Bergordnung von 1500 grenzten die sachliche Zuständigkeit genau ab: Bergsachen gehörten vor das Berggericht, Schuldsachen vor das Stadtgericht. Die Annaberger Bergordnung von 1509 legte dann die Berggerichtsbarkeit in die Hände des Stadtgerichts. Allerdings bestand die Einschränkung, daß dem gerichtlichen Termin vor diesem Kollegium eine Güteverhandlung vor dem Bergmeister und seinen Geschworenen vorausgehen sollte. Der landesherrliche Versuch, die Berggerichtsbarkeit durch beamtete Bergrichter ausüben zu lassen, scheiterte damit zunächst. Verleihungen erfolgten auch weiterhin durch den Bergmeister und 8 Geschworene. Rechtsquellen: Reform, Statut Ordnung und Gesetze der Bergstadt "St. Annaberg", angeblich von 1541, die Zwickauer Stadtrechtsreform von 1539 in der erweiterten Fassung von 1569, die erst nach diesem Zeitpunkt von Annaberg übernommen und an Joachimsthal weitergegeben wurde. Schreckenberger Bergordnungsentwürfe 1499/1500, älteste gedruckte Bergordnung Deutschlands, Bergordnung von 1503, 1509. Annaberger Bergrecht Ausgangspunkt der neueren sächsischen Berggesetzgebung, gültig in vielen Stücken bis 1852.

Bürgerschaft

Zünfte ohne politischen Einfluß. Nur die Knappschaft versucht, namentlich in der ersten Jahrzehnten, in des Verwaltungsgeschehen einzugreifen und erlangte zwischen 1503 und 1505 vorübergehend das Kontrollrecht über die städtische Finanzgebarung. Als Mittelsleute zwischen Rat und Bürgerschaft erscheinen seit 1505 Viertelsmeister, deren Zahl sich später auf 8 -zwei für jedes Viertel- belief. Soziale und religiöse Spannungen von 1517 bis 1539 [5]

Landesherrschaft

Annaberg gehörte seit der Gründung von 1497 zum Herzogtum Sachsen, seit 1547 Kurfürstentum Sachsen (Albertinische Linie). Rang einer freien Bergstadt. Landesherrliche Rechte bestanden bereits seit der Gründung nur noch in ganz allgem. Vorbehalten. Zukauf fehlender Rechte. Im Schmalkaldischen Krieg als Grenzort in Mitleidenschaft gezogen. 1577 vom kurfürstlichen Heerführer Thumshirn eingenommen, besetzt und geldlich stark belastet. Nach der Befreiung Bürgermeister amtsenthoben, kommissarische Verwaltung. im 30jährigen Krieg durch kaiserliche und schwedische Truppen, im Nordischen Krieg, im 7jährigen Krieg, im Bayrischen Erbfolgekrieg und weiterhin im Befreiungskrieg (Napoleon) durch Besatzungen und Kontributionen schwer in der Entwicklung gehemmt. 1534 Fürstentag, sogt. Kaadener Vergleich vorberaten. Bergamt 1488-1856.

Historische Verwaltungseinbindung

  • 1895: Annaberg, Stadt in Deutschland, Königreich Sachsen, Kreishauptmannschaft Zwickau, Amtshauptmannschaft Annaberg
    • Lage: im Sächs. Erzgebirge, am Abhang vom Pöhlberg (831m) u. unweit der Sehma, 600-620 m ü.d.M.
    • Zuständigkeit/Einrichtungen: Amtsgericht Annaberg, Handelsgericht, Hauptzollamt, Postbezitk, Telegrafenamt, Eisenbahnstation Linie Annaberg <> Chemnitz u. Annaberg <> Weipert der Sächs. Staatsbahn (Knotenpunkt). Sitz der Behörden, Hpt-Zollamt, Forst-Inspektion, Konsulat der U.S.A., 3 ev. Kirchen (darunter die schöne Sankt Annakirche, 1499-1525 erbaut, mit ansehnl. Turm), kath. Pfr-Kirche, Realgymnasium mit Progymnasium, höhere Bürgerschule, Gewerbeschule, Seminar (Schullehrer), Waisenhaus, Ldwirtsch.-Winterschule, Hdl-Schule, Musikschule, Schule (Posamenten, Klöppelei), Museum (erzgebirgische Alterthümer), schönes Rathaus, Theater, Bronzestandbild (Barbara Uttmann) auf dem Marktbrunnen; dabei das Annaberger Wiesenbad.
    • Einwohner: (1890) 14.960 (meist Ev., 893 Kath. u. 78 Jud.; 1834: 6.697 Ew.)
    • Gewerbe Produkte, Handel: Annaberg ist mit der nahen kleinen Stadt Buchholz Hauptsitz der Fabrikation von Posamentierwaren (111 Firmen) sowie der Spitzenklöppelei im Deutschen Reich; wichtige Fabriken (Posamenten, Schnüre, Bänder, Kartonagen, Korsetten, Leonische Waren, Knöpfe, Zigarren etc.), Manufakturen (Seide, Seidenwaren), Färberei, Anstalten (Lithographie); Volksbank, Filiale der Sächsischen Bank in Dresden, Kreditverein, wöchentliche Märkte (Spitzen) u. bedeut Handel (Spitzen). Der früher hier betriebene Bergbau (Silber, Kobalt, Zinn, Nickel, Eisen, Wismut) etc. hat fast ganz aufgehört.
    • Kurzgeschichte: Die Stadt verdankt ihre Gründung als Berg-Stadt durch Herzog Albrecht d. Beherzten 1496 dem Bergbau, der damals (ab 1491) in dortiger Gegend, namentlich am Schreckenberg u. Schottenberg, sehr ergiebig war u. im 16. Jhdt. seine höchste Blüte erreichte, aber seit dem 30-jähr. Kriege sehr zurückgegangen ist. Sie hieß anfangs die »Neue Stadt am Schreckenberg«, den Namen Annaberg gab ihr Kaiser Maximilian; die Stadt nahm 1539 die Reformation an. 1561 führte Barbara Uttmann (die 1575 in Annaberg starb u. seit 1886 ein Denkmal auf dem Marktplatz u. auf dem Kirchhof hat) die Spitzenklöppelei ein, u. 1589-90 ließen sich zahlreiche aus Belgien vertriebene ev. Posamentiere (Einenkel) in Annaberg u. im nahen Buchholz nieder; beide wurden die Begründer der indust. Bedeutung der Stadt. Annaberg ist Geburtsort des Jugendschriftstellers Chr. Felix Weiss., zu dessen Andenken 1826 eine Waisenanstalt gegr. wurde; der bekannte Rechenmeister Adam Riese (gest. 1559) lebte als Bergschreiber daselbst.

Kriegswesen

Wehrhoheit

Grundsätzlich gehörte Wehrhoheit im Besitz des Landesherrn. Die Stadt war in den ersten Jahren von jeder Heerfahrt befreit. Die Verteidigung erfolgte durch Bürgeraufgebot. Die städtische Befehlsgewalt wurde im 16. Jhdt. durch den "Stadt- und feldhauptmann" ausgeübt, der Angehöriger des Rates war. Ende des 16. Jhdts. ist das Amt nicht mehr nachweisbar. Gliederung des Bürgeraufgebotes nach Stadtteilen.

Schützengilde

  • Büchsenschützengilde seit 1507

Siegel, Wappen, Fahne

Annaberg-Wappen.jpg Beschreibung: Redendes Wappen, auf Annenkult und Bergbau hinweisend, wurde am 22.03.1501 durch Kaiser Maximilian I. auf Antrag Hzg. Georgs des Bärtigen verliehen.

Ganzes Wappen: Im goldenen Feld ein goldener Thron, darauf die blau gekleidete hlg. Anna selbdritt, Christus auf dem r., Maria auf dem li. Arm. Der Thron wird gehalten auf beiden Seiten von je einem weiß gekleideten Bergknappen, die auf ihrem Haupte brennende Berglampen tragen. Unter dem Throne befindet sich ein silberner Schild, darin schwarze Eisen und Fäustel übers Kreuz gelegt sind. Dazu ein Helm mit blau-goldener Helmdecke, darüber schwebend in der Mitte ein Stern, r. eine Sonne, li. ein Mond, die alle zus. Strahlen auf den Helm geben.

Siegel: geführt von 1533-1704

Fahne: Blaugelb

[7]

Finanzwesen

Münzwesen

Annaberg war von 1498-1538 Sitz eines herzogl., 1547 kurfürstl. Münzamtes. Erneut Münzstätte 1621-23.

Steuern

Bier- und Weinsteuer, Wachgeld, Gerichtsgelder, Erträgnisse aus eigenen Betrieben der Stadt: Salzhandel, Fleisch- und Brotbänke, Ziegelhütte, Walkmühle, Holzhandel; Zins der Ratsdörfer Königswalde und Bärenstein; Wasserzins, Frongeld für Unangesessene.

Stadtgebiet

Stand 1941: Das außerordentlich kleine Stadtgebiet wurde 1497 aus bereits bestehenden Fluren herausgelöst. Eine planmäßige Erweiterung fand statt zur Sicherstellung des großen Holzbedarfs (Schmelzöfen). 1512 wurde das Dorf Könihswalde-Ratsseite als Lehen einschließlich der Obergerichtsbarkeit durch Kauf erworben. Der Waldbesitz des Dorfes wurde 1521 abgetrennt und bildete später den "Ratswald". Bärenstein mit Waldbesitz und niederer Gerichtsbarkeit 1613 als Ratsdorf erworben (Wald teilweise 1854 an den Staat veräußert). Dörfer 1867 au der Gerichtsbarkeit entlassen.

Kirchenwesen

Bistümer seit Mittelalter

Bistum Meißen, Archidiakonat Chemnitz, Sedes Wolkenstein. Katholiken nach 1539 zunächst nicht nachweisbar. Durch Zuzug bildete sich später eine kleine kath. Gemeinde, die sich 1843 eine kath. Kirche errichtete. 1914 10 Proz. Katholiken.

Reformation

Erste reformierte Predigt 1523. Lutherisches Kirchenregiment sei 1539. Annaberg wurde Sitz einer Superindendentur der sächs. Landeskirche. Reformation unter Herzog Georg dem Bärtigen verboten, nach seinem Tode 1539 durch landesherrl. Befehl eingeführt. [8]

Juden

Juden sind angesessen nicht nachweisbar. Verordnung von 1554 verbot den Juden in allen Bergstädten Niederlassung und Nächtigung. Im 19. Jhd. wieder Einfluß durch Posamentenindustrie. 1890 ansässig wieder 78; 1901 zusammen 111, 1935 insgesamt 31 Juden einschl der Familienangehörigen.

Bildungswesen

Die Annaberger Stadtschule, zwischen 1496 und 1499 errichtet, war als Lateinschule einer der berühmtesten des Landes. Eine allgemeine Bürgerschule angegliedert. 1540 daneben 6 private deutsche Knabenschulen und 1 Mädchenschule. Außerdem Privatschulen mit beschränkter Schülerzahl, darunter die Schule des "Rechenmeisters" Adam Ries und Winkelschulen. Neuordnung 1799 und 1835. 1799 erste Mädchenschule, 1809 Knabenbürgerschule und zweite Mädchenschule. Lateinschule 1835 in Gymnasium, 1843 in Realschule, 1884 in Realgymnasium umgewandelt. Lehrerseminar 1842 abgespalten. Handelslehranstalt seit 1887, Landwirtschaftliche Schule seit 1882. Stadttheater seit 1829, Neubau 1891-93, umgebaut 1911. [9]

Zeitungen

  • Tageblatt des Annaberger Wochenblatts seit 1807
  • Sehmabote 1889-1910

Darstellung der Stadtgeschichte

  • M. Grohmann: Festschrift zur 400 jähr. Jubelfeier der Stadt Annaberg (1896)
  • Bachmann: Die freie Bergstadt St. Annaberg (1933)
  • Vom Silberernen Erzgebirge. Hrsg. Köhler (1938
  • W. Hentschel, Hans Witten, der Meister H.W. (1938)
  • Roch, Willy: Chronica der freyen Bergstadt St. Annaberg im Erzgebirge von Adam Daniel Richter – Rest des II.Teiles, Korb'sches Sippenarchiv, Regensburg 1977, (aus der Reihe Die Fundgrube)

Bibliografie

  • Stehle: Chronikalische Nachrichten über die Stadt Annaberg u. Umgebung« (Annaberg 1868)
  • Grohmann: Das Obererzgebirge u. seine Hauptstadt Annaberg« (Annaberg 1892)
  • zum Spreckel, Dr. H., Roch, Willy: Annaberger Ärzte 1496 – 1946, Korb'sches Sippenarchiv, Regensburg 1960, (aus der Reihe Die Fundgrube, Heft 21)
  • Roch, Willy: Die Annaberger Postmeister [Annaberg/Erzgebirge], in: Mitteldeutsche Familienkunde, Jg. 5 (1964), Heft 4, S. 194–198.
  • Roch, Willy: Die Türkensteuerliste von Annaberg 1501, in: Mitteldeutsche Familienkunde, Jg. 8 (1967), Heft 4, S. 118-121.

Bibliografie-Suche

Periodika

  • Mittheilungen des Vereins f. Geschichte von Annaberg u. Umgebung« 1888 seit 1885.

Fußnoten

  1. Quelle: Keyser, Erich (Hrsg.): Deutsches Städtebuch, Bd. 2 Mitteldeutschland (1941)
  2. Literatur: Steche-Gurlitt: Beschreibende Darstellung d. älteren Bau- u. Kunstdenkmäler d. Kgr. Sachsen H. 4 (1885); Schmidt: Die St. Annen Kirche (1905); Bachmann: Die freie Bergstadt St.Annaberg (1933); W. Hentschel: Sächsische Plastik um 1500 (1926)
  3. Literatur: Als die Pest unsere Heimat vergiftete, Erzgeb. Sonntagsztg. (1930, Hft. 10/19); H. Köhler: Verz. der KB. usw. der ev.luth. Pfarrämter Sachsens (1938)
  4. Literatur: H. Müller: Die Erzgänge des Annaberger Bergreviers (1894); J. Sehm: Der Silberbergbau zu Annaberg bis zum Jahr 1500 (1933); Th. G. Werner: Der Annaberger Bürgermstr. .. Caspar Kürschner in Mttlg. d. Ver. f. G. v. Annaberg (1935); ders. Das fremde Kapital im Annaberger Bergbau...des 16. Jhddts. im Neues Arch. f. sächs.Gesch. (1937/38); W. Goerlitz: Staat u. Stände unter Hz. Albrecht (1928); Fr. Kranz: Von der sächs. Arsenik_Industrie (1938); L. Bartsch: Die Annaberger Bortenschotten (1907)
  5. Literatur: Bertold, Hahn, Schulze: Die Zwickauer Stadtrechtsreform 1539-1569 (1935); A. Schulze: Zur Zwickauer Stadtrechtsreform (1938); H. Ermisch: das sächsische Bergrecht des MA (1887); J.Sehm: Der Silberbergbau zu Annaberg...(1933); ders.: Die Schreckenberger Bergordnung... (1936); F.R.Huffmann: Über die sächs. Berggerichtsbarkeit...(1935); Codex Augusteus II (1724); A.Zycha: Das böhmische Bergrecht des MA (1900/01); W.Weizäcker: Sächsisches Bergrecht in Böhmen (1929)
  6. Literatur: Vom silbernen Erzgebirge, Kreis Annaberg. Hrsg. F.Köhler (1938)
  7. Literatur: M. Lauckner:Die Städtewappen im eist mark-meißn. Gebiet (1936);Rückblicke auf Annaberg...H. 3 (1857); Mitt. d.Vereins f. Münz- u. Wappen- u. Siegelkunde Taf. IV. (1859)
  8. Literatur: B. Wolf: Zur Geschichte der Reformation in Annaberg (1896); Ders. aus dem kirchl. Leben Annabergs (1910); B.Ficker: Annaberg von 1843-68 (1868)
  9. Literatur: P. Bartusch: Die annaberger Lateinschule (1897); Schwerdtner: Das Seminar zu Annaberg (1892)

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