Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/027: Unterschied zwischen den Versionen
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dem Art. 19 der „Regeln“ von 1871, laut welchem diejenigen Ansiedlergemeinden, welche keine Grundstücke privaten Besitzes eingeführt, „das Land benutzen und über dasselbe schalten können nach Gutdünken,“ folglich bei derjenigen, vom Colonial-Ustaw eingeführten und von der früheren Regierung stets beschützten Ordnung verbleiben dürfen, bei welcher es verboten ist, die Landangelegenheiten der Ansiedler auf Kronsland in den Gerichten zu verhandeln. | |||
Hätte die Cherson'sche Gouvernementsbehörde in der Sache {{Sperrschrift|Bietz}} die dunkeln Worte des Kandeser Besitztitels von dem Befinden der hofweise erblichen Ländereien „in Gemeindeverwaltung“ beachtet, sich nach dem thatsächlichen Landbesitz der Colonien erkundigt und sich gehalten an diejenigen Gesetzesgrundlagen, auf denen diese Art Landbesitz entstand, erstreckte und nun schon beinahe ein Jahrhundert (in den Chortizer Colonien schon über 110 Jahre) zu Recht besteht, so hätten sowohl Gouvernementsbehörde wie Senat, welch letzterer augenscheinlich von der wirklichen Art des Landbesitzes der Ansiedler im Süden nicht genau berichtet ist, denke ich, nicht umhin können zu entscheiden, daß die Angelegenheit {{Sperrschrift|Bietz}} ihrem ganzen Inhalte nach, auch in Bezug auf die Landstücke Einzelnutznießung, vor die Gemeinde gehöre. | |||
Trotz aller Beweiskraft der vorstehenden gesetzlichen Gründe finde ich zur völligen Beleuchtung der Sache für nöthig, dem Ministerium noch vor folgenden Seiten der Sache Vorstellungen zu machen: 1) Auf Grund gerichtlicher Entscheidungen in Landsachen der Ansiedler können solche Ansiedler ihren Landantheil in notariellem oder testamentlichem Wege wider Wunsch der Gemeinde an Fremde veräußern, wie dies schon jetzt geschieht auf Grund der zu Händen der Ansiedler befindlichen Kaufbriefe, Auctions- und Loskaufsbriefe, Einführungsschriften und gerichtlichen Entscheidungen und Landtheilungen, mit Umgehung des 4. Punktes der 4. Artikels der Regeln vom 4. Juni 1871 (und sogar in Uebertretung der Bestimmungen des allgemeinen Civilrechts über Veräußerung des Antheils an einem gemeinschaftlichen Landgut); durch solche Veräußerungen wird aber das Wesen der Dorfgemeinde untergraben: die gemeinschaftliche Haft für die Lasten. 2) Die Nachlassenschaften der Ansiedler übersteigen größtentheils den Werth von 500 Rbl. Die Betreibung einer Vermögenstheilung nun im Bezirksgericht (Окружной Судъ) einem Advokaten anzuvertrauen, ist für einfache Landleute zu gewagt, selbst aber sind sie nicht fähig die Sache zu betreiben; außerdem kann die gerichtliche Vorladung in die Zeit dringender Feldarbeit fallen, so daß der Ansiedler, entweder im Gericht oder in Saat und Ernte Schaden leiden müßte. 3) Da den Ansiedlern erst im Jahr 1871 erlaubt worden, in der Ererbung von Land sich nach Sitte und Brauch zu richten, so konnten sich des kurzen Zeitraums wegen noch keine Gebräuche in der Erbfolge herausarbeiten und feststellen, - in manchen Dörfern herrscht in dieser Beziehung Unschlüssigkeit, Meinungsverschiedenheit und Regellosigkeit; es wird also das Bezirksgericht nicht wissen, woran sich halten, - jede Partei wird das Bestehen von Erbfolgegebräuchen zu ihren Gunsten zu beweisen suchen. 4) Nach Daten des Domänenministeriums |
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dem Art. 19 der „Regeln“ von 1871, laut welchem diejenigen Ansiedlergemeinden, welche keine Grundstücke privaten Besitzes eingeführt, „das Land benutzen und über dasselbe schalten können nach Gutdünken,“ folglich bei derjenigen, vom Colonial-Ustaw eingeführten und von der früheren Regierung stets beschützten Ordnung verbleiben dürfen, bei welcher es verboten ist, die Landangelegenheiten der Ansiedler auf Kronsland in den Gerichten zu verhandeln.
Hätte die Cherson'sche Gouvernementsbehörde in der Sache Bietz die dunkeln Worte des Kandeser Besitztitels von dem Befinden der hofweise erblichen Ländereien „in Gemeindeverwaltung“ beachtet, sich nach dem thatsächlichen Landbesitz der Colonien erkundigt und sich gehalten an diejenigen Gesetzesgrundlagen, auf denen diese Art Landbesitz entstand, erstreckte und nun schon beinahe ein Jahrhundert (in den Chortizer Colonien schon über 110 Jahre) zu Recht besteht, so hätten sowohl Gouvernementsbehörde wie Senat, welch letzterer augenscheinlich von der wirklichen Art des Landbesitzes der Ansiedler im Süden nicht genau berichtet ist, denke ich, nicht umhin können zu entscheiden, daß die Angelegenheit Bietz ihrem ganzen Inhalte nach, auch in Bezug auf die Landstücke Einzelnutznießung, vor die Gemeinde gehöre.
Trotz aller Beweiskraft der vorstehenden gesetzlichen Gründe finde ich zur völligen Beleuchtung der Sache für nöthig, dem Ministerium noch vor folgenden Seiten der Sache Vorstellungen zu machen: 1) Auf Grund gerichtlicher Entscheidungen in Landsachen der Ansiedler können solche Ansiedler ihren Landantheil in notariellem oder testamentlichem Wege wider Wunsch der Gemeinde an Fremde veräußern, wie dies schon jetzt geschieht auf Grund der zu Händen der Ansiedler befindlichen Kaufbriefe, Auctions- und Loskaufsbriefe, Einführungsschriften und gerichtlichen Entscheidungen und Landtheilungen, mit Umgehung des 4. Punktes der 4. Artikels der Regeln vom 4. Juni 1871 (und sogar in Uebertretung der Bestimmungen des allgemeinen Civilrechts über Veräußerung des Antheils an einem gemeinschaftlichen Landgut); durch solche Veräußerungen wird aber das Wesen der Dorfgemeinde untergraben: die gemeinschaftliche Haft für die Lasten. 2) Die Nachlassenschaften der Ansiedler übersteigen größtentheils den Werth von 500 Rbl. Die Betreibung einer Vermögenstheilung nun im Bezirksgericht (Окружной Судъ) einem Advokaten anzuvertrauen, ist für einfache Landleute zu gewagt, selbst aber sind sie nicht fähig die Sache zu betreiben; außerdem kann die gerichtliche Vorladung in die Zeit dringender Feldarbeit fallen, so daß der Ansiedler, entweder im Gericht oder in Saat und Ernte Schaden leiden müßte. 3) Da den Ansiedlern erst im Jahr 1871 erlaubt worden, in der Ererbung von Land sich nach Sitte und Brauch zu richten, so konnten sich des kurzen Zeitraums wegen noch keine Gebräuche in der Erbfolge herausarbeiten und feststellen, - in manchen Dörfern herrscht in dieser Beziehung Unschlüssigkeit, Meinungsverschiedenheit und Regellosigkeit; es wird also das Bezirksgericht nicht wissen, woran sich halten, - jede Partei wird das Bestehen von Erbfolgegebräuchen zu ihren Gunsten zu beweisen suchen. 4) Nach Daten des Domänenministeriums