Handbuch der praktischen Genealogie/375: Unterschied zwischen den Versionen

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jüngere, die positivistische, der Gumplowicz, Simmel und Eleutheropulos anhingen, lehnt dies ab, will nicht einmal den Vergleich der Gesellschaft mit einem (individuellen) Organismus gelten lassen und lehrt vielmehr: "die sozialen Erscheinungen sind und bleiben geistige Erscheinungen" (Eleutheropulos). Dem Organizisten ist natürlich die Familie der letzte Bestandteil der Gesellschaft, dem Positivisten das Einzelwesen. Man mag einer Theorie der ersten oder einer der letzteren Gruppe anhängen, in beiden Fällen ergibt sich eine nahe Beziehung zwischen Genealogie und Soziologie. Für den Organizisten ist die Familie gewissermaßen das Bindeglied zwischen der Natur und dem Gesellschaftsleben<ref>Schäffle, a. a. O. Bd. 1, S. 26 nennt die Familie "die physiologisch bestimmte (mitbestimmte, bedingte) Elementargemeinschaft des Gesellschaftskörpers".</ref>, und demgemäß müßte er logischerweise die Genealogie als Teilwissenschaft der Soziologie bewerten. Der Positivist dagegen würdigt die Familie überhaupt nicht als eine Form gesellschaftlichen Lebens, sondern nur als Anstalt zur Hervorbringung von Einzelwesen, die dann in verschiedenster Weise zueinander gesellschaftlich in Beziehung treten. Er müßte deshalb folgerichtig die Genealogie als eine der Soziologie eng parallel laufende Disziplin betrachten, insofern sie die natürlichen (biologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins zu untersuchen hat, während sich die Soziologie nur mit den geistigen (psychologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins abgibt.
jüngere, die positivistische, der Gumplowicz, Simmel und Eleutheropulos anhingen, lehnt dies ab, will nicht einmal den Vergleich der Gesellschaft mit einem (individuellen) Organismus gelten lassen und lehrt vielmehr: "die sozialen Erscheinungen sind und bleiben geistige Erscheinungen" (Eleutheropulos). Dem Organizisten ist natürlich die Familie der letzte Bestandteil der Gesellschaft, dem Positivisten das Einzelwesen. Man mag einer Theorie der ersten oder einer der letzteren Gruppe anhängen, in beiden Fällen ergibt sich eine nahe Beziehung zwischen Genealogie und Soziologie. Für den Organizisten ist die Familie gewissermaßen das Bindeglied zwischen der Natur und dem Gesellschaftsleben<ref>Schäffle, a. a. O. Bd. 1, S. 26 nennt die Familie "die physiologisch bestimmte (mitbestimmte, bedingte) Elementargemeinschaft des Gesellschaftskörpers".</ref>, und demgemäß müßte er logischerweise die Genealogie als Teilwissenschaft der Soziologie bewerten. Der Positivist dagegen würdigt die Familie überhaupt nicht als eine Form gesellschaftlichen Lebens, sondern nur als Anstalt zur Hervorbringung von Einzelwesen, die dann in verschiedenster Weise zueinander gesellschaftlich in Beziehung treten. Er müßte deshalb folgerichtig die Genealogie als eine der Soziologie eng parallel laufende Disziplin betrachten, insofern sie die natürlichen (biologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins zu untersuchen hat, während sich die Soziologie nur mit den geistigen (psychologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins abgibt.


Wie es mir scheinen will, ist den namhaften Soziologen diese grundsätzliche Verschiedenheit in der Auffassung selbst nicht klar geworden. Eleutheropulos gibt anfangs (S. 10/11) ausdrücklich zu, daß die Soziologie auch die biologischen Beziehungen der Menschen zu untersuchen habe, läßt den Gedanken dann aber fallen und bezeichnet später die Familie als für das soziale Leben "belanglos". Klarer äußert sich Tönnies. Er nennt das Ergebnis, das sich aus dem Zueinanderinbeziehungtreten der Menschen ergibt, Verbindung und unterscheidet nun reale und organische Verbindungen: Gemeinschaften (worunter die Familie begriffen wird) von ideellen und mechanischen Verbindungen: Gesellschaftsbildungen. Von Tönnies wird der künftige Verfasser einer genealogisch befruchteten Soziologie vielleicht die meisten Anregungen empfangen. Hätten die Soziologen nicht bisher die Genealogie vollständig außer acht gelassen, so hätte sich der Gegensatz zwischen der organizistischen und positivistischen Richtung überhaupt nicht so herausbilden können, wie es geschehen ist. Die Wahrheit liegt zweifellos in der Mitte, und die genealogische Wissenschaft ist berufen, die Gegensätze auszusöhnen, da sie von vornherein auf organizistischem Boden stehend doch den psychischen Kräften schon innerhalb der Familie einen beträchtlichen Einfluß zuweist und sich gerade darum bemüht, die Einzelpersönlichkeit als das Ergebnis des Zusammenwirkens von physischem und psychischem Familienerbe mit geistigem außerhalb der Familie erwachsenen Inhalt zu begreifen. Erkennt erst der Soziolog diese drei Kräfte als diejenigen, durch  deren Zusammenwirken — individuell  ist der <noinclude>
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Version vom 28. September 2012, 16:09 Uhr

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
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jüngere, die positivistische, der Gumplowicz, Simmel und Eleutheropulos anhingen, lehnt dies ab, will nicht einmal den Vergleich der Gesellschaft mit einem (individuellen) Organismus gelten lassen und lehrt vielmehr: "die sozialen Erscheinungen sind und bleiben geistige Erscheinungen" (Eleutheropulos). Dem Organizisten ist natürlich die Familie der letzte Bestandteil der Gesellschaft, dem Positivisten das Einzelwesen. Man mag einer Theorie der ersten oder einer der letzteren Gruppe anhängen, in beiden Fällen ergibt sich eine nahe Beziehung zwischen Genealogie und Soziologie. Für den Organizisten ist die Familie gewissermaßen das Bindeglied zwischen der Natur und dem Gesellschaftsleben[1], und demgemäß müßte er logischerweise die Genealogie als Teilwissenschaft der Soziologie bewerten. Der Positivist dagegen würdigt die Familie überhaupt nicht als eine Form gesellschaftlichen Lebens, sondern nur als Anstalt zur Hervorbringung von Einzelwesen, die dann in verschiedenster Weise zueinander gesellschaftlich in Beziehung treten. Er müßte deshalb folgerichtig die Genealogie als eine der Soziologie eng parallel laufende Disziplin betrachten, insofern sie die natürlichen (biologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins zu untersuchen hat, während sich die Soziologie nur mit den geistigen (psychologischen) Bedingungen menschlichen Beisammenseins abgibt.

      Wie es mir scheinen will, ist den namhaften Soziologen diese grundsätzliche Verschiedenheit in der Auffassung selbst nicht klar geworden. Eleutheropulos gibt anfangs (S. 10/11) ausdrücklich zu, daß die Soziologie auch die biologischen Beziehungen der Menschen zu untersuchen habe, läßt den Gedanken dann aber fallen und bezeichnet später die Familie als für das soziale Leben "belanglos". Klarer äußert sich Tönnies. Er nennt das Ergebnis, das sich aus dem Zueinanderinbeziehungtreten der Menschen ergibt, Verbindung und unterscheidet nun reale und organische Verbindungen: Gemeinschaften (worunter die Familie begriffen wird) von ideellen und mechanischen Verbindungen: Gesellschaftsbildungen. Von Tönnies wird der künftige Verfasser einer genealogisch befruchteten Soziologie vielleicht die meisten Anregungen empfangen. Hätten die Soziologen nicht bisher die Genealogie vollständig außer acht gelassen, so hätte sich der Gegensatz zwischen der organizistischen und positivistischen Richtung überhaupt nicht so herausbilden können, wie es geschehen ist. Die Wahrheit liegt zweifellos in der Mitte, und die genealogische Wissenschaft ist berufen, die Gegensätze auszusöhnen, da sie von vornherein auf organizistischem Boden stehend doch den psychischen Kräften schon innerhalb der Familie einen beträchtlichen Einfluß zuweist und sich gerade darum bemüht, die Einzelpersönlichkeit als das Ergebnis des Zusammenwirkens von physischem und psychischem Familienerbe mit geistigem außerhalb der Familie erwachsenen Inhalt zu begreifen. Erkennt erst der Soziolog diese drei Kräfte als diejenigen, durch deren Zusammenwirken — individuell ist der


  1. Schäffle, a. a. O. Bd. 1, S. 26 nennt die Familie "die physiologisch bestimmte (mitbestimmte, bedingte) Elementargemeinschaft des Gesellschaftskörpers".