Seefahrer aus dem Memelland: Unterschied zwischen den Versionen
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==Impressionen eines Memelländers== | |||
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<big>'''Memeler Seefahrer'''</big> | |||
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[[Memel|'''Memel''']] war schon immer ist eine bedeutende und rührige See- und Handelsstadt. Wer sich zum Beispiel früher mit der Fähre nach Sandkrug auf der [[Kurische Nehrung|'''Kurischen Nehrung''']] begab, passierte sowohl die eigentlich stets betriebsame Lindenauwerft mit den im Bau befindlichen Schiffen, mit ihren Schwimmdocks – mal leer, meist aber besetzt – als auch zahlreiche Schiffe und Boote in voller Fahrt oder auf Reede im Memeler Tief liegende größere oder kleinere Wasserfahrzeuge. Auf den Hafenanlagen herrschte stets reger Betrieb: Wareneingang und –abgang, Menschen steigen aus und steigen ein oder spazieren dort nur in verschiedenen Richtungen entlang. Geschäftigkeit, Neugierde, Muße, laute Begrüßung, trauriger Abschied. | |||
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Hinzu kommt '''dieser besondere Geruch''': Ein Geruch von Wasser, Tang, Teer und Rauch! Dazu das '''schrille Möwengeschrei''' von morgens bis abends. Und dies alles zusammen strömte auf die Memeler von ihrer Geburt an ein – ganz abgesehen von den ererbten Genen ihrer Vorfahren. Welcher Memeler hatte nicht den Berufswunsch, eines Tages zur See zu fahren, Seemann zu werden, die große, weite Welt zu sehen, die hinter der Norder- und Südermole liegen musste? Und viele der Wünsche wurden wahr. Viele Memeler wurden Seefahrer – die einen als Matrosen, andere als Kapitän oder Steuermann. | |||
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Sicherlich haben alle jedoch zuvor nicht bedacht, auf welche wichtigen Dinge des Lebens sie bei ihrer Berufswahl verzichten würden: Keine Teilnahme an kulturellen, vielfältigen kommunalen oder familiären Ereignissen u.ä., lange Trennung von Freunden und Familie, kaum wichtige Maßnahmen planen, ausführen oder kontrollieren können usw. Alles dem überragenden Berufsziel „Seefahrer“ geopfert! | |||
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Auch in meiner Familie war das so. Zwei meiner Großonkel fuhren zur See. Und sie – die die Verwaltung ihres Hauses, die Pflege ihrer gebrechlichen Eltern und der Instandhaltung der Familiengräber auf dem Götzhöfener Friedhof ihrer weit jüngeren Schwester übertragen hatten – kamen wohl in den letzten Winkel der großen, weiten Welt! | |||
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Das belegen die '''zahllosen Postkarten''', die sie eigentlich von überall nach Schmelz sandten. Auf ihnen teilten sie Wichtiges – z.B. wohin und bis wann ihre Schwester ihnen saubere Wäsche oder andere wichtige Dinge – schicken sollte. Sie ließen mit ihnen alle ihre Familienmitglieder grüßen und sie auf diesem Wege an der Welt draußen teilhaben. Oft klang aus dem Geschriebenen aber auch ihr Heimweh mit. Seemannslos! | |||
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Hin und wieder kam auch ein kleines oder etwas größeres Päckchen zu Hause an mit einem Souvenier darin. Ein Souvenier - oft mehr als kitschig - wurde aber auch bei jedem Besuch auf Schmelz als Mitbringsel übergeben. Aber, was soll`s? Ihre heimatliche Behausung sah damit jedenfalls bald wie ein Museum oder Antiquariat aus. Für alle aber auf jeden Fall eine bleibende Erinnerung an etwas oder jemand. | |||
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Und diese Postkarten wurden nicht fortgeworfen. Nein, um Gotteswillen, die zu Hause gebliebene Schwester bewahrte sie sorgsam in einem leeren Schuhkarton auf. Sie nahm „ihren Schatz“ sogar 1944 mit auf die Flucht und übergab ihn ihrem Großneffen, nämlich mir, „weil der für sowas ein Händchen hat “ – wie sie kurz vor ihrem Tod meinte. | |||
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Wer heute als Heimwehtourist „auf Besuch“ nach Memel kommt, sieht, hört und riecht '''das Flair dieser Stadt''' und versteht deren Berufswunsch besser denn je. Dies trotz der inzwischen eingetretenen vielfältigen Veränderungen. Dass es den heute dort Lebenden, mit ihrem Nachwuchs seefahrender Menschen ernst ist, sieht man an der auf Schmelz errichteten Seefahrtsschule. Hier werden junge Memeler zu Seeleuten unterschiedlichster Fachrichtung ausgebildet, um sie auf den Flüssen des Memellandes, auf der Ostsee und auf allen Weltmeeren ihren Mann stehen zu lassen. Auf diese Männer ist Memel stolz! | |||
Gerhard Krosien, 2009 | |||
[[Kategorie:Memelland]] | [[Kategorie:Memelland]] |
Version vom 31. August 2009, 22:34 Uhr
Hier fehlt noch allgemeine Info
Bereiste Häfen
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit
Amsterdam
Antwerpen
Buenos Aires
Cardiff und Charleston
China / Tsingtau
Dünkirchen
Genua
Hamburg
Las Palmas
Lissabon
Madeira
Malaga
Marseille
Montevideo
Nagasaki
Neapel
Newcastle Jamaica
Philadelphia
Port Said
Rotterdam
Sabang
Sansibar
Santos
Skansen
Swansea
Valparaiso
Quellen
Wie es zu dieser schönen Postkartensammlung kam können Sie hier lesen:
Bloß ein alter Schuhkarton
Impressionen eines Memelländers
Memeler Seefahrer
Memel war schon immer ist eine bedeutende und rührige See- und Handelsstadt. Wer sich zum Beispiel früher mit der Fähre nach Sandkrug auf der Kurischen Nehrung begab, passierte sowohl die eigentlich stets betriebsame Lindenauwerft mit den im Bau befindlichen Schiffen, mit ihren Schwimmdocks – mal leer, meist aber besetzt – als auch zahlreiche Schiffe und Boote in voller Fahrt oder auf Reede im Memeler Tief liegende größere oder kleinere Wasserfahrzeuge. Auf den Hafenanlagen herrschte stets reger Betrieb: Wareneingang und –abgang, Menschen steigen aus und steigen ein oder spazieren dort nur in verschiedenen Richtungen entlang. Geschäftigkeit, Neugierde, Muße, laute Begrüßung, trauriger Abschied.
Hinzu kommt dieser besondere Geruch: Ein Geruch von Wasser, Tang, Teer und Rauch! Dazu das schrille Möwengeschrei von morgens bis abends. Und dies alles zusammen strömte auf die Memeler von ihrer Geburt an ein – ganz abgesehen von den ererbten Genen ihrer Vorfahren. Welcher Memeler hatte nicht den Berufswunsch, eines Tages zur See zu fahren, Seemann zu werden, die große, weite Welt zu sehen, die hinter der Norder- und Südermole liegen musste? Und viele der Wünsche wurden wahr. Viele Memeler wurden Seefahrer – die einen als Matrosen, andere als Kapitän oder Steuermann.
Sicherlich haben alle jedoch zuvor nicht bedacht, auf welche wichtigen Dinge des Lebens sie bei ihrer Berufswahl verzichten würden: Keine Teilnahme an kulturellen, vielfältigen kommunalen oder familiären Ereignissen u.ä., lange Trennung von Freunden und Familie, kaum wichtige Maßnahmen planen, ausführen oder kontrollieren können usw. Alles dem überragenden Berufsziel „Seefahrer“ geopfert!
Auch in meiner Familie war das so. Zwei meiner Großonkel fuhren zur See. Und sie – die die Verwaltung ihres Hauses, die Pflege ihrer gebrechlichen Eltern und der Instandhaltung der Familiengräber auf dem Götzhöfener Friedhof ihrer weit jüngeren Schwester übertragen hatten – kamen wohl in den letzten Winkel der großen, weiten Welt!
Das belegen die zahllosen Postkarten, die sie eigentlich von überall nach Schmelz sandten. Auf ihnen teilten sie Wichtiges – z.B. wohin und bis wann ihre Schwester ihnen saubere Wäsche oder andere wichtige Dinge – schicken sollte. Sie ließen mit ihnen alle ihre Familienmitglieder grüßen und sie auf diesem Wege an der Welt draußen teilhaben. Oft klang aus dem Geschriebenen aber auch ihr Heimweh mit. Seemannslos!
Hin und wieder kam auch ein kleines oder etwas größeres Päckchen zu Hause an mit einem Souvenier darin. Ein Souvenier - oft mehr als kitschig - wurde aber auch bei jedem Besuch auf Schmelz als Mitbringsel übergeben. Aber, was soll`s? Ihre heimatliche Behausung sah damit jedenfalls bald wie ein Museum oder Antiquariat aus. Für alle aber auf jeden Fall eine bleibende Erinnerung an etwas oder jemand.
Und diese Postkarten wurden nicht fortgeworfen. Nein, um Gotteswillen, die zu Hause gebliebene Schwester bewahrte sie sorgsam in einem leeren Schuhkarton auf. Sie nahm „ihren Schatz“ sogar 1944 mit auf die Flucht und übergab ihn ihrem Großneffen, nämlich mir, „weil der für sowas ein Händchen hat “ – wie sie kurz vor ihrem Tod meinte.
Wer heute als Heimwehtourist „auf Besuch“ nach Memel kommt, sieht, hört und riecht das Flair dieser Stadt und versteht deren Berufswunsch besser denn je. Dies trotz der inzwischen eingetretenen vielfältigen Veränderungen. Dass es den heute dort Lebenden, mit ihrem Nachwuchs seefahrender Menschen ernst ist, sieht man an der auf Schmelz errichteten Seefahrtsschule. Hier werden junge Memeler zu Seeleuten unterschiedlichster Fachrichtung ausgebildet, um sie auf den Flüssen des Memellandes, auf der Ostsee und auf allen Weltmeeren ihren Mann stehen zu lassen. Auf diese Männer ist Memel stolz!
Gerhard Krosien, 2009