Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/15: Unterschied zwischen den Versionen

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wurden gehörig entrichtet. Oft kamen die Leute so betrunken
zur Trauung, daß einzelne das Bethaus durch Erbrechen verunreinigten.
Zufällig wohnte ich einmal einer Trauung im
Arciser Bethaus bei, wo die Hochzeitsleute alle betrunken
waren, namentlich der Bräutigam in solchem Grade, daß er
zwei Mal vor dem Altare umfiel, von seinen Gesellen aufgehoben,
zwei Mal hinausgebracht und wieder hereingeführt,
neben seine Braut gestellt werden mußte. Die vor dem Altare
allein stehende Braut - das arme Mädchen! - weinte bitterlich,
und der Pastor machte, während der Bräutigam abwesend
war, in seiner Traurede eine Pause, bis Letzterer wieder
dastand, und vollzog die Trauung ohne ein Wort der Rüge
über solchen Gräuel zu sagen. Ein ander Mal kam ich zufällig
zu einer Taufhandlung, bei welcher ein trunkener Taufzeuge
auf die nach der würtembergischen Agende an ihn gestellte
Frage: „widersagst du dem Teufel“ u.s.w. antwortete: „ich
glaube;“ und auf die zweite Frage: „glaubest du an Gott
Vater“ u.s.w anwortete: „ich widersage.“ Er wurde von
dem Schullehrer, der die Taufe verrichtete, fortgeschafft. Gewöhnlich
begleiteten die zur hochzeitlichen Tanzmusik bestellten
Geiger und Pfeifer die Brautpaare zur Trauung, gingen mit
in das Bethaus, fiedelten und dudelten, so gut es eben ging,
die bei der Trauung vorkommenden Traulieder nach, und ich
sah den Pastor, als ein vom Altare zurückkehrendes Brautpaar
von ihnen an der Bethausthür mit einem lustigen Walzer begrüßt
wurde, lachen, indem er sagte: „denen wird die Freude
eingetrichtert.“ Sehr ungünstig zur Weckung und Förderung
eines christlichen Lebens war es, daß die vielen, obwohl in zwei
Kirchspiele getheilten Kolonien lange Zeit nur Einen, und dazu
ungläubigen Pastor hatten. 1815 schickte die Regierung den
Pastor Sch. nach Tarutino, ein herablassender, freundlicher
und rechtlich gesinnter Tugendprediger, der sich der Kolonisten
sehr annahm, aber schon 1820 starb. Kurz vor Sch's Tode
kam Pastor Wl. nach Arcis, ein großer, schlanker und sehr
gelehrter Mann, der sein in sehr hoher Sprache verfaßtes
Predigt-Manuskript mit beinahe geschlossenen Augen, mit
tiefster Baßstimme und im aller langsamsten Zeitmaße (eine Sylbe
per Sekunde) vortrug, so daß seine ungelehrten Zuhörer sehr
wenig aus seinen Vorträgen fassen und behalten konnten. Er
selbst bekannte einmal: „ich glaube nicht, daß diese Leute
meine Predigten verstehen.“ Im Umgang sprach er ziemlich

Aktuelle Version vom 1. Dezember 2013, 18:02 Uhr

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Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien
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Acta genommen worden, aber Scheidekosten und Traugebühr wurden gehörig entrichtet. Oft kamen die Leute so betrunken zur Trauung, daß einzelne das Bethaus durch Erbrechen verunreinigten. Zufällig wohnte ich einmal einer Trauung im Arciser Bethaus bei, wo die Hochzeitsleute alle betrunken waren, namentlich der Bräutigam in solchem Grade, daß er zwei Mal vor dem Altare umfiel, von seinen Gesellen aufgehoben, zwei Mal hinausgebracht und wieder hereingeführt, neben seine Braut gestellt werden mußte. Die vor dem Altare allein stehende Braut - das arme Mädchen! - weinte bitterlich, und der Pastor machte, während der Bräutigam abwesend war, in seiner Traurede eine Pause, bis Letzterer wieder dastand, und vollzog die Trauung ohne ein Wort der Rüge über solchen Gräuel zu sagen. Ein ander Mal kam ich zufällig zu einer Taufhandlung, bei welcher ein trunkener Taufzeuge auf die nach der würtembergischen Agende an ihn gestellte Frage: „widersagst du dem Teufel“ u.s.w. antwortete: „ich glaube;“ und auf die zweite Frage: „glaubest du an Gott Vater“ u.s.w anwortete: „ich widersage.“ Er wurde von dem Schullehrer, der die Taufe verrichtete, fortgeschafft. Gewöhnlich begleiteten die zur hochzeitlichen Tanzmusik bestellten Geiger und Pfeifer die Brautpaare zur Trauung, gingen mit in das Bethaus, fiedelten und dudelten, so gut es eben ging, die bei der Trauung vorkommenden Traulieder nach, und ich sah den Pastor, als ein vom Altare zurückkehrendes Brautpaar von ihnen an der Bethausthür mit einem lustigen Walzer begrüßt wurde, lachen, indem er sagte: „denen wird die Freude eingetrichtert.“ Sehr ungünstig zur Weckung und Förderung eines christlichen Lebens war es, daß die vielen, obwohl in zwei Kirchspiele getheilten Kolonien lange Zeit nur Einen, und dazu ungläubigen Pastor hatten. 1815 schickte die Regierung den Pastor Sch. nach Tarutino, ein herablassender, freundlicher und rechtlich gesinnter Tugendprediger, der sich der Kolonisten sehr annahm, aber schon 1820 starb. Kurz vor Sch's Tode kam Pastor Wl. nach Arcis, ein großer, schlanker und sehr gelehrter Mann, der sein in sehr hoher Sprache verfaßtes Predigt-Manuskript mit beinahe geschlossenen Augen, mit tiefster Baßstimme und im aller langsamsten Zeitmaße (eine Sylbe per Sekunde) vortrug, so daß seine ungelehrten Zuhörer sehr wenig aus seinen Vorträgen fassen und behalten konnten. Er selbst bekannte einmal: „ich glaube nicht, daß diese Leute meine Predigten verstehen.“ Im Umgang sprach er ziemlich