Grundzüge einer quantitativen Genealogie (Rösch)/010: Unterschied zwischen den Versionen

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einfachen aber hier nicht etwa die natürlichen Verhältnisse aus Freude an einer schematischen Spielerei, sondern weil wir vor der Fülle der Komplikationen resignieren müssen und zufrieden sein dürfen, wenn wir ein in sich widerspruchsfreies System aufbauen können, das „im Mittel“ mit der Natur harmoniert.
 
{{NE}}Es mag hier betont werden (was leider nicht immer beachtet wird), daß in der menschlichen Genealogie die Verhältnisse in mehreren Hinsichten komplizierter sind als bei den biologischen Experimenten, an denen die Mendelregeln erläutert zu werden pflegen, obwohl allerdings auch beim Menschen die Erbvorgänge nach genau den gleichen Regeln verlaufen. Erstens liegt wohl kaum jemals rein gezüchtestes Ausgangsmaterial vor, wie es zu sauberen Experimenten unbedingt erforderlich ist. Zweitens werden die Mendelversuche vorwiegend mittels Inzucht (Geschwisterheirat) ausgeführt, was beim Menschen eine Seltenheit ist. Drittens ist die Individuenzahl von Kindern eines Ehepaares beim Menschen von viel viel bescheidenerer Größenordnung als bei Versuchstieren, bei denen die Gesetze großer Zahlen anwendbar sind. Daß man trotzdem schon Ansätze zu biologische Genealogie machen konnte, mag hier nur angedeutet sein; es liegen diese Dinge nicht im Rahmen unserer Absichten. (Näheres siehe z. B. Geppert und Koller, vgl. anm. 7.)
 
γ. Mittlerer biologischer Verwandtschaftsanteil
 
{{NE}}Aufbauend auf dem einzigen unumstößlichen Gesetz der menschlichen Genealogie: daß jedes Individuum einen Vater und eine Mutter hat, und unter der vereinfachenden Annahme, daß die Anlagen des Individuums je zur Hälfte vom Vater und von der Mutter vererbt sind, kommen wir sogleich zu dem Begriff, den wir „mittlerer biologischer Verwandtschaftsanteil“ nennen und mit '''b''' bezeichnen wollen. Er charakterisiert in statistischer Weise den theoretischen Anteil gemeinsamen Erbes, der in zwei Individuen enthalten ist, und antwortet auf die Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein jedem der beiden Partner entnommenes Element vom gleichen gemeinsamen Ahnen stammt?
 
{{NE}}Wir wollen dies an dem Beispiel der Fig. 2 genauer verfolgen. Der Proband A hat die Hälfte seines Erbgutes vom Vater B; ein Viertel stammt dabei von der Großmutter E, je ein Actel von F und G. Zwischen A und F z. B. ist also b<sub>AF</sub> = {{Bruch|1|8}} = 0.125. In Bezug auf die von F an E vererbten Anlagen ist nun die Wahrscheinlichkeit, sie in H wiederzufinden, = {{Bruch|1|2}}; es wäre also b<sub>AH</sub> auf dem Weg über F halb so groß wie b<sub>AF</sub>; da aber eine gleiche Überlegung hinsichtlich des Erbes der Mutter G gilt, so verdoppelt sich der Wert wieder, und es wird b<sub>AH</sub> = b<sub>AF</sub> = b<sub>AG</sub> = {{Bruch|1|8}}. Bei J ist dieser Wert durch das zu A fremde Erbe von I sozusagen auf die Hälfte verdünnt, und durch K und M treten weitere solche „Verdünnungen“ ein, so daß sich für N schließlich ergibt: b<sub>AN</sub> = {{Bruch|1|64}} = 0.016.

Aktuelle Version vom 4. Februar 2012, 10:27 Uhr

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Grundzüge einer quantitativen Genealogie (Rösch)
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einfachen aber hier nicht etwa die natürlichen Verhältnisse aus Freude an einer schematischen Spielerei, sondern weil wir vor der Fülle der Komplikationen resignieren müssen und zufrieden sein dürfen, wenn wir ein in sich widerspruchsfreies System aufbauen können, das „im Mittel“ mit der Natur harmoniert.

      Es mag hier betont werden (was leider nicht immer beachtet wird), daß in der menschlichen Genealogie die Verhältnisse in mehreren Hinsichten komplizierter sind als bei den biologischen Experimenten, an denen die Mendelregeln erläutert zu werden pflegen, obwohl allerdings auch beim Menschen die Erbvorgänge nach genau den gleichen Regeln verlaufen. Erstens liegt wohl kaum jemals rein gezüchtestes Ausgangsmaterial vor, wie es zu sauberen Experimenten unbedingt erforderlich ist. Zweitens werden die Mendelversuche vorwiegend mittels Inzucht (Geschwisterheirat) ausgeführt, was beim Menschen eine Seltenheit ist. Drittens ist die Individuenzahl von Kindern eines Ehepaares beim Menschen von viel viel bescheidenerer Größenordnung als bei Versuchstieren, bei denen die Gesetze großer Zahlen anwendbar sind. Daß man trotzdem schon Ansätze zu biologische Genealogie machen konnte, mag hier nur angedeutet sein; es liegen diese Dinge nicht im Rahmen unserer Absichten. (Näheres siehe z. B. Geppert und Koller, vgl. anm. 7.)

γ. Mittlerer biologischer Verwandtschaftsanteil

      Aufbauend auf dem einzigen unumstößlichen Gesetz der menschlichen Genealogie: daß jedes Individuum einen Vater und eine Mutter hat, und unter der vereinfachenden Annahme, daß die Anlagen des Individuums je zur Hälfte vom Vater und von der Mutter vererbt sind, kommen wir sogleich zu dem Begriff, den wir „mittlerer biologischer Verwandtschaftsanteil“ nennen und mit b bezeichnen wollen. Er charakterisiert in statistischer Weise den theoretischen Anteil gemeinsamen Erbes, der in zwei Individuen enthalten ist, und antwortet auf die Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein jedem der beiden Partner entnommenes Element vom gleichen gemeinsamen Ahnen stammt?

      Wir wollen dies an dem Beispiel der Fig. 2 genauer verfolgen. Der Proband A hat die Hälfte seines Erbgutes vom Vater B; ein Viertel stammt dabei von der Großmutter E, je ein Actel von F und G. Zwischen A und F z. B. ist also bAF = 1/8 = 0.125. In Bezug auf die von F an E vererbten Anlagen ist nun die Wahrscheinlichkeit, sie in H wiederzufinden, = 1/2; es wäre also bAH auf dem Weg über F halb so groß wie bAF; da aber eine gleiche Überlegung hinsichtlich des Erbes der Mutter G gilt, so verdoppelt sich der Wert wieder, und es wird bAH = bAF = bAG = 1/8. Bei J ist dieser Wert durch das zu A fremde Erbe von I sozusagen auf die Hälfte verdünnt, und durch K und M treten weitere solche „Verdünnungen“ ein, so daß sich für N schließlich ergibt: bAN = 1/64 = 0.016.