Herforder Chronik (1910)/238: Unterschied zwischen den Versionen

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
(automatisch angelegt)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
<noinclude>{{Herforder Chronik (1910)|237|261|239|unvollständig}}</noinclude>
<noinclude>{{Herforder Chronik (1910)|237|261|239|korrigiert}}</noinclude>
 
<center>
=== Die Marktkirche. ===
(S. Kupferstich von Brand.)
</center>
Zwischen den beiden hochtürmigen Kirchen in der Mitte des Bildes schaut der Turm der Marktkirche hervor.
 
Diese Kirche ist mehr unter dem angeführten als unter dem Namen ihres Patrons, des hl. Nikolaus, des Helfers in Seenot und auf Reisen, bekannt. Sie lag am Alten Markte an der Stelle des Ernstschen Hauses, war nicht länger als das heutige Haus reicht und konnte, nach den im Innern noch sichtbaren Überresten zu urteilen, nur schmal und engbrüstig gewesen sein.
 
Sie hatte wohl einen <tt>„rector“</tt> oder „kerkheren“, aber keine Gemeinde. Als <tt>rector ecclesiae forensis,</tt> d. i. Marktkirche, wird 1333 Dominus Bernhardus, im Herforder Rechtsbuche Her Arent, als „kerkher van de market kerken“ genannt.
 
Da sie nie Pfarrkirche gewesen ist, so mögen diejenigen recht haben, welche sie als eine für reisende Kaufleute bestimmte Andachtsstätte ansehen und die Gründung des Kirchleins in die Blütezeit der Hansa (14. Jahrhundert) verlegen. Demselben Zwecke haben auch die Nikolaikirchen anderer alter Handelsplätze gedient, wir nennen nur Berlin, Frankfurt a. M., Breslau, Lemgo, Bielefeld. Wir finden sie fast immer im Mittelpunkte der Stadt (wie in Frankfurt am Römerplatz) und in der Nahe des Rathauses, meist jedoch sind sie verschwunden und mit ihnen die Erinnerung an die Glanztage der mittelalterlichen Stadt.
 
Unsere Nikolaikirche wurde später Ratskirche, d. h. es sollen sich dort (an urkundlichen Beweisen dafür fehlt es) vor wichtigen Beratungen die Ratsherrcn zum Anhören einer Messe versammelt haben. Das Kirchlein ward 1546 vom Feuer zerstört und ist, weil die Ratsandachten in der Reformationszelt nicht mehr stattfanden, also ein Bedürfnis für den Wiederaufbau fehlte, in Trümmern liegen geblieben, bis sich in die Ruinen Wohnhäuser einnisteten. Denn tatsächlich ist das Ernstsche Haus an und auf die zurückgebliebenen Kirchenteile, Gewölbe, Rundbogen u. dgl. gebaut worden. Der beim Brande der Kirche vielleicht weniger beschädigte Turm wurde nach dem Brande ausgebessert. Der Turm war bis zuletzt unter dem Namen „Spielturm“ bekannt. Auf ihm befand sich die Wohnung eines im Dienste der Stadt stehenden Wächters, des Churwächters, der nach Bernhard Philipp Brand „alle Viertelstunde davon abblasen und die Stadt bewachen mußte“. Auch bei feierlichen Gelegenheiten stieß der Wächter in sein Horn; es wird das ausdrücklich beim Einzüge des Großen Kurfürsten erwähnt, als er zur Huldigung nach Herford kam. In der allerletzten Zeit gewährte er den Stadtmusikanten Platz, wenn sie am Heiligabend von da oben das Christfest „einblasen“ wollten. Seine Glocke ertönte nur noch zur Beerdigung eines Ratsherrn, und diese Bestimmung hat sie auch heute noch, nachdem sie der neuerbauten Petrikirche übergeben worden ist.

Aktuelle Version vom 24. Juni 2018, 19:06 Uhr

GenWiki - Digitale Bibliothek
Herforder Chronik (1910)
<<<Vorherige Seite
[237]
Nächste Seite>>>
[239]
Datei:Herforder Chronik 1910.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



Die Marktkirche.

(S. Kupferstich von Brand.)

Zwischen den beiden hochtürmigen Kirchen in der Mitte des Bildes schaut der Turm der Marktkirche hervor.

Diese Kirche ist mehr unter dem angeführten als unter dem Namen ihres Patrons, des hl. Nikolaus, des Helfers in Seenot und auf Reisen, bekannt. Sie lag am Alten Markte an der Stelle des Ernstschen Hauses, war nicht länger als das heutige Haus reicht und konnte, nach den im Innern noch sichtbaren Überresten zu urteilen, nur schmal und engbrüstig gewesen sein.

Sie hatte wohl einen „rector“ oder „kerkheren“, aber keine Gemeinde. Als rector ecclesiae forensis, d. i. Marktkirche, wird 1333 Dominus Bernhardus, im Herforder Rechtsbuche Her Arent, als „kerkher van de market kerken“ genannt.

Da sie nie Pfarrkirche gewesen ist, so mögen diejenigen recht haben, welche sie als eine für reisende Kaufleute bestimmte Andachtsstätte ansehen und die Gründung des Kirchleins in die Blütezeit der Hansa (14. Jahrhundert) verlegen. Demselben Zwecke haben auch die Nikolaikirchen anderer alter Handelsplätze gedient, wir nennen nur Berlin, Frankfurt a. M., Breslau, Lemgo, Bielefeld. Wir finden sie fast immer im Mittelpunkte der Stadt (wie in Frankfurt am Römerplatz) und in der Nahe des Rathauses, meist jedoch sind sie verschwunden und mit ihnen die Erinnerung an die Glanztage der mittelalterlichen Stadt.

Unsere Nikolaikirche wurde später Ratskirche, d. h. es sollen sich dort (an urkundlichen Beweisen dafür fehlt es) vor wichtigen Beratungen die Ratsherrcn zum Anhören einer Messe versammelt haben. Das Kirchlein ward 1546 vom Feuer zerstört und ist, weil die Ratsandachten in der Reformationszelt nicht mehr stattfanden, also ein Bedürfnis für den Wiederaufbau fehlte, in Trümmern liegen geblieben, bis sich in die Ruinen Wohnhäuser einnisteten. Denn tatsächlich ist das Ernstsche Haus an und auf die zurückgebliebenen Kirchenteile, Gewölbe, Rundbogen u. dgl. gebaut worden. Der beim Brande der Kirche vielleicht weniger beschädigte Turm wurde nach dem Brande ausgebessert. Der Turm war bis zuletzt unter dem Namen „Spielturm“ bekannt. Auf ihm befand sich die Wohnung eines im Dienste der Stadt stehenden Wächters, des Churwächters, der nach Bernhard Philipp Brand „alle Viertelstunde davon abblasen und die Stadt bewachen mußte“. Auch bei feierlichen Gelegenheiten stieß der Wächter in sein Horn; es wird das ausdrücklich beim Einzüge des Großen Kurfürsten erwähnt, als er zur Huldigung nach Herford kam. In der allerletzten Zeit gewährte er den Stadtmusikanten Platz, wenn sie am Heiligabend von da oben das Christfest „einblasen“ wollten. Seine Glocke ertönte nur noch zur Beerdigung eines Ratsherrn, und diese Bestimmung hat sie auch heute noch, nachdem sie der neuerbauten Petrikirche übergeben worden ist.