Gedenkblätter Friedrich Wölbling/018: Unterschied zwischen den Versionen

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Flensburg, den 6. Mai 1864
 
Von meiner Pein in der ersten Unordnung sage ich Dir nichts mehr. Du kanst sie Dir nach meiner ganzen Natur selbst denken. Jetzt kommt alles mehr und mehr in Regel und Gang und es wird mir dabei immer wohler. Der eigentliche Anfang war vorigen Sonntag, wo ich im Talar in einer Anzahl Säle kurze Andachten hielt und mich einführte. Ich sach bald daß es nötig war, und nun wissen alle Verwundeten und das ganze Personal, daß ich nicht in einer wohlmeinenden Absicht, sondern von Gottes und Amtswegen komme, so oft ich komme. Nach ider Andacht gehe ich an die einzelnen Betten heran und da habe ich schon manche für das Wort Gottes dankbare Seele gefunden; besonders auch unter den Dänen, die deutsch verstehen, dieselben drücken mir die Hände mit Tränen in den Augen. Sie sind öfters schwerer verwundet als die Preußen, und außerdem ja Gefangene und auf allerei Weise geschlagene Leute. Vielen der Unseren steckt ja der Sieg und Ruhm im Kopfe, haben keine Schmerzen mehr, und nun die Ehre, bei Düppel verwundet zu sein! Wenn man zuerst einen Saal betritt, liegen alle so schmuck und ordentlich da, daß man zuerst soviel Elend nicht vermutet. Wenn ich zum Verbinden komme, sehe ich mit die Wunden herzhaft mit an; man muß auch als Seelsorger den Leib nich gar ignoriern. Deinen ersten Brief mein liebe Frau erhielt ich am Montag, die Zeit war mir recht lang geworden; aber er war nur zu kurz, viel zu kurz! Gestern am schönen Himmelfahrtstage ging ich um 9 Uhr in die Nicoleikirche, wo Pasor Ewaldsen eine herrliche Predigt hielt, ebenso an Einfalt als an Geist und Leben. Aber alles andere war ganz trauig im Gottesdieste; eine halb leere Kirche, ein gräßlisches Gesangbuch, ein schrecklicher Gesang, ein elender Stumpf von Liturgie, ein versauertes Orgelspiel. Ich hatte mich gefraut wieder einmal mitzusingen, aber es war absolut unmöglich. Als ich nach Haus kam, war Dein zweiter lieber Brief angekommen. Er wurde schnell gelesen, da ich um 12 Uhr in Bellevue zu tun hatte. Nachmittag kam dann die gründliche Lesung; freut Euch nur recht aneinender, dieweil Ihr Euch habt; es ist jedes saure Gesicht Sünde, welches man sich unnötiger Weise

Aktuelle Version vom 20. März 2010, 14:55 Uhr

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Gedenkblätter Friedrich Wölbling
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Flensburg, den 6. Mai 1864

Von meiner Pein in der ersten Unordnung sage ich Dir nichts mehr. Du kanst sie Dir nach meiner ganzen Natur selbst denken. Jetzt kommt alles mehr und mehr in Regel und Gang und es wird mir dabei immer wohler. Der eigentliche Anfang war vorigen Sonntag, wo ich im Talar in einer Anzahl Säle kurze Andachten hielt und mich einführte. Ich sach bald daß es nötig war, und nun wissen alle Verwundeten und das ganze Personal, daß ich nicht in einer wohlmeinenden Absicht, sondern von Gottes und Amtswegen komme, so oft ich komme. Nach ider Andacht gehe ich an die einzelnen Betten heran und da habe ich schon manche für das Wort Gottes dankbare Seele gefunden; besonders auch unter den Dänen, die deutsch verstehen, dieselben drücken mir die Hände mit Tränen in den Augen. Sie sind öfters schwerer verwundet als die Preußen, und außerdem ja Gefangene und auf allerei Weise geschlagene Leute. Vielen der Unseren steckt ja der Sieg und Ruhm im Kopfe, haben keine Schmerzen mehr, und nun die Ehre, bei Düppel verwundet zu sein! Wenn man zuerst einen Saal betritt, liegen alle so schmuck und ordentlich da, daß man zuerst soviel Elend nicht vermutet. Wenn ich zum Verbinden komme, sehe ich mit die Wunden herzhaft mit an; man muß auch als Seelsorger den Leib nich gar ignoriern. Deinen ersten Brief mein liebe Frau erhielt ich am Montag, die Zeit war mir recht lang geworden; aber er war nur zu kurz, viel zu kurz! Gestern am schönen Himmelfahrtstage ging ich um 9 Uhr in die Nicoleikirche, wo Pasor Ewaldsen eine herrliche Predigt hielt, ebenso an Einfalt als an Geist und Leben. Aber alles andere war ganz trauig im Gottesdieste; eine halb leere Kirche, ein gräßlisches Gesangbuch, ein schrecklicher Gesang, ein elender Stumpf von Liturgie, ein versauertes Orgelspiel. Ich hatte mich gefraut wieder einmal mitzusingen, aber es war absolut unmöglich. Als ich nach Haus kam, war Dein zweiter lieber Brief angekommen. Er wurde schnell gelesen, da ich um 12 Uhr in Bellevue zu tun hatte. Nachmittag kam dann die gründliche Lesung; freut Euch nur recht aneinender, dieweil Ihr Euch habt; es ist jedes saure Gesicht Sünde, welches man sich unnötiger Weise