Füchtorf, Geburt und Taufe um 1900: Unterschied zwischen den Versionen

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===Hochdeutsche Fassung dieses Themas===
===Hochdeutsche Fassung dieses Themas===
<p>Dort, wo das Münsterland mit dem Harmoverschen- und Ravensberger Land aneinander stößt, liegt auf der münsterischen Seite, umgeben von Fichten und Heide, das Dorf Füchtorf, oder Füchtrup, wie die Leute es bezeichnen.
<p>Dort, wo das Münsterland mit dem Hannoverschen- und Ravensberger Land aneinander stößt, liegt auf der münsterischen Seite, umgeben von Fichten und Heide, das Dorf Füchtorf, oder Füchtrup, wie die Leute es bezeichnen.
Die Bauern dort haben es lebenslang nicht so gut gehabt auf dem Sandboden, dafür haben sie aber eine harte Rasse. Erst als der Kunstdünger aufkam, am Ende von dem vorigen Jahrhundert, ist es langsam besser geworden.</p><p>Es war im September 1959 als ich bei Reckers im Dorfe auf Visite war. Reckers-Mama und die Nachbarin hielten eine derbe Unterhaltung bei einer Tasse Kaffee, Zwieback und Kuchen. Sie ermunterten mich zum Essen und Trinken.</p><p>Das habe ich getan, weil es besser ist, sich selbst etwas in den Mund zu stopfen, als zwei schlagfertigen Frauen den Mund zu verbieten; aber zugehört habe ich. Es ging um Geburt und Taufe in vergangenen Zeiten. Onkels-Mama, das war die Nachbarin von Reckers, ?ng an zu erzählen. Onkels, das war der Hofname, richtig hieß sie Frau Liese Schlingmann und sie war eine Köttersfrau im siebenundachtzigsten Lebensjahr. Sie hatte fünf Kinder, drei davon lebten noch. Die Alten hatten ihre Goldene Hochzeit knapp hinter sich.</p>
Die Bauern dort haben es lebenslang nicht so gut gehabt auf dem Sandboden, dafür haben sie aber eine harte Rasse. Erst als der Kunstdünger aufkam, am Ende von dem vorigen Jahrhundert, ist es langsam besser geworden.</p><p>Es war im September 1959 als ich bei Reckers im Dorfe auf Visite war. Reckers-Mama und die Nachbarin hielten eine derbe Unterhaltung bei einer Tasse Kaffee, Zwieback und Kuchen. Sie ermunterten mich zum Essen und Trinken.</p><p>Das habe ich getan, weil es besser ist, sich selbst etwas in den Mund zu stopfen, als zwei schlagfertigen Frauen den Mund zu verbieten; aber zugehört habe ich. Es ging um Geburt und Taufe in vergangenen Zeiten. Onkels-Mama, das war die Nachbarin von Reckers, ?ng an zu erzählen. Onkels, das war der Hofname, richtig hieß sie Frau Liese Schlingmann und sie war eine Köttersfrau im siebenundachtzigsten Lebensjahr. Sie hatte fünf Kinder, drei davon lebten noch. Die Alten hatten ihre Goldene Hochzeit knapp hinter sich.</p>
Dagegen kam ich mir vor wie ein Schulkind, obwohl wir auch drei Kinder hatten. „Ja“, belehrte Onkels-Mama mich, “wenn ich bedenke, wieviel Wunderlichkeiten heute mit den jungen Müttern getrieben werden, dass sie zu ihren Kindern kommen, gegenüber uns früher, dann hat es ja doch einen Wandel (der Verhältnisse) gegeben. Sieh mal, zu meiner Zeit, so um Neunzehnhundert, da gab es das doch gar nicht, dass eine junge Frau vorher zu einem Doktor ging. Es war ja auch gar keiner da. Was mein elterliches Haus war, das lag fünf Viertelstunden (Weg) von Ostbevern in der Heide. Die Frauen arbeiteten bis auf die letzte Stunde. Das taten sie alle. Wenn dann so eine Mutter in die Wehen kam, musste der Papa, oder ein Nachbar, der gut laufen konnte, zum Dorf eilen und die Hebamme holen. Auto,Fahrrad, Telefon gab es ja gar nicht. Nicht einmal ein Pferd hatten die meisten Leute&#33; Sieh&#33; Wenn dann die Hebamme zu Hause war, machte die sich sofort auf den Pfad. Das dauerte dann gerade so gut fünf Viertelstunden bis sie bei uns zu Hause war.“ „Meinee“, sagte Frau Recker, die wohl dreißig Jahre jünger war als die Nachbarin, „Das konnte so einer Mutter aber drock werden. Wie ging es dann, wenn es eine schwere Geburt war und die Hebamme konnte nicht so schnell da sein?“ „Och, das kam eigentlich selten vor. Dann mussten die Nachbarn helfen, selbst wenn es auch ein Mann war. Hier in Füchtorf haben wir allzeit eine Hebamme gehabt. Einmal, das weiß ich noch wohl, da wurde die Hebamme zu Mutter Schöne gerufen, und sie wusste wohl, dass die allzeit schwere Geburten hatte. <br/>
Dagegen kam ich mir vor wie ein Schulkind, obwohl wir auch drei Kinder hatten. „Ja“, belehrte Onkels-Mama mich, “wenn ich bedenke, wieviel Wunderlichkeiten heute mit den jungen Müttern getrieben werden, dass sie zu ihren Kindern kommen, gegenüber uns früher, dann hat es ja doch einen Wandel (der Verhältnisse) gegeben. Sieh mal, zu meiner Zeit, so um Neunzehnhundert, da gab es das doch gar nicht, dass eine junge Frau vorher zu einem Doktor ging. Es war ja auch gar keiner da. Was mein elterliches Haus war, das lag fünf Viertelstunden (Weg) von Ostbevern in der Heide. Die Frauen arbeiteten bis auf die letzte Stunde. Das taten sie alle. Wenn dann so eine Mutter in die Wehen kam, musste der Papa, oder ein Nachbar, der gut laufen konnte, zum Dorf eilen und die Hebamme holen. Auto,Fahrrad, Telefon gab es ja gar nicht. Nicht einmal ein Pferd hatten die meisten Leute&#33; Sieh&#33; Wenn dann die Hebamme zu Hause war, machte die sich sofort auf den Pfad. Das dauerte dann gerade so gut fünf Viertelstunden bis sie bei uns zu Hause war.“ „Meinee“, sagte Frau Recker, die wohl dreißig Jahre jünger war als die Nachbarin, „Das konnte so einer Mutter aber drock werden. Wie ging es dann, wenn es eine schwere Geburt war und die Hebamme konnte nicht so schnell da sein?“ „Och, das kam eigentlich selten vor. Dann mussten die Nachbarn helfen, selbst wenn es auch ein Mann war. Hier in Füchtorf haben wir allzeit eine Hebamme gehabt. Einmal, das weiß ich noch wohl, da wurde die Hebamme zu Mutter Schöne gerufen, und sie wusste wohl, dass die allzeit schwere Geburten hatte. <br/>

Aktuelle Version vom 12. Januar 2014, 20:23 Uhr

Hierarchie: Stadt Sassenberg > Füchtorf

Geburt und Taufe um 1900

von Richard Schmieding

Das Thema in Füchtorfer Mundart hörbar

Hochdeutsche Fassung dieses Themas

Dort, wo das Münsterland mit dem Hannoverschen- und Ravensberger Land aneinander stößt, liegt auf der münsterischen Seite, umgeben von Fichten und Heide, das Dorf Füchtorf, oder Füchtrup, wie die Leute es bezeichnen. Die Bauern dort haben es lebenslang nicht so gut gehabt auf dem Sandboden, dafür haben sie aber eine harte Rasse. Erst als der Kunstdünger aufkam, am Ende von dem vorigen Jahrhundert, ist es langsam besser geworden.

Es war im September 1959 als ich bei Reckers im Dorfe auf Visite war. Reckers-Mama und die Nachbarin hielten eine derbe Unterhaltung bei einer Tasse Kaffee, Zwieback und Kuchen. Sie ermunterten mich zum Essen und Trinken.

Das habe ich getan, weil es besser ist, sich selbst etwas in den Mund zu stopfen, als zwei schlagfertigen Frauen den Mund zu verbieten; aber zugehört habe ich. Es ging um Geburt und Taufe in vergangenen Zeiten. Onkels-Mama, das war die Nachbarin von Reckers, ?ng an zu erzählen. Onkels, das war der Hofname, richtig hieß sie Frau Liese Schlingmann und sie war eine Köttersfrau im siebenundachtzigsten Lebensjahr. Sie hatte fünf Kinder, drei davon lebten noch. Die Alten hatten ihre Goldene Hochzeit knapp hinter sich.

Dagegen kam ich mir vor wie ein Schulkind, obwohl wir auch drei Kinder hatten. „Ja“, belehrte Onkels-Mama mich, “wenn ich bedenke, wieviel Wunderlichkeiten heute mit den jungen Müttern getrieben werden, dass sie zu ihren Kindern kommen, gegenüber uns früher, dann hat es ja doch einen Wandel (der Verhältnisse) gegeben. Sieh mal, zu meiner Zeit, so um Neunzehnhundert, da gab es das doch gar nicht, dass eine junge Frau vorher zu einem Doktor ging. Es war ja auch gar keiner da. Was mein elterliches Haus war, das lag fünf Viertelstunden (Weg) von Ostbevern in der Heide. Die Frauen arbeiteten bis auf die letzte Stunde. Das taten sie alle. Wenn dann so eine Mutter in die Wehen kam, musste der Papa, oder ein Nachbar, der gut laufen konnte, zum Dorf eilen und die Hebamme holen. Auto,Fahrrad, Telefon gab es ja gar nicht. Nicht einmal ein Pferd hatten die meisten Leute! Sieh! Wenn dann die Hebamme zu Hause war, machte die sich sofort auf den Pfad. Das dauerte dann gerade so gut fünf Viertelstunden bis sie bei uns zu Hause war.“ „Meinee“, sagte Frau Recker, die wohl dreißig Jahre jünger war als die Nachbarin, „Das konnte so einer Mutter aber drock werden. Wie ging es dann, wenn es eine schwere Geburt war und die Hebamme konnte nicht so schnell da sein?“ „Och, das kam eigentlich selten vor. Dann mussten die Nachbarn helfen, selbst wenn es auch ein Mann war. Hier in Füchtorf haben wir allzeit eine Hebamme gehabt. Einmal, das weiß ich noch wohl, da wurde die Hebamme zu Mutter Schöne gerufen, und sie wusste wohl, dass die allzeit schwere Geburten hatte.
Da sagte die Hebamme „Ja, das kann ich alleine nicht!“ Man, was sollten sie machen? Da ist Josef Börger, welcher der Nachbar war, mit seinem Bruder, dem Öhm-Matthias gekommen und haben die Frau gehalten, so dass die Hebamme das Kind abziehen konnte; aber ein Doktor ist nicht einmal dabei gewesen!“
„Donnerschlag“, sagte ich, „wo wohnte denn der nächste Doktor?“ „In Glandorf und Warendorf. Wenn so ein Doktor schnell kommen sollte, dann musste der auch entweder reiten oder mit dem Gig (einspänniges leichtes Fahrzeug mit einer Achse) kommen.“
„Nun sag mal“, wollte Mutter Recker wissen, “starben dann nicht viel mehr Mütter bei so schweren Geburten als heute?“
„Das glaube ich nicht. Ich weiß wohl, dass Biedendieks-Mutter aus Glandorf mit ihren Kindern immer so furchtbar daranher musste. Das war in den achtziger Jahren.
Einmal, da war sie wieder so weit und sie hatten keine Mannsleutehilfe. Da hatte die Lehrerin mit ihrer Schwester die Frau gehalten und die Hebamme der Mutter beigestanden. Das war eine so schwere Geburt, dass das Blut bis zum Fußende des Bettes ge?ogen ist. Da hat die Lehrerin und ihre Schwester gesagt, sie heirateten ihr Leben lang nicht, - und sie haben es auch nicht getan.“
„Ist Biedendieks-Mutter denn lebend geblieben?“ wollte ich wissen.
„Ja, gewiss, es war ihr letztes Kind ja nicht.“
„Wenn so eine Mutter das wusste, dass sie so schwere Geburten hatte, ging sie dann nicht in ein Krankenhaus?“
„Nein, das ist hier in Füchtrup erst zwischen 1920 und 1930 aufgekommen.“
„Nahmen sich die Mütter denn vor und nach der Geburt mit Essen und Trinken in Acht?“
„Vorher wurde da nicht viel draus gemacht, gerade auf den Kamillentee, da hielten sie viel Nutzen von. Durcheiandergemüse durfte gegessen werden, bloß kein Grünkohl, Sauerkraut und Spinat. Unsere Nachbarin, die aß in den ersten vierzehn Tagen die Krusten nicht von den Zwiebäcken, Brot und Stuten. Das ging alles darum, dass die Kinder keine Leibschmerzen kriegen sollten, weil die Mütter sie ja alle noch an der Brust stillten. Gut war aber Hafergrütze in Wasser gekocht, Stillen taten sie ihre Kinder lange. Ich weiß noch, dass unsere Nachbarin sagte „Mein Gott, du hast das Kind noch immer an der Brust und bist all wieder in anderen Umständen?“ - Aber bevor mein zweites Kind geboren war, tat ich das erste langsam umstellen, sonst hätte ich ja zuletzt keine Milch mehr gehabt für das andere. - Ja, und die Geburten machte die Hebamme durchgängig alleine. Einmal, das weiß ich noch wohl, da war die Schüttske (Frau Schütte-Böckenholt, die Hebamme) gerade bei mir und wollte mir zeigen, wie ich mein Erstes einwindeln und behandeln sollte.
Da kam Ruhen-Papa ins Haus, welcher der Nachbar war von Heuers:
„Na“ sagte er, „ist Schütten-Mama hier?“ - ‘Jau, hier bin ich. Was ist denn?“
„Du musst sofort mitkommen nach Heuers! Heuers-Mama zieht sich ins Bett.“
„Jau, ich komme gleich, - eben hier fertig machen!“
„Nein, nein, das geht nicht! Du musst zuerst mit nach Heuers!“
„Jä, dann muss ich nachher weitermachen.“

Und was meint Ihr? Nach einer Stunde war sie wieder da.

Wenn so ein Kind geboren war, dann gab die Hebamme es dem Papa auf den Arm; dafür kriegte sie einen Taler.
In den ersten Tagen kamen dann balde die Nachbarfrauen zum „Sprechan“(auf das Ereignis ansprechen).
Ich weiß noch wohl, bei unserem Klemens, da war die Nachbarin neugierig. Sie war sofort am anderen Tage da. Die Hebamme hatte das Kind fertig gemacht und in die Stube (Wohnzimmer) gelegt, darm machte sie mich fertig. Da rief Schönen-Mariechen aus der Stube:‘O, was ist das ein tüchtiger Junge, dieser!‘ - „Ja?“ sagte ich.
Sagt sie: „Jau, ich habe ihm einen Finger in den Mund gesteckt - und er nuckelt all.“
Sonst kamen die Nachbarn und Geschwister aber erst nach der Taufe und brachten einen Korb mit.
Die Taufe war gewöhnlich am anderen Tag oder am zweiten Tag nach der Geburt. Dann gingen die Hebamme mit dem Kind und den Paten zur Kirche. Der Vater blieb meistens zu Hause.
Mit den Paten war das so: bei mir war unser Klemens das erste Kind, da war der erste Pate mein Schwiegervater und der „Äspate“(zweite Pate) war meine Mutter.
Wenn es aber ein Mädchen gewesen wäre, wär meine Mutter die erste Patin und mein Schwiegervater der „Äspate“ geworden.
Bei dem zweiten Kind kämen die anderen Eltern dran und danach stünden die Patenschaften den Geschwistern oder Schwägern zu.

Die Paten hielten auch schwer darauf, dass das Kind auch den Namen von dem ersten Paten bekam.
Nach einem reichen Paten wurde eigentlich nicht geguckt.
Gerade in Ostbevern, da hatte mein Bruder den Freiherrn von Beverförde als Paten genommen für seinen Jungen. Das taten die Heuerleute dort alle, das einmal bei ihren Kindern der Baron oder die Baronin Pate wurden. Die Herrschaften taten das gerne. Die taten das Kind auch bei der Erstkommunion ganz neu bekleiden; von Kopf bis Fuß mit Gebetbuch und alles.
Die Taufe war morgens direkt nach der Messe. Da gingen sie zu Fuß hin. Wenn die Paten aus einer anderen Richtung kamen, trafen sie sich in der Kirche. Gerade die Leute, die weiter vom Dorfe weg wohnten, fuhren auch wohl mit dem Jagd-Ringsen-Wagen zur Kirche. Das Taufen tat der Pastor selber. Auch die Taufkerze hatte der Pastor für alle Kinder. Das Taufkleid lieh die Hebamme aus. Pastor nahm fünfundachtzig Pfennige Taufgebühr. Bloß in Glandorf nahm der Dechant Schmitz durchgehend ein Dutzend Eier; egal ob sie billig oder teuer waren. Im Durchschnitt kostete 1 Ei 5 Pfennige. Der Küster kriegte 50 Pfennige von den Paten.
Wenn das Kind bei der Taufe schrie, wegen des kalten Wassers, oder so, dann sagten sie: „Es verlangt das Patenstück!“
Das war eigentlich das Patengeschenk und wurde gewöhnlich sechs bis acht Wochen später geschenkt. Für Jungens ein Anzügsken und für Mädchen ein Kleidchen.

Nach der Taufe taten sie im Dorfe Kaffee trinken; dabei gab es Zwieback und Platenkuchen. Dann gingen sie zu der Hebamme ins Haus, die auch einen Lebensmittel-Laden hatte und kauften ein für den „Korb“. Damit kamen sie dann an, mit ein Pfund Zucker, Pfund trockene Pflaumen, Pfund Kaffeebohnen, Pfund Griesmehl oder 2 Pfund Zwiebäcke.

Die Nachbarn hielten das auch so.
Ich weiß noch, bei unserem Klemens habe ich gesagt: “Ick wollte doch, dass kein Mensch mehr käme mit einem Korbe. Wir haben nun so viele Zwiebäcke und Mehl, wir können das Kaufen von Brot und Stuten aufgeben.“

Wenn die Paten mit dem Kinde wieder da waren, segnete die Mama das Kind. Dann fuhr die Hebamme nach Haus. Die blieben noch zum Mittagessen da. Die Mama hatte ihre beste Wäsche angezogen und auch das Bett war vom Besten bezogen. Solange die Mutter im Bette blieb, nahm sie das Kind zu sich; nachher kam es dann in eine hölzerne Wiege. Des Nachts kamen die Kinder aber immer mit ins Bett, wohl bis ein Jahr oder eineinhalb.

Wenn die Kinder größer waren, kamen sie in ein ganz schlichtes hölzernes Bett.
Bei mir war das so: ich gab mich mit dem vierten, fünften Tag wieder los. So mit dem achten Tag habe ich wieder Kinderwäsche gemacht. Was sollte ich auch im Bett liegen, wenn ich mich gut fühlte?“

Darauf sagte Reckers-Mama: „Sag mal, hast du denn deine Kinder auch ein Jahr lang die Haare und Nägel nicht beschnitten?“

„Och, die Leute sagen wohl:
Vor einem Jahr beschnitten und geschoren - wäre besser nicht geboren!
Aber wenn die Nägel stumpf zu lang wurden, habe ich einfach dahinterher gekniffen.“

„Wann ging so eine Mama dann wieder mit auf das Land?“

„Die ersten sechs Wochen blieb man zu Haus. Das Arbeiten ging los, so bald es wieder ging. Das tat einem die Not ja auch an. Zur Kirche durften wir die ersten sechs Wochen nicht hin.
Was unser Pastor Polter war - er ist 1903 aus der Zeit gegangen (gestorben) - der gab keiner Mutter den Muttersegen, die vor sechs Wochen zur Kirche ging - er schickte sie wieder nach Haus.
Wenn dann die sechs Wochen um waren, kniete die Mama neben der ersten Bank an der Seitentür im Gang und hielt dabei eine Kerze in der Hand.
Dann kam der Pastor mit dem Küster und dem Weihwasser. Der Pastor gab den Segen.
Dann musste die Mutter ihm an die Stola fassen und so gingen sie zusammen an den Seitenaltar. Für gewöhnlich legte man dort auf den Altar 1 Mark hin und gab dem Küster ein Trinkgeld von 50 Pfennigen. Der pußtete die Kerze aus und man ging in die erste Bank zu der Messe.
Früher gingen wir auch noch um den Altar herum.
Bei meinem letzten Kind war das aber nicht mehr der Brauch.“

Füchtorf, den 15. September 1959

Richard Schmieding