Bürgerbuch der Stadt Erfurt 1761-1833/007: Unterschied zwischen den Versionen

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Im Jahre 1761, mit dem dieser Band beginnt, tobte noch der Siebenjährige Krieg (1756 bis 1763). Erfurt gehörte zum Mainzer Kurfürstentum, war eine bikonfessionelle Stadt, Hauptstadt eines beachtlichen Landgebietes und wirtschaftlicher Mittelpunkt Thüringens. Es war der Sitz einer Universität, eines evangelischen und eines katholischen Gymnasiums, und unter militärischen Gesichtspunkten die wichtigste Festung im mittleren Deutschland, mit einer kurmainzischen und kaiserlichen Garnison. Erfurts Akademie nützlicher Wissenschaften förderte die Bewegung der Aufklärung, und bald kam es auch zu Reformen an der Erfurter Alma Mater, die für eine leider nur kurze Zeit neues Leben in die Universität brachten. 1772 kam Carl Theodor von Dalberg als Statthalter nach Erfurt, eine begabte und interessante Persönlichkeit, der Erfurt viel zu verdanken hat. Die Erfurter Einwohnerschaft von knapp 18.000 Menschen setzte sich zusammen aus den Bürgern, den Schutzverwandten, den akademischen Bürgern, der Geistlichkeit und dem Personal der Schulen, sowie der Garnison und der Regierung mit ihren Beamten und Bediensteten. Das war noch die alte Ordnung der letzten Jahrhunderte. Wer das Bürgerrecht beantragt und bekommen hatte, besaß aktives und passives Wahlrecht innerhalb der Stadt und hatte zahlreiche Bürgerpflichten zu erfüllen. Die Schutzverwandten waren anerkannte Einwohner ohne das Bürgerrecht, meist weil sie es nicht bezahlen konnten oder wollten. Sie besaßen kein Wahlrecht, und sie lebten meist in den Vorstädten. Es ist interessant zu beobachten, dass in den Kirchenbüchern kein Unterschied zwischen Bürgern und Schutzverwandten gemacht wird. Neben dem Stadtrat gab es noch mehrere andere Aufsichtsbehörden, und viele Einwohner unterstanden jenen Behörden und nicht dem Stadtrat. Sie waren vom Bürgerrecht befreit. Da war für die katholische Kirche einschließlich ihrer Klöster und Schulen das Geistliche Gericht, für die evangelische Kirche mit ihrer Geistlichkeit und ihrer großen Lehrerschaft das Evangelische Ministerium. Die Universität mit den Professoren, den Magistern, Studenten und manchen weiteren Akademikern, auch vielen Buchdruckern, hatte ihren eigenen Rechtsbereich, und man sprach von den akademischen Bürgern, die aber im Bürgerbuch nicht zu finden sind. Dasselbe gilt für die Garnison mit ihren Soldaten und Offizieren sowie für die Statthalterei, also Regierung und Kammer, deren Räte und deren Personal vom Bürgerrecht frei waren. Wenn jedoch ein Mann aus diesen Personenkreisen einen Dienst als Ratsherr oder Beamter im Rathaus übernehmen wollte oder sollte, musste er das Bürgerrecht annehmen, die nötigen Gebühren zahlen und wurde in das Bürgerbuch eingetragen. Ähnlich war es mit dem Biereigenrecht (Braurecht), das voraussetzte, dass man das Bürgerrecht besaß. Als 1789 die Französische Revolution ausbrach, war es abzusehen, dass diese alte Welt ihrem Ende entgegenging. Die geistlichen Fürstentümer waren nicht länger zu halten, und das bedeutete den Untergang des Mainzer Kurfürstentums. 1802 wurde Erfurt preußisch. Die katholische Kirche verlor fast alle ihre Klöster ­ nur das der Ursulinerinnen blieb bestehen. Von 1806 bis 1814 war Erfurt französisch, und wer die Bürgerbücher durchsieht, findet in jenen Jahren die ersten bahnbrechenden Neuerungen, das Bürgerrecht betreffend: 1806 bekamen zum erstenmal Frauen das Bürgerrecht, doch wohl, weil sie ein Gewerbe betreiben wollten. Es war zuerst am 19. Juli 1806 Anna Maria Wagner, dann am 4. September 1806 Maria Barbara Abel, dann am 6. 0ktober 1806 Maria Elisabeth Möller, ohne Berufsangabe, die Witwe des 1805 verstorbenen Dr. phil. Johann Ernst Möller, Professor am Ratsgymnasium und Diaconus der Andreasgemeinde. Am 3. Dezember 1806 folgten die Bandhändlerin Juditha Catharina Engel und die Hökerin Maria Juditha Burg (oder Berg). 7
Nicht nur die Achtung der Frau war gestiegen, sondern auch die Toleranz gegenüber Nichtchristen. Der erste Jude, der das Bürgerrecht erhielt, war am 10. August 1810 der Handelsmann Salomon David Unger aus Coswig an der Elbe. Am 11. September 1810 folgte dann der Handelsmann Joseph Wolf aus Rödelheim (jetzt zu Frankfurt am Main). Bis 1825 waren es insgesamt 20 jüdische Bürger. Das war der große Schritt zur Religionsfreiheit, vielleicht sehr human und menschenfreundlich, aber in aufklärerischer Weise auch religionskritisch gemeint. Als die Stadt 1814 wieder in preußischen Händen war und mit dem Wiener Kongress von 1815 das Königreich Preußen weite Teile Thüringens, die bisher kursächsisch gewesen waren, zugeteilt bekam, wurde Erfurt zum Hauptort und Regierungssitz des Regierungsbezirkes Erfurt, zu dem nun die Kreise Weißensee, Langensalza, Mühlhausen, das Eichsfeld, Nordhausen und Grafschaft Hohenstein, Schleusingen und Ziegenrück gehörten. Die starke Zuwanderung der nächsten Jahre bestand großenteils aus heimkehrenden Soldaten, die ohne Zahlungen als Bürger aufgenommen wurden und sich eine neue Existenz aufbauen sollten. Auffallend viele Neubürger kamen nun aus den preußischen Ostprovinzen, aus Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien. Auch dass Erfurt nunmehr preußische Festung und Garnison war, wird im Bürgerbuch oft sichtbar. Seit 1819 wurden die Einträge um eine Angabe vermehrt. Die Religion wurde erfragt und notiert: evangelisch (bei einigen Personen: lutherisch), katholisch und jüdisch. Ein kirchenfreundliches Zeitalter war angebrochen. Im Jahrgang 1833 findet man dann Leute mit neuerworbenem Bürgerrecht, die das bisher nicht nötig gehabt hatten: einen Pastor der Thomasgemeinde, einen Lehrer der Reglerschule, einen Arzt, einen General, einen Hofrat, den Domdechanten. Das alte Bürgerrecht war geändert worden. Es wurde nun mehr und mehr eine Sache des Staates, nicht mehr der Stadt. Das führte später dahin, dass 1851 die Unterscheidung zwischen dem Bürger und dem Schutzverwandten aufgehoben wurde. In der Folge wird man dann kein Bürger der Stadt mehr sein, sondern Staatsangehöriger oder Staatsbürger. Damit wird dann auch der Unterschied zwischen dem Untertan auf dem Lande und dem Bürger in der Stadt hinfällig werden. Und nun zu den Quellen ­ zuerst zu den im Stadtarchiv liegenden Bürgerakten. Es wurden ausgewertet: Bürgerbuch 1753-1796 (2/130-5) Bürgerbuch 1797-1804 (2/130-6) Verzeichnis der Bürgeraufnahmen 1796-1820 (2/130-11) Haupt-Bürgerrolle 1819-1832 (2/130-12 Band 1) Bürgerbuch 1832-1851 (2/130-12 Band 2) Bei Unklarheiten oder unvollständigen Angaben wurden gelegentlich die Kirchenbücher herangezogen. Die Kirchenbücher der evangelischen Gemeinden liegen in der Bibliothek des Evangelischen Ministeriums im Augustinerkloster. Das Stadtarchiv verfügt über Register der meisten dieser älteren Bücher, und einige Register zu älteren Büchern der Predigergemeinde, Michaelisgemeinde, Reglergemeinde und Barfüßergemeinde sind in der Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienkunde veröffentlicht worden. Die Kirchenbücher der katholischen Gemeinden liegen im Bistumsarchiv in der Stiftsgasse. Seit 1824 hatten die Pfarrämter Zweitschriften ihrer laufenden Kirchenbücher einzureichen, und diese können im Stadtarchiv eingesehen werden. Erst 1876 eröffnete der Staat seine Standesämter und übernahm das Personenstandswesen selbst. Im Jahrgang 1833 sind auch einige Angaben aus dem damals erschienenen ersten Erfurter Adressbuch verwendet worden.
 
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Bürgerbuch der Stadt Erfurt 1761-1833
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Einleitung Im Jahre 1761, mit dem dieser Band beginnt, tobte noch der Siebenjährige Krieg (1756 bis 1763). Erfurt gehörte zum Mainzer Kurfürstentum, war eine bikonfessionelle Stadt, Hauptstadt eines beachtlichen Landgebietes und wirtschaftlicher Mittelpunkt Thüringens. Es war der Sitz einer Universität, eines evangelischen und eines katholischen Gymnasiums, und unter militärischen Gesichtspunkten die wichtigste Festung im mittleren Deutschland, mit einer kurmainzischen und kaiserlichen Garnison. Erfurts Akademie nützlicher Wissenschaften förderte die Bewegung der Aufklärung, und bald kam es auch zu Reformen an der Erfurter Alma Mater, die für eine leider nur kurze Zeit neues Leben in die Universität brachten. 1772 kam Carl Theodor von Dalberg als Statthalter nach Erfurt, eine begabte und interessante Persönlichkeit, der Erfurt viel zu verdanken hat. Die Erfurter Einwohnerschaft von knapp 18.000 Menschen setzte sich zusammen aus den Bürgern, den Schutzverwandten, den akademischen Bürgern, der Geistlichkeit und dem Personal der Schulen, sowie der Garnison und der Regierung mit ihren Beamten und Bediensteten. Das war noch die alte Ordnung der letzten Jahrhunderte. Wer das Bürgerrecht beantragt und bekommen hatte, besaß aktives und passives Wahlrecht innerhalb der Stadt und hatte zahlreiche Bürgerpflichten zu erfüllen. Die Schutzverwandten waren anerkannte Einwohner ohne das Bürgerrecht, meist weil sie es nicht bezahlen konnten oder wollten. Sie besaßen kein Wahlrecht, und sie lebten meist in den Vorstädten. Es ist interessant zu beobachten, dass in den Kirchenbüchern kein Unterschied zwischen Bürgern und Schutzverwandten gemacht wird. Neben dem Stadtrat gab es noch mehrere andere Aufsichtsbehörden, und viele Einwohner unterstanden jenen Behörden und nicht dem Stadtrat. Sie waren vom Bürgerrecht befreit. Da war für die katholische Kirche einschließlich ihrer Klöster und Schulen das Geistliche Gericht, für die evangelische Kirche mit ihrer Geistlichkeit und ihrer großen Lehrerschaft das Evangelische Ministerium. Die Universität mit den Professoren, den Magistern, Studenten und manchen weiteren Akademikern, auch vielen Buchdruckern, hatte ihren eigenen Rechtsbereich, und man sprach von den akademischen Bürgern, die aber im Bürgerbuch nicht zu finden sind. Dasselbe gilt für die Garnison mit ihren Soldaten und Offizieren sowie für die Statthalterei, also Regierung und Kammer, deren Räte und deren Personal vom Bürgerrecht frei waren. Wenn jedoch ein Mann aus diesen Personenkreisen einen Dienst als Ratsherr oder Beamter im Rathaus übernehmen wollte oder sollte, musste er das Bürgerrecht annehmen, die nötigen Gebühren zahlen und wurde in das Bürgerbuch eingetragen. Ähnlich war es mit dem Biereigenrecht (Braurecht), das voraussetzte, dass man das Bürgerrecht besaß. Als 1789 die Französische Revolution ausbrach, war es abzusehen, dass diese alte Welt ihrem Ende entgegenging. Die geistlichen Fürstentümer waren nicht länger zu halten, und das bedeutete den Untergang des Mainzer Kurfürstentums. 1802 wurde Erfurt preußisch. Die katholische Kirche verlor fast alle ihre Klöster ­ nur das der Ursulinerinnen blieb bestehen. Von 1806 bis 1814 war Erfurt französisch, und wer die Bürgerbücher durchsieht, findet in jenen Jahren die ersten bahnbrechenden Neuerungen, das Bürgerrecht betreffend: 1806 bekamen zum erstenmal Frauen das Bürgerrecht, doch wohl, weil sie ein Gewerbe betreiben wollten. Es war zuerst am 19. Juli 1806 Anna Maria Wagner, dann am 4. September 1806 Maria Barbara Abel, dann am 6. 0ktober 1806 Maria Elisabeth Möller, ohne Berufsangabe, die Witwe des 1805 verstorbenen Dr. phil. Johann Ernst Möller, Professor am Ratsgymnasium und Diaconus der Andreasgemeinde. Am 3. Dezember 1806 folgten die Bandhändlerin Juditha Catharina Engel und die Hökerin Maria Juditha Burg (oder Berg). 7

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