Handbuch der praktischen Genealogie/2/002: Unterschied zwischen den Versionen
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Bei Inanspruchnahme der Archive zu familiengeschichtlichen Zwecken möge man sich vergegenwärtigen, daß die Archive eine doppelte Aufgabe haben, einmal die Darreichung und Begutachtung archivalischen Materials für Gerichts- und Verwaltungszwecke und zum andern die Unterstützung der historischen Studien.<ref>Burkhardt, C. A. H., Hand- u. Adreßbuch der Deutschen Archive, Leipzig 1875, 2. Afl. 2 Tle. 1887.— Mitzschke, P., Wegweiser durch die Historischen Archive Thüringens, Gotha 1900. — Hettler, A., Archivalischer Almanach, Großenhain u. Leipzig, seit 1904. III. Jhg. 1910. — Hettlers „Adreßbuch der wichtigsten Archive Deutschlands" enthält keine Nachrichten über Archivbestände.</ref> In der zuletzt genannten Beziehung muß zugestanden werden, daß die wichtigeren, auf allgemeine Fragen über Staat und Gesellschaft gerichteten wissenschaftlichen Forschungen die Unterstützung der Archive in höherem Maße verdienen, als die nur auf die Geschichte einer einzelnen Familie speziell bezüglichen Arbeiten. Die Grenze, bis zu welcher der Archivar ohne Beeinträchtigung seiner höheren Aufgaben die familiengeschichtliche Forschung unterstützen kann, wird von den einzelnen Archivverwaltungen verschieden gezogen,<ref>Vgl. meine Schriften „Archivwesen und Geschichtswissenschaft", Marburg | {{NE}}Bei Inanspruchnahme der Archive zu familiengeschichtlichen Zwecken möge man sich vergegenwärtigen, daß die Archive eine doppelte Aufgabe haben, einmal die Darreichung und Begutachtung archivalischen Materials für Gerichts- und Verwaltungszwecke und zum andern die Unterstützung der historischen Studien.<ref>''Burkhardt, C. A. H.'', Hand- u. Adreßbuch der Deutschen Archive, Leipzig 1875, 2. Afl. 2 Tle. 1887.— ''Mitzschke, P.'', Wegweiser durch die Historischen Archive Thüringens, Gotha 1900. — ''Hettler, A.'', Archivalischer Almanach, Großenhain u. Leipzig, seit 1904. III. Jhg. 1910. — Hettlers „Adreßbuch der wichtigsten Archive Deutschlands" enthält keine Nachrichten über Archivbestände.</ref> In der zuletzt genannten Beziehung muß zugestanden werden, daß die wichtigeren, auf allgemeine Fragen über Staat und Gesellschaft gerichteten wissenschaftlichen Forschungen die Unterstützung der Archive in höherem Maße verdienen, als die nur auf die Geschichte einer einzelnen Familie speziell bezüglichen Arbeiten. Die Grenze, bis zu welcher der Archivar ohne Beeinträchtigung seiner höheren Aufgaben die familiengeschichtliche Forschung unterstützen kann, wird von den einzelnen Archivverwaltungen verschieden gezogen,<ref>Vgl. ''meine'' Schriften „Archivwesen und Geschichtswissenschaft", Marburg 1900, und „Die Bedeutung der Stadtarchive, ihre Einrichtung und Verwaltung", Erfurt 1901. — ''Löher, F. v.'', Archivlehre, Paderborn 1890 (über dieses Werk vgl. HZ 68,182).— ''Ermisch, H.'', „Über Staats- und Stadtarchive", Freiberg 1882 (in den Verhandlungen des dortigen Städtetages).— ''Holtzinger, Georg'', Katechismus der Registratur- und Archivkunde, Leipzig 1883. — ''Muller-Feith-Fruin'', Handleiding voor het Ordenen en Beschrijven van Archieven, Groningen 1898; Anleitung zum Ordnen und Beschreiben von Archiven von Dr. S. Müller Fz., Dr. J. A. Feith und Dr. R. Fruin, Th. Az., Direktoren der Staatsarchive in Utrecht, Groningen und Middelburg. Für deutsche Archivare bearbeitet von ''Dr. Hans Kaiser''. Mit einem Vorwort von ''Wilh. Wiegand''. Leipzig 1905; die französische Bearbeitung erschien unter dem Titel „Manuel pour le classement et la description des Archives" (Haag 1910), für die belgischen Archive von ''Cuvelier'', Brüssel, für die französischen von ''H. Stein'', Paris, bearbeitet; vgl. P. B[ailleu], KGV 1906, Sp. 96. 97.</ref> der Familienforscher hat in jedem Falle sich nach den bestehenden Benutzungsordnungen der Archive<ref>''Overmann'', Die Benutzung der Archive durch die genealogische Forschung, KGV 1905, 451 ff. berichtet diesbezüglich: „Ich habe vor einiger Zeit bei zahlreichen Archiven, vor allem bei städtischen, angefragt, wie ihre Praxis derartigen (d. i. genealogischen) Wünschen gegenüber sei. Ich kann hier natürlich auf die in liebenswürdigster Weise mir erteilten Antworten im einzelnen nicht eingehen. Nur das Gesamtresultat interessiert uns. Und da hätte ich allerdings nicht erwartet, in der Behandlung brieflicher Anfragen betreffs Familienforschung bei den deutschen Archivaren eine so große Verschiedenheit zu finden, wie sie in der Tat besteht. Es gibt Archive, die sich auf Erledigung derartiger Anfragen überhaupt nicht einlassen, sondern einfach antworten: Komm selbst; wenn nicht, erhältst du auch keine Auskunft. Es gibt aber auch Archive, die beinahe geneigt sind, die Erledigung auch umfangreicherer familiengeschichtlicher Nachforschungen als einen Teil ihrer Amtspflichten anzusehen. Es gibt dann Archive, die für diese Arbeiten eine außerhalb des Archivs stehende geeignete Persönlichkeit an der Hand haben, die gegen Honorar sehr gern die Nachforschung übernimmt. Am verbreitetsten scheint freilich die Praxis zu sein, die, soviel ich weiß, bei den meisten preußischen Staatsarchiven gehandhabt wird. Das Archiv verwendet auf die Erledigung derartiger Anfragen eine bestimmte, knapp bemessene Zahl von Dienststunden; jede darüber hinausgehende Nachforschung kann nur dann erledigt werden, wenn einer der Archivbeamten sich bereit erklärt, die Arbeit außerhalb der Dienststunden gegen ein Honorar von drei Mark für die Stunde zu übernehmen. Das Honorar ist dem Archiv einzusenden und wird durch den Vorstand desselben dem betreffenden Beamten ausgehändigt." Der „Thüringer Archivtag", d. i. die Vereinigung der thüringischen Archivare, hat (vgl. KGV 1908, 409) als Resolution folgenden Satz angenommen, nach dem an allen Thüringer Archiven in Zukunft verfahren werden soll: „Familiengeschichtliche Forschungen werden von den Archivbeamten nur gegen Entgelt außerhalb der Dienststunden erledigt. Die Arbeitsstunde wird mit 3 M. berechnet." Dänemark und Norwegen stellen sich den familiengeschichtlichen Studien gegenüber freundlicher als Deutschland. Den Bemerkungen des Reichsarchivdirektors Dr. ''Secher'' in Kopenhagen KGV 1908, 457 ff. entnehme ich diesbezüglich folgende Sätze: „Zunächst mag betont werden, daß das Studium der Genealogie bürgerlicher Familien bei uns ein sehr altes ist. Schon in den Jahren 1779 bis 1786 veröffentlichte der Kantor am Dom zu Roskilde, Christopher Giessing, seine vier starken Quartbände mit Biographien und umfassenden Stammbäumen vieler ,dänischer, norwegischer und isländischer Jubellehrer', Männer der Kirche und Schule, die ihr 50. Amtsjahr erlebt hatten. In seiner Vorrede zum ersten Bande bezeichnet Giessing denjenigen als „bäuerisch, ja gemein", der nicht mehr von seinen Vorfahren weiß als die Namen von Vater und Mutter. Von dem sagt er: ,Misere senescit qui se nescit.' Der Bischof Bloch und der Pastor Näraae gaben 1787 bis 1789 die Pastorengeschichte des Stifts Fünen heraus. Das sechsbändige Autorenlexikon von Th. H. Erslew von 1814 bis 1853, in den Jahren 1843 bis 1864 erschienen, ist eine Fundgrube von personenhistorischem und genealogischem Material. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen die vielen Stammbäume des Louis Lengnick heraus, die ausgezeichneten Arbeiten des Fr. Barford und Immanuel Barford über Pastorengeschichte; später die das ganze Dänemark umfassende Pastorengeschichte des Pastors S. V. Wiberg, um nur einige Hauptwerke zu nennen. Darauf wurde aber 1879 die „Gesellschaft für dänisch-norwegische Genealogie und Personengeschichte" gebildet, die eine jetzt 5 Serien und 27 Bände umfassende Zeitschrift herausgegeben hat. In dieser sind sehr viele Stammbäume und anderes personengeschichtliches Material, auch personenhistorische Abhandlungen mitgeteilt worden, und dadurch ist ein großer Einfluß auf die Bearbeitung der Personen- und Familiengeschichte überhaupt ausgeübt worden. In Dänemark sowohl als in Norwegen ist in den letzten 25 Jahren eine Unzahl von teilweise mit Bildern reich gezierten, ausgezeichnet gearbeiteten Familiengeschichten und Stammbäumen erschienen. Dieses Resultat, diese reiche Produktion, ganz besonders auf dem Gebiete der ''bürgerlichen'' Familien- und Personengeschichte ist nur erreicht worden durch die Liberalität und das Entgegenkommen, dessen die Personenforschung sich in den letzten 50 Jahren bei unseren wechselnden Archivverwaltungen zu erfreuen gehabt hat. Es gibt bei uns keine Fälscher von Stammbäumen, obgleich es bei uns Männer wie Frauen gibt, welche die Beschäftigung mit Personengeschichte und das Ausarbeiten von Stammbäumen und Familiengeschichten gegen Honorar als Beruf gewählt haben. Ob nun die Forscher von Familiengeschichte ihre Studien aus Liebhaberei oder als Beruf treiben, ob sie Ausländer oder Einheimische sind, hat für unsere Archivverwaltungen keinen Unterschied gemacht. Jeder ernste und gewissenhafte Forscher der Personen- und Familiengeschichte genießt bei uns dieselbe Unterstützung und erhält die nötigen Anleitungen in gleicher Weise wie jeder andere Geschichtsforscher, und von Nachweis irgend eines rechtlichen Interesses ist durchaus keine Rede.... Es wird auch nie bei uns verlangt, daß der Genealoge die Erlaubnis der betreffenden Familie, sich mit ihrer Geschichte beschäftigen zu dürfen, vorzeigen muß. Daraus ist bei uns niemals irgend ein Übel erstanden, und ich sehe nicht ein, daß ein solches Verlangen seitens einer Archivverwaltung gestellt werden muß. Gegen unpassende, die Interessen einer Familie schädigende Publikationen schützt das Strafgesetz genügend, und selbstverständlich werden z. B. Kriminalakten u. dgl. nicht dem ersten besten vorgelegt. Die Benutzung aller für seine Zwecke verwendbaren Fonds, insofern sie überhaupt zugänglich sind, steht daher dem Genealogen frei. Dieses gilt natürlich insbesondere von den Kirchenbüchern, die jetzt in unseren Landesarchiven gesammelt sind. (Abgegeben sind alle Kirchenbücher bis etwa 1814; ferner von den Landgemeinden das von den Küstern geführte Exemplar bis 1891 inklusive; von den Stadtgemeinden des Küsters Exemplar, wenn 30 Jahre vergangen sind, nachdem ein Band ausgeschrieben ist.) Ebenso von den für Kultur- und Familiengeschichte so ungemein wichtigen Akten der Nachlaßbehandlung. Aber auch die handschriftlichen personenhistorischen und genealogischen Sammlungen unserer Archive dürfen nach Belieben ausgenutzt werden. Ich nenne u. a. die großen handschriftlichen Sammlungen zur dänisch-norwegischen Adelsgeschichte von Klevenfeld, Benzon u. a.; die 77 Quartbände umfassenden mit Registern über Familiennamen versehenen Auszüge des obengenannten Lengnick aus einem großen Teil der dänischen Kirchenbücher vor 1814; der übrige handschriftliche Nachlaß dieses Genealogen und des die Personengeschichte der Gymnasiallehrer besonders bearbeitenden Professors F. Hundrups; die Sammlungen der gewesenen genealogisch-biographischen Gesellschaft und die des früheren historisch-genealogischen Archivs des Königl. Ordenskapitels, die sich jetzt alle in unserem Reichsarchiv befinden. ... Die norwegische Archivverwaltung stellt sich gegenüber der | ||
1900, und „Die Bedeutung der Stadtarchive, ihre Einrichtung und Verwaltung", Erfurt | Familiengeschichtsforschung wie die dänische, und wenn wir in Dänemark und Norwegen keine Genealogenschwindler haben, wird die Ursache eben die sein, daß das überhaupt zugängliche genealogische und biographische Material in den Archiven für alle benutzbar ist und daß keiner je verhindert worden ist, sich fachmännisch und berufsmäßig mit genealogischen Untersuchungen zu beschäftigen. ... Aus dem Angeführten folgt weiter, daß der mir gegenüber gemachte Einwand nicht haltbar ist, daß die Genealogie der ganz privaten Familien keinen anderen als die Familienmitglieder selbst angeht, und daß die Archivare deshalb zu überwachen haben, daß nicht Unbefugten eine Einsicht in die genealogischen Verhältnisse einer Familie gestattet werde. Selbstverständlich müssen die Archivare darauf aufmerksam sein, daß Akten nicht vorgelegt werden, durch deren Benutzung jetzt lebende Privatpersonen in ihren berechtigten Interessen gekränkt werden können, aber weiter kann keine Verpflichtung der Archivare gehen, und ein Interesse, das darauf ausginge, daß die Genealogie ihrer Vorfahren nicht erforscht und für historische oder kulturhistorische Zwecke nicht ausgenutzt werden dürfe, kann einer bürgerlichen Familie nicht mehr zuerkannt werden als den königlichen, fürstlichen und adeligen Geschlechtern, mit deren Familienverhältnissen sich alle Welt beschäftigt. Es ist nicht zu bestreiten, daß alle Wahrzeichen darauf hinausgehen, daß in den kommenden Jahren die Bearbeitung auch der Geschichte bürgerlicher Familien in Deutschland einen großen Aufschwung gewinnen wird. Man wird sich aber nicht mit nackten Stammbäumen begnügen; man wird auch Biographisches von seinen Vorfahren zusammenzubringen suchen. Man wird streben, in dieser Richtung ebensoweit zu kommen, wie man jetzt in Dänemark und Norwegen gelangt ist." In den kritischen Bemerkungen, die der Leiter des Hamburger Staatsarchivs, Senatssekretär Dr. Hagedorn, an Sechers Ausführungen KSV 1909, 478 ff. geknüpft hat, wird die im Hamburger Staatsarchiv geltende Bestimmung zugegeben, „daß die im Staatsarchiv über einzelne Familien vorhandenen Aufzeichnungen und Zusammenstellungen nur solchen Personen vorgelegt werden, die ihre Zugehörigkeit zu der betreffenden Familie nachgewiesen oder dargetan haben, daß sie an der Mitteilung ein Interesse haben". Darin liegt eine schwere Beeinträchtigung der Familienforschung, vgl. ''Niedner'' im Neuen Sächsischen Kirchenbl. 1909, Nr. 17; ''[[Ernst Devrient|Devrient]]'' ZPF 4; ''Grove'', Arkiver og Genealoger in der Personalhistorisk Tidskrift, 5. Serie, Bd. 6. Gegen die allgemeine Offenlegung der Kirchenbücher spricht sich Dr. J. F. V. aus im Hamburgischen Korrespondenten, Morgenausgabe vom 2. Mai 1909, Nr. 220. Die Ansichten der deutschen Archivare über die Grenzen, bis zu denen sie die genealogischen Studien unterstützen sollen, sind noch immer geteilt; vgl. auch die diesbezügliche Debatte auf dem Archivtag in Worms KGV 1909, 487.</ref> zu richten. <noinclude> | ||
1901. — Löher, F. v., Archivlehre, Paderborn 1890 (über dieses Werk vgl. HZ 68,182).— Ermisch, H., „Über Staats- und Stadtarchive", Freiberg 1882 (in den Verhandlungen des dortigen Städtetages).— Holtzinger, Georg, Katechismus der Registratur- und Archivkunde, Leipzig 1883. — Muller-Feith-Fruin, Handleiding voor het Ordenen en Beschrijven van Archieven, Groningen 1898; Anleitung zum Ordnen und Beschreiben von Archiven von Dr. S. Müller Fz., Dr. J. A. Feith und Dr. R. Fruin, Th. Az., Direktoren der Staatsarchive in Utrecht, Groningen und Middelburg. Für deutsche Archivare bearbeitet von Dr. Hans Kaiser. Mit einem Vorwort von Wilh. Wiegand. Leipzig 1905; die französische Bearbeitung erschien unter dem Titel „Manuel pour le | |||
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soweit sie nicht in abgeleiteter Form oder aushilfsweise in Betracht kommen, in den historischen Archiven.
Bei Inanspruchnahme der Archive zu familiengeschichtlichen Zwecken möge man sich vergegenwärtigen, daß die Archive eine doppelte Aufgabe haben, einmal die Darreichung und Begutachtung archivalischen Materials für Gerichts- und Verwaltungszwecke und zum andern die Unterstützung der historischen Studien.[1] In der zuletzt genannten Beziehung muß zugestanden werden, daß die wichtigeren, auf allgemeine Fragen über Staat und Gesellschaft gerichteten wissenschaftlichen Forschungen die Unterstützung der Archive in höherem Maße verdienen, als die nur auf die Geschichte einer einzelnen Familie speziell bezüglichen Arbeiten. Die Grenze, bis zu welcher der Archivar ohne Beeinträchtigung seiner höheren Aufgaben die familiengeschichtliche Forschung unterstützen kann, wird von den einzelnen Archivverwaltungen verschieden gezogen,[2] der Familienforscher hat in jedem Falle sich nach den bestehenden Benutzungsordnungen der Archive[3] zu richten.
- ↑ Burkhardt, C. A. H., Hand- u. Adreßbuch der Deutschen Archive, Leipzig 1875, 2. Afl. 2 Tle. 1887.— Mitzschke, P., Wegweiser durch die Historischen Archive Thüringens, Gotha 1900. — Hettler, A., Archivalischer Almanach, Großenhain u. Leipzig, seit 1904. III. Jhg. 1910. — Hettlers „Adreßbuch der wichtigsten Archive Deutschlands" enthält keine Nachrichten über Archivbestände.
- ↑ Vgl. meine Schriften „Archivwesen und Geschichtswissenschaft", Marburg 1900, und „Die Bedeutung der Stadtarchive, ihre Einrichtung und Verwaltung", Erfurt 1901. — Löher, F. v., Archivlehre, Paderborn 1890 (über dieses Werk vgl. HZ 68,182).— Ermisch, H., „Über Staats- und Stadtarchive", Freiberg 1882 (in den Verhandlungen des dortigen Städtetages).— Holtzinger, Georg, Katechismus der Registratur- und Archivkunde, Leipzig 1883. — Muller-Feith-Fruin, Handleiding voor het Ordenen en Beschrijven van Archieven, Groningen 1898; Anleitung zum Ordnen und Beschreiben von Archiven von Dr. S. Müller Fz., Dr. J. A. Feith und Dr. R. Fruin, Th. Az., Direktoren der Staatsarchive in Utrecht, Groningen und Middelburg. Für deutsche Archivare bearbeitet von Dr. Hans Kaiser. Mit einem Vorwort von Wilh. Wiegand. Leipzig 1905; die französische Bearbeitung erschien unter dem Titel „Manuel pour le classement et la description des Archives" (Haag 1910), für die belgischen Archive von Cuvelier, Brüssel, für die französischen von H. Stein, Paris, bearbeitet; vgl. P. B[ailleu], KGV 1906, Sp. 96. 97.
- ↑ Overmann, Die Benutzung der Archive durch die genealogische Forschung, KGV 1905, 451 ff. berichtet diesbezüglich: „Ich habe vor einiger Zeit bei zahlreichen Archiven, vor allem bei städtischen, angefragt, wie ihre Praxis derartigen (d. i. genealogischen) Wünschen gegenüber sei. Ich kann hier natürlich auf die in liebenswürdigster Weise mir erteilten Antworten im einzelnen nicht eingehen. Nur das Gesamtresultat interessiert uns. Und da hätte ich allerdings nicht erwartet, in der Behandlung brieflicher Anfragen betreffs Familienforschung bei den deutschen Archivaren eine so große Verschiedenheit zu finden, wie sie in der Tat besteht. Es gibt Archive, die sich auf Erledigung derartiger Anfragen überhaupt nicht einlassen, sondern einfach antworten: Komm selbst; wenn nicht, erhältst du auch keine Auskunft. Es gibt aber auch Archive, die beinahe geneigt sind, die Erledigung auch umfangreicherer familiengeschichtlicher Nachforschungen als einen Teil ihrer Amtspflichten anzusehen. Es gibt dann Archive, die für diese Arbeiten eine außerhalb des Archivs stehende geeignete Persönlichkeit an der Hand haben, die gegen Honorar sehr gern die Nachforschung übernimmt. Am verbreitetsten scheint freilich die Praxis zu sein, die, soviel ich weiß, bei den meisten preußischen Staatsarchiven gehandhabt wird. Das Archiv verwendet auf die Erledigung derartiger Anfragen eine bestimmte, knapp bemessene Zahl von Dienststunden; jede darüber hinausgehende Nachforschung kann nur dann erledigt werden, wenn einer der Archivbeamten sich bereit erklärt, die Arbeit außerhalb der Dienststunden gegen ein Honorar von drei Mark für die Stunde zu übernehmen. Das Honorar ist dem Archiv einzusenden und wird durch den Vorstand desselben dem betreffenden Beamten ausgehändigt." Der „Thüringer Archivtag", d. i. die Vereinigung der thüringischen Archivare, hat (vgl. KGV 1908, 409) als Resolution folgenden Satz angenommen, nach dem an allen Thüringer Archiven in Zukunft verfahren werden soll: „Familiengeschichtliche Forschungen werden von den Archivbeamten nur gegen Entgelt außerhalb der Dienststunden erledigt. Die Arbeitsstunde wird mit 3 M. berechnet." Dänemark und Norwegen stellen sich den familiengeschichtlichen Studien gegenüber freundlicher als Deutschland. Den Bemerkungen des Reichsarchivdirektors Dr. Secher in Kopenhagen KGV 1908, 457 ff. entnehme ich diesbezüglich folgende Sätze: „Zunächst mag betont werden, daß das Studium der Genealogie bürgerlicher Familien bei uns ein sehr altes ist. Schon in den Jahren 1779 bis 1786 veröffentlichte der Kantor am Dom zu Roskilde, Christopher Giessing, seine vier starken Quartbände mit Biographien und umfassenden Stammbäumen vieler ,dänischer, norwegischer und isländischer Jubellehrer', Männer der Kirche und Schule, die ihr 50. Amtsjahr erlebt hatten. In seiner Vorrede zum ersten Bande bezeichnet Giessing denjenigen als „bäuerisch, ja gemein", der nicht mehr von seinen Vorfahren weiß als die Namen von Vater und Mutter. Von dem sagt er: ,Misere senescit qui se nescit.' Der Bischof Bloch und der Pastor Näraae gaben 1787 bis 1789 die Pastorengeschichte des Stifts Fünen heraus. Das sechsbändige Autorenlexikon von Th. H. Erslew von 1814 bis 1853, in den Jahren 1843 bis 1864 erschienen, ist eine Fundgrube von personenhistorischem und genealogischem Material. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts kamen die vielen Stammbäume des Louis Lengnick heraus, die ausgezeichneten Arbeiten des Fr. Barford und Immanuel Barford über Pastorengeschichte; später die das ganze Dänemark umfassende Pastorengeschichte des Pastors S. V. Wiberg, um nur einige Hauptwerke zu nennen. Darauf wurde aber 1879 die „Gesellschaft für dänisch-norwegische Genealogie und Personengeschichte" gebildet, die eine jetzt 5 Serien und 27 Bände umfassende Zeitschrift herausgegeben hat. In dieser sind sehr viele Stammbäume und anderes personengeschichtliches Material, auch personenhistorische Abhandlungen mitgeteilt worden, und dadurch ist ein großer Einfluß auf die Bearbeitung der Personen- und Familiengeschichte überhaupt ausgeübt worden. In Dänemark sowohl als in Norwegen ist in den letzten 25 Jahren eine Unzahl von teilweise mit Bildern reich gezierten, ausgezeichnet gearbeiteten Familiengeschichten und Stammbäumen erschienen. Dieses Resultat, diese reiche Produktion, ganz besonders auf dem Gebiete der bürgerlichen Familien- und Personengeschichte ist nur erreicht worden durch die Liberalität und das Entgegenkommen, dessen die Personenforschung sich in den letzten 50 Jahren bei unseren wechselnden Archivverwaltungen zu erfreuen gehabt hat. Es gibt bei uns keine Fälscher von Stammbäumen, obgleich es bei uns Männer wie Frauen gibt, welche die Beschäftigung mit Personengeschichte und das Ausarbeiten von Stammbäumen und Familiengeschichten gegen Honorar als Beruf gewählt haben. Ob nun die Forscher von Familiengeschichte ihre Studien aus Liebhaberei oder als Beruf treiben, ob sie Ausländer oder Einheimische sind, hat für unsere Archivverwaltungen keinen Unterschied gemacht. Jeder ernste und gewissenhafte Forscher der Personen- und Familiengeschichte genießt bei uns dieselbe Unterstützung und erhält die nötigen Anleitungen in gleicher Weise wie jeder andere Geschichtsforscher, und von Nachweis irgend eines rechtlichen Interesses ist durchaus keine Rede.... Es wird auch nie bei uns verlangt, daß der Genealoge die Erlaubnis der betreffenden Familie, sich mit ihrer Geschichte beschäftigen zu dürfen, vorzeigen muß. Daraus ist bei uns niemals irgend ein Übel erstanden, und ich sehe nicht ein, daß ein solches Verlangen seitens einer Archivverwaltung gestellt werden muß. Gegen unpassende, die Interessen einer Familie schädigende Publikationen schützt das Strafgesetz genügend, und selbstverständlich werden z. B. Kriminalakten u. dgl. nicht dem ersten besten vorgelegt. Die Benutzung aller für seine Zwecke verwendbaren Fonds, insofern sie überhaupt zugänglich sind, steht daher dem Genealogen frei. Dieses gilt natürlich insbesondere von den Kirchenbüchern, die jetzt in unseren Landesarchiven gesammelt sind. (Abgegeben sind alle Kirchenbücher bis etwa 1814; ferner von den Landgemeinden das von den Küstern geführte Exemplar bis 1891 inklusive; von den Stadtgemeinden des Küsters Exemplar, wenn 30 Jahre vergangen sind, nachdem ein Band ausgeschrieben ist.) Ebenso von den für Kultur- und Familiengeschichte so ungemein wichtigen Akten der Nachlaßbehandlung. Aber auch die handschriftlichen personenhistorischen und genealogischen Sammlungen unserer Archive dürfen nach Belieben ausgenutzt werden. Ich nenne u. a. die großen handschriftlichen Sammlungen zur dänisch-norwegischen Adelsgeschichte von Klevenfeld, Benzon u. a.; die 77 Quartbände umfassenden mit Registern über Familiennamen versehenen Auszüge des obengenannten Lengnick aus einem großen Teil der dänischen Kirchenbücher vor 1814; der übrige handschriftliche Nachlaß dieses Genealogen und des die Personengeschichte der Gymnasiallehrer besonders bearbeitenden Professors F. Hundrups; die Sammlungen der gewesenen genealogisch-biographischen Gesellschaft und die des früheren historisch-genealogischen Archivs des Königl. Ordenskapitels, die sich jetzt alle in unserem Reichsarchiv befinden. ... Die norwegische Archivverwaltung stellt sich gegenüber der Familiengeschichtsforschung wie die dänische, und wenn wir in Dänemark und Norwegen keine Genealogenschwindler haben, wird die Ursache eben die sein, daß das überhaupt zugängliche genealogische und biographische Material in den Archiven für alle benutzbar ist und daß keiner je verhindert worden ist, sich fachmännisch und berufsmäßig mit genealogischen Untersuchungen zu beschäftigen. ... Aus dem Angeführten folgt weiter, daß der mir gegenüber gemachte Einwand nicht haltbar ist, daß die Genealogie der ganz privaten Familien keinen anderen als die Familienmitglieder selbst angeht, und daß die Archivare deshalb zu überwachen haben, daß nicht Unbefugten eine Einsicht in die genealogischen Verhältnisse einer Familie gestattet werde. Selbstverständlich müssen die Archivare darauf aufmerksam sein, daß Akten nicht vorgelegt werden, durch deren Benutzung jetzt lebende Privatpersonen in ihren berechtigten Interessen gekränkt werden können, aber weiter kann keine Verpflichtung der Archivare gehen, und ein Interesse, das darauf ausginge, daß die Genealogie ihrer Vorfahren nicht erforscht und für historische oder kulturhistorische Zwecke nicht ausgenutzt werden dürfe, kann einer bürgerlichen Familie nicht mehr zuerkannt werden als den königlichen, fürstlichen und adeligen Geschlechtern, mit deren Familienverhältnissen sich alle Welt beschäftigt. Es ist nicht zu bestreiten, daß alle Wahrzeichen darauf hinausgehen, daß in den kommenden Jahren die Bearbeitung auch der Geschichte bürgerlicher Familien in Deutschland einen großen Aufschwung gewinnen wird. Man wird sich aber nicht mit nackten Stammbäumen begnügen; man wird auch Biographisches von seinen Vorfahren zusammenzubringen suchen. Man wird streben, in dieser Richtung ebensoweit zu kommen, wie man jetzt in Dänemark und Norwegen gelangt ist." In den kritischen Bemerkungen, die der Leiter des Hamburger Staatsarchivs, Senatssekretär Dr. Hagedorn, an Sechers Ausführungen KSV 1909, 478 ff. geknüpft hat, wird die im Hamburger Staatsarchiv geltende Bestimmung zugegeben, „daß die im Staatsarchiv über einzelne Familien vorhandenen Aufzeichnungen und Zusammenstellungen nur solchen Personen vorgelegt werden, die ihre Zugehörigkeit zu der betreffenden Familie nachgewiesen oder dargetan haben, daß sie an der Mitteilung ein Interesse haben". Darin liegt eine schwere Beeinträchtigung der Familienforschung, vgl. Niedner im Neuen Sächsischen Kirchenbl. 1909, Nr. 17; Devrient ZPF 4; Grove, Arkiver og Genealoger in der Personalhistorisk Tidskrift, 5. Serie, Bd. 6. Gegen die allgemeine Offenlegung der Kirchenbücher spricht sich Dr. J. F. V. aus im Hamburgischen Korrespondenten, Morgenausgabe vom 2. Mai 1909, Nr. 220. Die Ansichten der deutschen Archivare über die Grenzen, bis zu denen sie die genealogischen Studien unterstützen sollen, sind noch immer geteilt; vgl. auch die diesbezügliche Debatte auf dem Archivtag in Worms KGV 1909, 487.