Lesen von Kirchenbuchdaten: Unterschied zwischen den Versionen
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In diesem | In diesem Kontext kann das Konzil von Trient (1545-1563) gesehen werden. In der römisch-katholischen Kirche ist seither die Führung von pfarrlichen Tauf- und Trauungsregistern vorgeschrieben, seit 1614 auch die von Sterbe- und Firmregistern. Die Art und Weise oder Form der Aufzeichnungen wurde dabei nicht festgelegt und blieb der lokalen Geistlichkeit überlassen. In einzelnen Pfarren wurden bereits vor dem Konzil solche Aufschreibungen geführt. | ||
Das Lesen profaner alter Urkunden und Kirchenbücher ist oft ziemlich schwierig, auch wenn sie in deutscher Sprache verfaßt sind; nicht nur wegen früher anderer Schriften und der persönlichen Eigenheiten des jeweiligen Schreibers, sondern oft noch mehr wegen der umständlichen verschnörkelten oder speziellen Sprache der Verfasser mit ihren Fachausdrücken. | Das Lesen profaner alter Urkunden und Kirchenbücher ist oft ziemlich schwierig, auch wenn sie in deutscher Sprache verfaßt sind; nicht nur wegen früher anderer Schriften und der persönlichen Eigenheiten des jeweiligen Schreibers, sondern oft noch mehr wegen der umständlichen verschnörkelten oder speziellen Sprache der Verfasser mit ihren Fachausdrücken. |
Version vom 4. Juli 2019, 21:09 Uhr
"Seligmachend allein sind Kirchenbücher nicht! - Bei der Suche nach den Lebensumständen der Vorfahren sollten Sie nicht bei den Kirchenbüchern stehen bleiben, sondern in die oft zusätzliche reiche Quellenüberlieferung (auch über die Pfarr- und Kirchenarchive hinaus) eintauchen, welche die Lebensumstände unserer Vorfahren in den zeitlichen Heimaträumen erst erkennen lassen, weit über die Kirchenbucheintragungen hinaus! (siehe auch: Westfalen: Suche in Zeitschienen)
Regional > Sprache > Amtssprache im Fürstbistum Münster > Lesen von Kirchenbuchdaten
Kirchenbücher, Bevölkerungslisten
Zeitalter der Konfessionalisierung
Mit Einsetzung der Reformation und Ausbildung der Konfessionen leiteten Katholiken, Lutheraner und Reformierte jeweils Prozesse der Institutionalisierung ein, in deren Verlauf Handlungen sowie die Handelnden selbst in ihrem Verhalten typisiert, normiert und damit auf längere Zeit festgeschrieben werden sollten. Im Vordergrund stand dabei die jeweilige kirchliche Organisation, Gottesdienstformen und obrigkeitliche Kontrolle. Dadurch sollte die Verfestigung und Kodifikation der Kirchenlehre und damit stets die Ausgrenzung von Irrtum, von teuflischer Verblendung und Ketzerei (Hexenprozesse) erreicht werden. Es wurde flächendeckend versucht, einheitliche Verhältnisse für die Untertanen zu schaffen. Es begann eine „Verrechtlichung“ der Beziehungen Fürst-Untertanen besonders in den Fürstbistümern. Allmählich und gegen Widerstände wurde die Verwaltung professionalisiert und zentralisiert, letztlich stets mit dem Ziel, die Leistungskraft des Territoriums oder seiner Repräsentanten, besonders in militärischer Hinsicht, auf unterschiedliche Weise zu stärken.
Konzil von Trient (1545-1563)
In diesem Kontext kann das Konzil von Trient (1545-1563) gesehen werden. In der römisch-katholischen Kirche ist seither die Führung von pfarrlichen Tauf- und Trauungsregistern vorgeschrieben, seit 1614 auch die von Sterbe- und Firmregistern. Die Art und Weise oder Form der Aufzeichnungen wurde dabei nicht festgelegt und blieb der lokalen Geistlichkeit überlassen. In einzelnen Pfarren wurden bereits vor dem Konzil solche Aufschreibungen geführt.
Das Lesen profaner alter Urkunden und Kirchenbücher ist oft ziemlich schwierig, auch wenn sie in deutscher Sprache verfaßt sind; nicht nur wegen früher anderer Schriften und der persönlichen Eigenheiten des jeweiligen Schreibers, sondern oft noch mehr wegen der umständlichen verschnörkelten oder speziellen Sprache der Verfasser mit ihren Fachausdrücken.
Formular oder Protokoll
Die Kirchenbuchführer wählten bei ihren Eintragungen auch einen unterschiedlichen Stil. Teilweise wurden die Angaben formularhaft in verschiedenen Rubriken registriert, in den späteren Zeiten auch mit Kopfleiste.
Lateinische Sprache, Amtsausdrücke
Die Kirchenbücher wurden bis nach 1800 durchweg in lateinischer Sprache geführt. Dann setzte sich die deutsche Sprache durch. Wer in den kirchlichen Registern forschen will, muß sich darum nicht nur gewisse Begrifflichkeiten in der lateinischen Sprache aneignen, sondern sich darüberhinaus mit Abkürzungen und auch mit einer Reihe kirchenrechtlicher Fachausdrücke vertraut machen. Auch die preußische Personenlisten in der Provinz Westfalen des frühen 19. Jahrhunderts verwenden diese, auch in den in der sonstigen Verwaltung gebräuchlichen, lateinischen Bezeichnungen. Hier dazu zunächt nur einige Kostproben:
Lateinische Grundvokabeln
- adolescens = Jungmann (Jüngling)
- antecessor = Vorgänger
- conjux = Gatte (Gattin)
- filius (filia) = Sohn (Tochter)
- infans = Kind
- parentes (conjuges) = Eltern (Eheleute)
- patrini = Paten
- proles = Nachkomme
- sponsus (sponsa) = Bräutigam (Braut)
- testes = Zeugen
- uxor = Ehefrau
- viduus (vidua) = Witwer (Witwe)
- virgo = Jungfrau.
Mehr dazu
- Kategorie: Lateinische Verwandtschaftsbezeichnung
- Kategorie: Lateinisches Wörterbuch
- Kategorie: Lateinischer Ortsname
- Kategorie: Historischer Begriff
Externe Lateinhilfe
- Lateinlexikon Frankfurter Hauptfriedhof
- Mehrseitige Auflistung auf Website des AKdFF
- Univ. Prof. Dr. Klaus Lüdicke: Kanonistenlateinisch-deutsches Lexikon (2015)
Zur Datierung
- die = am Tage
- 1 ma = prima (die)
- 2 da = secunda
- 3 tia = tertia
- 4 ta = quarta
- 5 ta = quinta
- 6 ta = sexta
- 7 ma = septima
- 8 va = octava
- 9 na = nona
- 10 ma (oder X ma) = decima, usw.
- hodie = heute
- altero die = am anderen Tag
- ante meridien = vormittags
- eadem die = am gleichen Tag
- mensis = des Monats
Die vier letzten Monatsnamen werden wie folgt abgekürzt:
- 7 bris = septembris
- 8 bris = octobris
- 9 bris = novembris
- 10 bris (oder X bris) = decembris
Der "dies 3 tia 9 bris" ist also nicht etwa der 3.9. (September), sondern der 3.11. (November) !
Die Vornamen
Auch die Vornamen werden häufig abgekürzt, wie etwa:
- Jo'es = Johannes
- An = Anna
- Hch = Heinrich , Henrich
- Wm. = Wilhelm
Mehr dazu
X-Abkürzungen bei Vornamen
- X wird nicht nur als römisches Zahlzeichen für 10 benutzt, sondern auch als griechischer Buchstabe "Ch". So dient „X“ als Anfangsbuchstabe in der christlichen Symbolik als Zeichen für den Namen "Christos" (Christus). In den Abkürzungen der Kirchenbücher wirkt sich das etwa wie folgt aus:
- X phorus = Christophorus
- X ina = Christina.
- X ian = Christian
X-Abkürzungen bei Ortsnamen
- "X iens" = "Chruszczyn" (Provinz Posen)
Abkürzungen
- adm. D. = admirabilis Dominuus = Bewundernswerter Herr
- cj. = conjuges, conjugum = Ehegatten, Eheleute
- iuvenculi conj. = iuvenculi conjuges = versprochener Ehemann (Aufgebot erfolgt)
- p.m. = piae memoriae = frommen Angedenkens (verstorbene Person)
- p.t. = pro tempore = zeitweilig
- R.D. = Reverendi Domini = Hochwürdiger Herr
- v. = vel = oder = wahlweise
- vgo. = virgo = Jungfrau
- Wwe. = Wittwe, Wwr. = Wittwer
Die Familiennamen
Mit der Wiedergabe des Familiennamens nahm man es in den älteren Zeiten nicht allzu genau. Es gab keine verbindlichen Rechtschreibregeln und die Namen wurden nach Vorwissen und Gehör geschrieben. Es kommt nicht selten vor, daß innerhalb einer einzigen Registrierung der gleiche Name auf zwei verschiedene Weisen geschrieben wird, etwa bei den Eltern und den Paten.
Der Familienname haftete übrigens in Westfalen in den meisten Fällen nicht an der Person, sondern am Anwesen, daher wurde dem Einheiratenden der Name des Hofes angeklebt, aber zunächst nicht immer in den Kirchenbüchern übernommen. In mehreren Fällen wurde dann im 18. Jhdt. der früherer Name der einheiratenden Person oder eines älteren Hofnamens mit dem Zusatz "modo", "vulgo", "conditionalis, condicta", "alias", "sive", "olim", "nunc" oder "vel" versehen.
Ergänzende Artikel
- Ehedispens
- Familienname
- Namensanklebung
- Geographische Verteilung von Familiennamen
- Artikel über Familiennamen in der Zeitung Welt
Fachausdrücke
In den Heiratsregistern
wie etwa:
- matrimonium = die Ehe
- matrimonium inierunt = sind die Ehe eingegangen
- matrimonium contraxerunt = haben die Ehe geschlossen
- in facie ecclesia = im Angesicht der Kirche
- tribus proclamationibus = nach dreimaliger Verkündigung
- Mutuo eorum habito consensu = nach Erklärung des beiderseitigen Ehewillens.
- Nullo detecto impedimento canonico = ein kirchliches Ehehindernis wurde nicht entdeckt.
- Visis dimissorialibus pro parte Sponsi = nach Einsichtnahme der Überweisung des Bräutigams (von einer auswärtigen Pfarrei).
- Obtenta dispensatione super impedimento consanguinitatis in 4 to gradu = nach Erhalt der Dispens vom Ehehindernis der Blutsverwandtschaft vierten Grades,
- a dicto sponso corrupta = von dem genannten Bräutigam verdorben (entjungfert)
In Taufregistern
wie etwa:
- liber baptizatorum = Taufbuch
- nata (Mädchen), natus (Knabe), natae sunt (Zwillinge) est = ist , sind geboren worden
- nata /natus ex ligitimo (illegitimo) thoro = Ehelich (unehelich) geboren (Mädchen/Knabe)
- postmodum ligitimatus = bald darauf legtimiert (meist nachträgliche Eintragung bei Vorkind oder viel zu früher Geburt)
In Begräbnis- oder Sterberegistern
wie etwa:
- liber sepultorum = Begräbnisbuch
- obiit = ist verstorben
- subito mortuus est = ist plötzlich verstorben
- 49 annorum = 49 Jahre alt
- sepultus est = ist begraben worden
- Sacramentis mature (prae)munitus (oder roboratus) = mit den Sakramenten rechtzeitig versehen (gestärkt).
- /:0055 provisus (oder provisa) :/ = versehen (mit den heiligen Sterbesakramenten)
- Subitanea morte = eines plötzlichen Todes.
Die Eintragungen haben teils die Form einer protokollartigen Niederschrift, in der passivischen oder in der Ich-Form. Ein Beispiel für das Letztere:
- "die 7 ma July baptizavi die 6 ta natam filiam N." = Am 7.Juli habe ich die am 6. geborene Tochter N. getauft.
- Hier steht also der Tauftermin vor dem Geburtstermin! Man muß schon genau hinsehen! In den älteren Büchern ist oft nur der Tauftermin, nicht der Geburtstermin angegeben.
- Bei der Anfertigung staatlicher Register in der ersten Hälfte des 19. Jhdts. wurden mangels anderer Daten die Taufdaten des 18. Jhdts. als Geburtsdaten in diese staatlicher Register des 19. Jhdts. übernommen.
Man braucht schon eine gewisse Zeit, um sich in die Kirchenbücher einzulesen, zumal Handschrift und Beurkundungsstil von Pfarrei zu Pfarrei unterschiedlich sind.
Wenn man sich aber etwas eingelesen hat, wird man doch einigermaßen zügig mit den Dokumenten fertig, was allerdings nicht ausschließt, daß man zwischendurch immer wieder auf Eintragungen stößt, die man beim besten Willen nicht entziffern kann.
Angaben von Geburtsorten
Werden in Kirchenbüchern bei Taufen oder Heiraten Geburtsorte angegeben („ex N.N.“), kann es sich um externe Wohnplätze außerhalb der Pfarre handeln, aber auch um interne Wohnplätze, deren Namen aus unterschiedlichen Gründen mittlerweile untergegangen sind. Weiterhin ist in heutigen Ballungsgebieten darauf zu achten, dass mit starker Zunahme der Bevölkerung sich die Zuständigkeiten der Pfarr- und Standesämter und aller anderen kommunalen Einrichtungen sehr schnell, auch innerhalb einer Generation, änderten. Bei der Wohnplatzsuche und um 1895 bei der Suche der zuständigen Pfarre für den Wohnplatz kann Hic Leones hilfreich sein.
Berufsangaben
Sowohl in Kirchenbüchern als auch in Bevölkerungslisten finden sich (auch lateinische) Berufsbezeichnungen, welche hier beschrieben werden:
Weglassungen
Vor 1800 wird bei Wiederverheiratungen häufiger der Status als Wwe. oder Wwr. fortgelassen und entweder nur der Geburtsname oder nur der bei der vorigen Heirat angenommene Name im Kirchenbuch übernommen. Dabei sind dann Begräbnislisten in manchen Fällen zur Problemlösung hilfreich.
Hilfreiche Ergänzungen
In den ab 1808 unter französischer Verwaltung stehenden Gebieten waren Pfarrer oder Maire (Bürgermeister) bis etwa 1813/14 verpflichtet Zivilstandsregister zu führen. Diese umfangreichen und mehrseitigen Beschreibungen gehen intensiv, auch bei Sterbefällen, auf die Familienvorgeschichte ein, daher läßt sich auch über diesen Weg manch schwieriges Problem der Nachweisführung lösen. Auch andere Aspekte der Kulturtechnik lassen sich hier untersuchen. Da Betroffenen und Zeugen die Eintragungen unterzeichnen mußten, läßt sich hier unter anderem auch die Signierfähigkeit nachweisen.
Archivalien zur Heimat u. Familienforschung
Wo findet man über die Kirchenbücher hinaus Unterlagen (Urkunden, Akten, Hinweise), welche uns Auskünfte aus der Vergangenheit einer Familie, ihrer Mitglieder, eines Hauses oder Hofes und seiner Bewohner in Westfalen geben, sowie familienkundliche Entwicklungen im lokalen und regionalen Zusammenhang, Land und Leute, Siedlung, Sprache, Kirche, biografische Aspekte, Archive, Quellen aufzeigen????
- siehe auch: Westfalen: Suche in Zeitschienen
Literatur
- Grundriß der Genealogie, Bd. 1 Einführung in die praktische Genealogie, E.A. Starke Verlag
- Grundriß der Genealogie, Bd. 2 Latein I für den Sippenforscher, E.A. Starke Verlag
- Grundriß der Genealogie, Bd. 3 Latein II für den Sippenforscher, E.A. Starke Verlag