Freibrief: Unterschied zwischen den Versionen
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====Beispiele aus Westfalen==== | |||
* Westfälische Freibriefe Teil 1|Freibriefe aus Westfalen mit Angabe betroffener Kirchspile | |||
* Westfälische Freibriefe Teil 2|Freibriefe aus Westfalen mit Angabe betroffener Kirchspile | |||
===Ablösung der Wechselbriefe durch Freibriefe=== | ===Ablösung der Wechselbriefe durch Freibriefe=== |
Version vom 26. Februar 2012, 13:02 Uhr
Eigenbehörige und freie Bauern
Im Band 52 der „Beiträge zur westfälischen Familienfprschung“ werden von Bernd Feldmann grundherrlichen Verhältnisse der Höfe im Oberstift Münster aufgelistet. Erwähnt werden neben den von den Grundherren abhängigen Eigenbehörigen und auch die freien Bauern.
Die eigenbehörigen Bauern im Hochstift Münster waren persönlich unfrei und standen in einem besonders engen Abhängigkeitsverhältnis vom jeweiligen Grundherrn. Sie waren an den Hof, den sie bewirtschafteten gebunden, hatten aber in der Regel einen erblichen Nießbrauch an dem Untereigentum (Besitz, Grund und Boden).
Aus dieser grundherrlichen Abhängigkeit resultierten eine Reihe von Abgaben und Pflichten. So leisteten die Eigenbehörigen als Abgaben Schild--, Dienst- oder Pachtgelder und daneben Naturalien. Zu den Naturalabgaben kam oft noch der ursprüngliche Kirchenzehnt hinzu, der im Laufe der Jahrhunderte an einen Grundherrn veräußert oder verpfändet worden war.
Auch waren eigenbehörigen Bauern, je nach Hofesgröße, zu Hand- oder Spanndiensten verpflichtet. Die nachwachsenden Töchter und Söhne der Eigenbehörigen waren dem Grundherren gegenüber ebenfalls persönlich gebunden und konnten zum Gesindezwangsdienst herangezogen werden.
Zu den Abgaben zählten unterschiedlich eingeforderte Gewinn- , Auffahrts- und Sterbefallgelder und der Freikauf mit Erstellung eines Freibriefes.
Freibriefe eigenbehöriger Bauern
Beabsichtigten Söhn oder Töchter eines Erbhofes den elterlichen Wohnsitz zu verlassen, mußten sie daher zuvor das bestehende Hörigkeitsverhältnis durch Freikauf lösen. Dies geschag in den meisten Fällen infolge einer Eheschließung und selten um das Bürgerrecht einer Stadt zu gewinnen.
Die notwendige Freilassung vor der Einheirat in eine einem anderen Grundherrn eigenhörige Stätte des zukünftigen Ehepartners und das Werben um den selben wurden mit gleichen Begriffe belegt daher benutzte noch um 1960 auf dem Lande das plattdeutsche „fryen” (freien) im Sinne des Wortes „werben" um einen zukünftigen Ehepartner. Über den Akt des Freikaufes wurde ein mit dem Siegel des Grundherrn versehener Manumissions- oder Freilassungsschein, der sog. Freibrief ausgestellt, der die bisher hörige Person von allen Verpflichtungen lossprach. So kündet ein Freibrief aus der Zeit um 1380: „Un 'hebben se vry, quyd, ledych ün loes ghelaten" . . . „un hebben er ghegeven erer. vryen willen, dat se sich mach wenden un keren in welke hant, in welk lant eder an welk ende dat se wil". Die so von ihren Pflichten als Eigenhörige losgesprochenen Personen hatten ihre Freibriefe bei Aufnahme in die .freie Bürgerschaft einer städtischen Kommune dem Rat der Stadt, bei Einheirat in eine eigenhörige Stätte dem neuen Grundherrn abzuliefern, um sich diesem erneut eigen zu geben.
In der familienkundlichen Literatur findet man daher den Freibrief auch als „Losbrief“ bezeichnet, obschon man sonst unter Losbriefe Entlassungsscheine, Uberweisungs-zettel eines Pfarrers für ein Pfarrkind, das in einer anderen Gemeinde eine Ehe einzugehen beabsichtigt, versteht.
Aufhebung des Leibeigentums in Westfalen
Das Hochstift Münster erließ bereits am 10.05,1770 „zu näherer Bestimmung der Leibeigenschaft und der davon abhangenden Pflichten und Rechte eine allgemeine, den Wirkungen besagter Leibeigenschaft oder Leibeigenthums Ziel und Maaß setzende Leineigenthums Ordnung“ als allgemeines Landesgesetz. Folgerichtig erließ der Kurfüst Maximilian Friederich, als Bischof von Münster (1761 -1784), am 21.09.1783 die Münsterische Erbpachtordnung, deren $184 regele: „Die Erbpächter sind persönlich frey und haben also eines Freybriefes zur Erlangung der Freyheyt nicht vonnöthen“. Die allgemeine Beseitigung der Erb- oder Gutsuntertänigkeit erfolgte schließlich durch das Steinsche Edikt vom 09.19.1807.
Freibriefe und Freibriefregister im Bereich des Fürstbistums Münster
Im Bereich des Fürstbistums Münster finden wir in Urkunden und Gerichtsakten, welche Regelungen der Eigenbehörigkeit und damit grundherrlich-bäuerlicher Verhältnisse betreffen, sehr häufig Wendungen wie: „wie es der Gewohnheit oder althergebrachtem Brauch entspricht“. Hier handelt es um Rechtsgewohnheiten oder Observanzen mit teilweise sehr unterschiedlichen und lokal abweichenden Regelegungen. In einem Herrschaftsbereich über mehrere Kirchspiele hinweg gab es durchaus unterschiedliche Bräuche und Regelungsgewohnheiten. Dies betraf nicht nur die Abwicklung eines Erbgewinns und den Wechsel in der Administration eines Erbgutes, der Festlegung des Auffahrtgeldes der einheiratenden Person in einen Hof, die Bestattung, die Abwicklung eines Versterbs (siehe Versterbbuch) und der Ermittlung des Versterbgeldes, sondern auch die Regelungen und Floskeln bei der Erteilung von Freibriefen oder der Wechselung (siehe Wechselbriefregister) von Leibeigenen zwischen zwei Grundherren.
Erste Ansätze einer grundsätzlichen Regelung im Fürstbistum Münster läßt die Münsterische Eigentumsordnung vom 10.05.1770 erkennen, obwohl diese eher einer Dokumentation bestehender Verhältnisse entspricht.
Über tausend untersuchte oder abgeschriebene Freibriefe oder Registereintragungen von Freibriefen aus dem westlichen Münsterland und dem Vest Recklinghausen beinhalten fast immer folgende Angaben:
1. Name des / der Aussteller/s als Grundherr oder im Auftrag des in der Urkunde oder im Register benannten Grundherrn
2. Name der freigelassenen Person, regelmäßig mit Angabe der leiblichen Eltern und der Angabe des entstammenden Erbhofes als Identifizierungsgrundlage
3. Das Kirchspiel in dem der Stammhof liegt
3. Die Erklärung des Verzichts auf alle Erbrechte an dem Stammhof
4. Die Höhe der an den Grundherrn abzuführenden Ablösesumme
5. Die Höhe des sofort zu zahlenden Kammergeldes als Notariatsgebühr für den Brief
6. Bei nachfolgender Eigengebung an einen anderen Grundherrn erfolgt in manchen Fällen die Angabe über den weiteren Verbleib mit Angabe des Ortes und Hofes bei Einheirat.
Beispiele aus Westfalen
- Westfälische Freibriefe Teil 1|Freibriefe aus Westfalen mit Angabe betroffener Kirchspile
- Westfälische Freibriefe Teil 2|Freibriefe aus Westfalen mit Angabe betroffener Kirchspile
Ablösung der Wechselbriefe durch Freibriefe
Da die Wechselung von Eigenbehörigen zwischen zwei Grundherren nicht immer zeitgleich erfolgte, wurde es zunehmend schwieriger, einen verbliebenen Wechselanspruch über mehrere Jahre, auch bei Besitzwechse auf der Seite eines Grundherrn, nachzuweisen. Von daher wurde der einfache Vorgang "Wechselung" zunehmend abgelöst durch die beiden Vorgänge "Freikauf" von den Verpflichtungen gegenüber dem bisherigen Grundherrn und "Eigengebung" gegenüber dem neuen Grundherrn zu bestimmten Konditionen. Bei der Eigengebung wurden dann zwar nicht die Kosten für den vorherigen Freikauf erstattet, aber die spätere kostenlose Freigebung eines Kindes vereinbart werden.
Bibliografie
- Kindlinger, N.: Geschichte der deutschen Hörigkeit insbesondere die sog. Leibeigenschaft, Berlin, 1819.
Freibriefe als Quelle für die genealogische Forschung
Freibriefe reichen häufig über den Zeitraum der erhaltenen Kirchenbücher hinaus bis in das 15. Jahrhundert hinein. Da in den Freibriefen weit überwiegend die wirklichen Geburtsnamen der Eltern neben den Hofesnamen angegeben wurden, können die Angaben auch der Klärung unterschiedlicher Namensangaben in den frühen Kirchenbüchern dienen, insbesondere bei zeitweiliger Eintragung von angeklebten Hofesnamen oder dort auf Wunsch der Väter weggelassener Angaben zu ihrer Person bei unehelichen Kindern.
In Freibriefregistern von Grundherren wurden sowohl die Daten ausgegebener Freibriefe erfaßt, als auch die Daten der durch Eigengebung erfolgte Einlieferung fremder Freibriefe zur rechtlichen Absicherung möglicher Besitzansprüche.
In den Archiven historischer Städte und deren Nachfolger, sowie den Erben der ehemaligen öffentlichen und privaten Grundherrschaften, liegen daher noch heute ganze Sammlungen solcher abgegebenen Abstammungszeugniss. Dem Familien- und Hofesgeschichtsforscher sind sie besonders in Westfalen eine wertvolle Quelle zur Klärung der infolge Namensübertragung bei Einheirat in bäuerliche Stätten nicht selten vorkommenden Unklarheit in der Abstammungslinie bzw. Besitzerfolge auf Kotten und Erben.