Handbuch der praktischen Genealogie/282: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 2. September 2012, 21:10 Uhr

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
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und Stimmungen hervorgerufene Züge werden durch häufige Wiederholung allmählich zu bleibenden physiognomischen Zügen. Doch liegen falsche Schlüsse nahe, da Krankheiten, Art der Lebensbeschäftigung und andere Ursachen den physiognomischen Ausdruck beeinflussen. Vgl. Piderit, Mimik u Physiognomik. 2. Aufl. Detmold 1886. — Mantegazza, Physiognomik und Mimik (Deutsch, Leipzig 1890. 2 Bde.). — Ledos, Traité de la physionomie humaine. Paris 1894. — Borée, Physiognomische Studien (deutsche Ausgabe, Stuttgart 1900; 119 Autotypien). — Gessmann, Katechismus der Gesichtslesekunst. Berlin 1896.




Die mündliche Tradition.

DIE mündliche Tradition ist diejenige Geschichtsquelle, die vermöge ihres Charakters den stärksten Trübungen ausgesetzt ist.[1] Eine Tradition, die durch keine urkundlichen Unterlagen gestützt wird, erweist sich häufig als eine schädliche Nebelgestalt oder, um mit Niebuhr zu reden, als eine Fata Morgana, deren Urbild uns unsichtbar bleibt. Wahr bleibt das Wort W. von Humboldts, daß nichts so selten ist als eine buchstäblich wahre Erzählung. Schon bei ursprünglicher, einfacher Überlieferung mischen, wenn nicht die größte Vorsicht im Wählen und Abmessen der Ausdrücke geübt wird, kleine Bestimmungen über das Vorgegangene hinaus sich ein, woraus Falschheiten und Unrichtigkeiten entstehen. Selbst die Sprache trägt dazu bei, da ihr, die aus der ganzen Fülle des Gemütes quillt, oft Ausdrücke fehlen, die von allen Nebenbegriffen frei sind. Außer der Ungenauigkeit der Auffassung einer mitgeteilten Erzählung, die bis zu völligem Mißverständnis derselben gehen kann, spielt bei der Entstellung der historischen Treue einer mündlichen Tradition die Phantasie und ein gewisses damit verbundenes ästhetisches Bedürfnis eine vielgestaltige Rolle. Dazu kommen die mannigfaltigsten Affekte der Subjektivität hinzu: persönliche und korporative Eitelkeit und Ruhmsucht, patriotische Begeisterung und parteiischer Haß, religiöse Schwärmerei und konfessioneller Fanatismus. Endlich bewirken auch der Verstandestrieb, Neugier und Wißbegier starke Entstellungen im Nacherzählen.


  1. Wolf, Einführg. i. d. Studium d. neueren Gesch. Berlin 1910, S. 23 ff. — Bernheim, Lehrb. d. Histor. Methode, 5. u. 6. Aufl., Leipzig 1908, S. 494 ff. — Engel, Ü. d. Arten d. unbewußten Geschichtsentstellung, Progr. d. städtischen höheren Bürgerschule zu Nauen 1879. — Steinthal, Die Sage v. Simson, in: Ztschr. f. Völkerpsychologie u. Sprachwft. 1862, Bd. 2, S. 168 ff. — Wachsmuth, Ü. d. Q. d. Geschichtsfälschung, in: Ber. ü. d. Verhandlungen der Kgl. Sächs. Gsft. der Wft. zu Leipzig, philol.-histor. Kl. 1856, Bd. VIII, S. 125 ff. — Zeller, Wie entstehen ungeschichtl. Überlieferungen? in: Deutsche Rundschau, herausgeg. v. J. Rodenberg 1893, Februarh. S. 201 ff. — Loebell, J. W., Das reale u. d. ideale Element in d. geschichtl. Überlieferung u. Darst., 1859, S. 311 ff. Vgl. d. Kritik d. hebräischen Stammbäume bei B. Stade, Gesch. d. Volkes Israel 1887, Bd. 1, S. 28 ff.