Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/18: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
(korrigiert) |
||
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt) | |||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
{{Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien|17|18|19| | {{Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien|17|18|19|korrigiert}} | ||
lauter seligen Engeln fühlte. So trat z.B. einmal während | |||
des Gottesdienstes ein alter, katholischer Greis, Dombrowsky | |||
lauter seligen Engeln fühlte. So trat z.B. einmal während des Gottesdienstes ein alter, katholischer Greis, Dombrowsky aus Krasna mit silberweißem Haar in den Bethsaal, und wurde von dem, was er sah und hörte, so ergriffen, daß er unwillkürlich an der Thür niederkniete und ohne ein Auge von Lindl zu verwenden, sich selbst vergessend, allmählich der Kanzel zurutschte, bis er an die Altarstufen kam. Kniend verharrte er hier, bis Lindl die Predigt mit Amen schloß und die Gemeinde aufstand. Jetzt erst wurde er gewahr, in welcher Stellung und wo er sich befand, und ganz verschämt stand er auf und trat wieder an die Thür. Von dieser Zeit gehörte er der evangelischen Kirche an. Der Sonntag wurde regelmäßig so gefeiert: Morgens früh Frühlehre, Abends Abendbetrachtung mit Gebet im Betsaale. Während der Kinderlehre versammelten sich die Leute in verschiedenen Häuser und erbauten sich in Gotteswort und gemeinschaftlichem Gebet, oder wohnten der Kinderlehre bei. Nach der Kinderlehre machte die Jugend, wenn die Witterung günstig war, vom Betsaal aus, Arm an Arm in langen Reihen, ein geistliches Lied singend, einen Spaziergang durch die Kolonie, die Jünglinge nach dieser, die Jungfrauen nach einer andren Richtung. Eine Strecke vor der Kolonie setzten sie sich im | aus Krasna mit silberweißem Haar in den Bethsaal, und wurde | ||
von dem, was er sah und hörte, so ergriffen, daß er unwillkürlich | |||
an der Thür niederkniete und ohne ein Auge von Lindl | |||
zu verwenden, sich selbst vergessend, allmählich der Kanzel zurutschte, | |||
bis er an die Altarstufen kam. Kniend verharrte er | |||
hier, bis Lindl die Predigt mit Amen schloß und die Gemeinde | |||
aufstand. Jetzt erst wurde er gewahr, in welcher Stellung | |||
und wo er sich befand, und ganz verschämt stand er auf und trat | |||
wieder an die Thür. Von dieser Zeit gehörte er der evangelischen | |||
Kirche an. Der Sonntag wurde regelmäßig so gefeiert: | |||
Morgens früh Frühlehre, um 10 Uhr Hauptgottesdienst, um | |||
2 Uhr Kinderlehre, Abends Abendbetrachtung mit Gebet im | |||
Betsaale. Während der Kinderlehre versammelten sich die Leute | |||
in verschiedenen Häuser und erbauten sich in Gotteswort und | |||
gemeinschaftlichem Gebet, oder wohnten der Kinderlehre bei. | |||
Nach der Kinderlehre machte die Jugend, wenn die Witterung | |||
günstig war, vom Betsaal aus, Arm an Arm in langen Reihen, | |||
ein geistliches Lied singend, einen Spaziergang durch die Kolonie, | |||
die Jünglinge nach dieser, die Jungfrauen nach einer | |||
andren Richtung. Eine Strecke vor der Kolonie setzten sie sich | |||
im Grünen und sangen noch einige Verse, lasen ein Kapitel, | |||
einer der ältesten sprach ein freies Gebet knieend, auf welches | |||
ein Schlußgesang folgte und alles ruhig nach Hause ging. In | |||
der Woche war jeden Tag Morgen- und Abendgebet im Betsaale. | |||
Das heilige Abendmahl feierte Lindl mit der Gemeinde | |||
einfach und in beiderlei Gestalt, wie die evangelische Kirche, | |||
nur daß er dabei manchmal auf dem schwarzen Talar | |||
ein weißes Meßkleid trug, der eingzige Gegenstand, welcher an die | |||
römisch-katholische Kirche erinnerte. Ebenso war die Taufe und | |||
Confirmation rein evangelisch und die Trauung und Begräbnisfeier | |||
ganz einfach. Die Hochzeit wurde mit einem stillen | |||
Mahle abgeschlossen. Die Grundzüge in Lindls Predigten waren | |||
Buße, Rechtfertigung allein durch den Glauben an Jesum | |||
den Gekreuzigten, Neugeburt aus dem heiligen Geist, Heiligung, | |||
Liebe, Gottseligkeit, Gebet und Bereitschaft auf die bevorstehende | |||
Wiederkunft des Herrn. Er hatte zwar eine besondere | |||
Vorliebe zum prophetischen Wort der heiligen Schrift; seine | |||
Ansicht über die baldige Wiederkunft des Herrn beruhte jedoch | |||
nicht auf eigene Meinung, sondern auf der apokalyptischen | |||
Auslegung und Berechnung Bengels, wie bei vielen Gläubigen |
Aktuelle Version vom 2. Dezember 2013, 17:08 Uhr
GenWiki - Digitale Bibliothek | |
---|---|
Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien | |
Inhalt | |
<<<Vorherige Seite [17] |
Nächste Seite>>> [19] |
Datei:Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien.djvu | |
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien | |
Texterfassung: korrigiert | |
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
|
lauter seligen Engeln fühlte. So trat z.B. einmal während
des Gottesdienstes ein alter, katholischer Greis, Dombrowsky
aus Krasna mit silberweißem Haar in den Bethsaal, und wurde
von dem, was er sah und hörte, so ergriffen, daß er unwillkürlich
an der Thür niederkniete und ohne ein Auge von Lindl
zu verwenden, sich selbst vergessend, allmählich der Kanzel zurutschte,
bis er an die Altarstufen kam. Kniend verharrte er
hier, bis Lindl die Predigt mit Amen schloß und die Gemeinde
aufstand. Jetzt erst wurde er gewahr, in welcher Stellung
und wo er sich befand, und ganz verschämt stand er auf und trat
wieder an die Thür. Von dieser Zeit gehörte er der evangelischen
Kirche an. Der Sonntag wurde regelmäßig so gefeiert:
Morgens früh Frühlehre, um 10 Uhr Hauptgottesdienst, um
2 Uhr Kinderlehre, Abends Abendbetrachtung mit Gebet im
Betsaale. Während der Kinderlehre versammelten sich die Leute
in verschiedenen Häuser und erbauten sich in Gotteswort und
gemeinschaftlichem Gebet, oder wohnten der Kinderlehre bei.
Nach der Kinderlehre machte die Jugend, wenn die Witterung
günstig war, vom Betsaal aus, Arm an Arm in langen Reihen,
ein geistliches Lied singend, einen Spaziergang durch die Kolonie,
die Jünglinge nach dieser, die Jungfrauen nach einer
andren Richtung. Eine Strecke vor der Kolonie setzten sie sich
im Grünen und sangen noch einige Verse, lasen ein Kapitel,
einer der ältesten sprach ein freies Gebet knieend, auf welches
ein Schlußgesang folgte und alles ruhig nach Hause ging. In
der Woche war jeden Tag Morgen- und Abendgebet im Betsaale.
Das heilige Abendmahl feierte Lindl mit der Gemeinde
einfach und in beiderlei Gestalt, wie die evangelische Kirche,
nur daß er dabei manchmal auf dem schwarzen Talar
ein weißes Meßkleid trug, der eingzige Gegenstand, welcher an die
römisch-katholische Kirche erinnerte. Ebenso war die Taufe und
Confirmation rein evangelisch und die Trauung und Begräbnisfeier
ganz einfach. Die Hochzeit wurde mit einem stillen
Mahle abgeschlossen. Die Grundzüge in Lindls Predigten waren
Buße, Rechtfertigung allein durch den Glauben an Jesum
den Gekreuzigten, Neugeburt aus dem heiligen Geist, Heiligung,
Liebe, Gottseligkeit, Gebet und Bereitschaft auf die bevorstehende
Wiederkunft des Herrn. Er hatte zwar eine besondere
Vorliebe zum prophetischen Wort der heiligen Schrift; seine
Ansicht über die baldige Wiederkunft des Herrn beruhte jedoch
nicht auf eigene Meinung, sondern auf der apokalyptischen
Auslegung und Berechnung Bengels, wie bei vielen Gläubigen