Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche in Haselberg: Unterschied zwischen den Versionen

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Nachfolge-Verlag ist der Concordia-Verlag<ref name=Concordia>[http://www.concordiabuch.de/Startseite.html Concordia-Buchhandlung],  Verlagsbuchhandlung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche,<br>Geschäftsführer: Dr. theol. Gottfried Herrmann, 08056 Zwickau</ref> Zwickau.<br>
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Die Genehmigung für die Veröffentlichung des Artikels in GenWiki im "Portal Pillkallen" unter der Auflage der ausschließlich nicht-kommerziellen Nutzung liegt mir, [[Benutzer:GuentherKraemer|Günther Kraemer]], von der Corncordia-Buchhandlung<ref name=Concordia /> schriftlich vom 02.09.2016 vor.
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Informationen

Informationen zur Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche stehen im Artikel (hier klicken). In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.
Weiteres Schrifttum: „Die Evangelische-lutherische (altlutherische) Kirche“ von Dr. Gottfried Nagel, erschienen im Concordia-Verlag[1], siehe hier

Bilder vor 1945

Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Der Altar in der Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Kirchenrat Dr. Gottfried Nagel und Pfarrer Friedrich Skambraks; Bildarchiv Winfried Skambraks
Hochzeitsbild;
Bildarchiv Winfried Skambraks
Gemeindefeier;
Bildarchiv Winfried Skambraks
Bootsfahrt der Gemeinde auf der Szeschuppe/Ostfluß nach Tulpeningken, August 1937; Bildarchiv Winfried Skambraks
Ehepaar Friedrich u. Ruth Skambraks,
v. l. Sohn Johannes S., Pflegekind Werner Sulz; Tochter Ingeborg S., Aufnahme von 1938; Bildarchiv Winfried Skambraks
Obere Reihe: Emil Wolfram (Vater v. Ruth Skambraks), Tochter Ingeborg S., Pastor Friedrich Skambraks,
mittlere Reihe: Ruht Reinhold (Enkelin v. Emil Wolfram), Martha Wolfram (Ehefrau v. Emil Wolfram), Ruht Skambraks, Johann Skambraks,
unter Reihe: Zwillinge Winfried u. Adalbert Skambraks;
Aufnahme von 1943, Bildarchiv Winfried Skambraks

Bilder nach 1945

Ehemalige Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Ehemalige Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Ehemalige Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Ehemalige Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks
Ehemalige Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche Lasdehnen/Haselberg, Garten Straße 3; Bildarchiv Winfried Skambraks

Die Evangelische-lutherische (altlutherische) Kirche

von D. Dr. Gottfried Nagel[2] [3], ist in der Corncordia-Buchhandlung (Emil Kläner), Zwickau (Sachsen) erschienen, Nachfolge-Verlag ist der Concordia-Verlag[1] Zwickau.
Die Genehmigung für die Veröffentlichung des Artikels in GenWiki im "Portal Pillkallen" unter der Auflage der ausschließlich nicht-kommerziellen Nutzung liegt mir, Günther Kraemer, von der Corncordia-Buchhandlung[1] schriftlich vom 02.09.2016 vor.

Eine kurze Darstellung (Abschrift) ihrer Geschichte und ihres Reichtums, 4. (gekürzte) Auflage, Seite 1 bis 19.

Weil die Evang.-lutherische (altlutherische) Kirche nur klein ist und keine Landeskirche, wissen viele gar nichts von ihr. Diejenigen aber, die mit Gliedern dieser Kirche in Berührung kommen, fragen dann oft erstaunt: Was ist das eigentlich für eine Kirche? Soll darauf Antwort gegeben werden, so muß man zunächst kurz in die Geschichte einführen.

I. Geschichtlicher Überblick

Am Pfingsttage hat Gott
die christliche Kirche

dazu gegründet, daß sie die rettende Botschaft von dem Gnadenrat des heiligen Gottes über die von ihm abgefallene Menschheit, also das Evangelium von Christus unserm Heiland, mit seinem ganzen Ernst und mit seinem vollen Trost in alle Welt hinaustragen, von Geschlecht zu Geschlecht weiter bezeugen und die von Christus eingesetzten Sakramente, die Taufe und das heilige Abendmahl, recht verwalten soll. (Matth. 28, 19. 20; Apostelgesch. 2, 38. 42.) Nur durch diese Gnadenmittel, Gottes Wort und Sakrament, können Menschen zum Glauben an Christum kommen, und nur in solchem. Glauben können sie Gottes Gnade ergreifen und gerettet werden. Steht es so, dann erfüllt unter den verschiedenen christlichen Kirchen diejenige Kirche ihre gottgewiesene Aufgabe am besten, die Gottes Heilsrat ganz nach Gottes Wort verkündigt und die Sakramente ganz nach Christi Einsetzung verwaltet.

Eine solche Kirche war die christliche Kirche der ersten Jahrhunderte. Allmählich aber wurde das Evangelium in der Kirche durch allerlei seelengefährdende

Irrlehren

verdunkelt. Man predigte z. B., daß wir Menschen durch unsre guten Werke uns den Himmel verdienen könnten. Auch vom heiligen Abendmahl lehrte man im Mittelalter ganz falsch: bei jeder Abendmahlsfeier werde Christus (gegen Hebr. 10, 12) aufs neue, wenn auch ohne Blutvergießen, geopfert; den Kelch dürfe nur der Priester trinken. Und doch hatte Jesus ausdrücklich gesagt: Trinket alle daraus! So war die römische Kirche des Mittelalters gar nicht mehr imstande, den ihr anvertrauten Seelen den Weg zur Seligkeit richtig zu weisen.

Da schenkte Gott unserm Volk
die deutsche Reformation.

In schweren Seelenkämpfen ließ er Luther[4] [5] erfahren, daß man mit eigenen Werken, und wären sie noch so fromm, niemals vor Gott bestehen kann, weil an all unserm Tun die Sünde haftet. Erst als Luther der Botschaft der Heiligen Schrift vertrauen lernte, daß allein Christi Verdienst uns vor Gott rechtfertigt, kam er zur Gewißheit seines Heils: ich habe durch Christus einen gnädigen Gott.
Jetzt gingen ihm die Augen dafür auf, wie entsetzlich die römische Kirche durch ihre Irrlehren die Christen um ihr Seelenheil betrog, und mit heiligem Eifer versuchte er, das lautere Evangelium in ihr wieder zum Siege zu führen. Als aber der Papst und die Bischöfe davon nichts wissen wollten, schlossen sich Luther und seine Anhänger zusammen und bekannten vor Kaiser und Reich freimütig ihren Glauben. So entstand

die lutherische Kirche.

Es war das keine neue Kirche, sondern nur die wiedergereinigte Urkirche. Darum kehrte diese Kirche auch bewußt wieder zu der Aufgabe zurück, die Gott der Kirche ursprünglich gewiesen: das lautere Evangelium zu bezeugen und die Sakramente richtig zu verwalten. Das so mühsam neugewonnene rechte Verständnis des alten Evangeliums legte man nieder in den lutherischen Bekenntnisschriften, von denen Luthers Kleiner Katechismus[6] von 1529 und die Augsburgische Konfession von 1530 die bekanntesten sind. So gründet sich die lutherische Kirche allein auf Gottes Wort und auf das aus ihm gewonnene rechte Evangeliumsverständnis: das lutherische Bekenntnis. Alle ihre Diener verpflichten sich bei der Ordination, ihr Amt auf dieser Grundlage zu führen. Wo das geschieht, wird den Seelen der Weg zur Rettung richtig bezeugt. Die werbende Gewalt des Wortes Gottes, der allein Menschen zum Glauben führen kann, tritt damit an ihre Seelen heran.
Neben der lutherischen Kirche entstand aber während der Reformationszeit in der Schweiz noch eine andere protestantische Kirche,

die sogenannte reformierte Kirche.

Ihre Väter waren Zwingli[7] [8] und Calvin[9] [10]. Obwohl die ganze Art dieser Kirche mit ihrem gesetzlichen Schriftverständnis und mit ihren kahlen Gottesdiensten undeutsch war, fand sie doch allmählich auch in Deutschland da und dort Eingang, freilich nicht so, wie die Botschaft Luthers, die von dem deutschen Volk mit heller Freude aufgenommen wurde. Der Calvinismus ist vielmehr in Deutschland vielfach zusammen mit der französischen Sitte eingedrungen. Besonders galt er an etlichen Fürstenhöfen für feiner als das Luthertum. Von so gesinnten Fürsten und Herren ist er dann ihren Untertanen aufgedrängt worden. Das deutsche Volk trug nirgends Verlangen nach ihm. Das Bedenklichste an der reformierten Kirche aber war dies, daß sie sich in den Glaubenslehren nicht ganz allein dem göttlichen Worte unterstellte. Sie ließ vielmehr zum Teil auch die menschliche Vernunft dreinreden, so z. B. in der Lehre von der göttlichen Gnadenwahl, von Christi Person, vom heiligen Abendmahl, von der Taufe usw. So kam es, daß durch die Lehre der reformierten Kirche gerade das eben gewonnene herrliche Kleinod der lutherischen Reformation wieder in Frage gestellt wurde: die Heilsgewißheit. Luther stand es unerschütterlich fest: ich armer Sünder habe durch Christus einen gnädigen Gott; denn Gott „will, daß allen Menschen geholfen werde" (1. Tim. 2, 4). Dem Reformierten aber wird das unsicher durch seine Lehre von der Gnadenwahl. Wer gibt ihm die Gewißheit, daß Gott ihn für die Seligkeit auserwählt hat?

Daß nun in Deutschland zwei protestantische Kirchen nebeneinander bestanden, galt in den Augen vieler als eine ganz unverzeihliche Schwächung der protestantischen Sache gegenüber der einheitlich geschlossenen römischen Kirche. So dachte auch der Landgraf Philipp von Hessen[11]. Dringend wünschte er, die Lutherischen und die Reformierten möchten sich doch zu einer Kirche vereinigen. Deshalb lud er Luther und Zwingli samt etlichen Anhängern im Jahre 1529 zu einem Religionsgespräch auf sein Schloß nach Marburg. Luther wäre dort gern bereit gewesen, den Reformierten die Bruderhand zu reichen, wenn sie ihre Irrlehren hätten fahren lassen. Da sie das aber nicht taten, erlaubte ihm sein an Gottes Wort (Gal. 5, 9) gebundenes Gewissen nicht die kirchliche Vereinigung mit ihnen. Er schied von ihnen mit den Worten: Ihr habt einen anderen Geist. An sein Urteil schlossen sich die lutherischen Reichsstände völlig an, indem sie in dem Bekenntnis von Augsburg 1530 die reformierten Irrlehren ausdrücklich als solche verwarfen und für die Kirche auf Grund des Wortes Gottes forderten, daß in ihr „einträchtiglich nach reinem Verstande das Evangelium gepredigt werden" müsse. (Art 7.)

Es war ein Jammer, daß es nun in Deutschland nebeneinander drei christliche Kirchen gab: die lutherische, die reformierte und die römische. Welcher Christ sollte diese Zersplitterung der Kirche Christi nicht auf das schmerzlichste empfinden? Ja, welcher Christ sollte nicht von Herzen wünschen und ernstlich darum beten, daß eine wahre Vereinigung der christlichen Kirchen im Sinne Jesu (Joh. 17, 21) zustande kommen möchte? Aber freilich, auf Kosten der Wahrheit darf eine solche Vereinigung nicht geschlossen werden; denn Gott will, daß die Kirche eine „Grundfeste der Wahrheit" sei (1. Tim. 3, 15), und daß in ihr einerlei Glaube herrsche. (Eph. 4, 5; 1. Kor. 1, 10.) Wo man das vergißt, wird die Kirche zu einem Sprechsaal der verschiedensten Glaubensmeinungen, so daß dann in einer und derselben Kirche Wahrheit und Irrtum, die alte Gottesbotschaft und neue Menschenweisheit gleichberechtigt nebeneinander sind, und schließlich die armen Seelen in solch einer Kirche zu der Zweifelsfrage geradezu gedrängt werden: Was ist Wahrheit? Der schlichte Gehorsam gegen Gottes Wort verpflichtet vielmehr, an der erkannten Wahrheit unentwegt festzuhalten (Joh. 8, 31. 32; Offenb. 3, 11), ja sie vor aller Vermischung mit dem Irrtum treulich zu hüten (Matth. 16, 11. 12); denn nur die göttliche Wahrheit kann einmal den Sammelpunkt für eine rechte Vereinigung der christlichen Kirchen abgeben, niemals aber der Irrtum.
Gerade das aber wurde in Preußen übersehen. Hier erstrebte das Herrscherhaus trotz der inneren Verschiedenheit der lutherischen und der reformierten Kirche doch eine

Vereinigung beider Kirchen, eine Union.

Wie kam das? In Preußen hatten die Hohenzollern im Jahre 1539 die lutherische Reformation angenommen und in ihrem Lande eingeführt. Im Jahre 1613 aber war der Brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund[12] zur reformierten Kirche übergetreten, mit aus dem Grunde, weil er auf diese Weise bei den reformierten Fürsten und in den Niederlanden Unterstützung für seine Jülich-Klevischen Erbansprüche zu finden hoffte. Das Volk in seinem Lande vermochte er nicht zur reformierten Kirche zu bringen. Nicht einmal seine Gemahlin folgte ihm. Aber außer der reformierten Gemeinde am Hofe bildeten sich doch nun da und dort in preußischen Landen kleine reformierte Gemeinden, die sich der besonderen Begünstigung durch die Hohenzollern erfreuen durften. Seitdem trat begreiflicherweise bei den preußischen Regenten immer wieder das Bestreben hervor, die beiden protestantischen Kirchen in ihrem Lande, die lutherische und die reformierte, durch eine Union zu e i n e r Kirche zu vereinigen. Solange nun die Lutheraner treu zu Gottes Wort und dem darauf gegründeten lutherischen Bekenntnis standen, widersetzten sie sich diesen Bestrebungen der reformierten Hohenzollern. Ein leuchtendes Beispiel für echt lutherische Bekenntnistreue war ein Mann wie Paul Gerhardt[13], der lieber Amt und Brot drangab, als daß er gegen seine lutherische Überzeugung handelte. Als aber in der Zeit des Vernunftglaubens, etwa vom Jahre 1750 an, auch die Lutheraner in ihrem Glauben gleichgültiger geworden waren, gelang es dem preußischen König Friedrich Wilhelm III.[14] im Jahre 1817 bzw. 1830, doch eine solche Union in die Wege zu leiten. Erst von da ab gibt es in Preußen eine

unierte Kirche[15],

der nicht nur die Reformierten beitraten, sondern in die sich leider auch die meisten Lutheraner unbedenklich hineinziehen ließen, weil sie die große Gefahr dieser Kirche nicht erkannten, und weil der König selbst vor Gewaltmaßregeln nicht zurückschrak, um die Union durchzuführen.
So ist denn die unierte Kirche die jüngste unter allen Kirchen in Preußen. Zugleich ist sie eine Kirche ohne einheitliches Bekenntnis. Das war bisher noch nie dagewesen. Alle anderen Kirchen hatten ihr einmütiges Bekenntnis. In der unierten Kirche aber sollten ausgesprochenermaßen zwei Bekenntnisse nebeneinander zu Recht bestehen, das lutherische und das reformierte. Diese beiden Bekenntnisse aber widersprechen einander in verschiedenen, keineswegs nebensächlichen Glaubenslehren, und obendrein verbietet das lutherische Bekenntnis (Augsburger Konfession, Artikel 7) eine Union mit den reformierten Irrlehren. Aber wer dachte daran? Es schien so, als sollte die lutherische Kirche in preußischen Landen ganz still begraben werden.

Da trat in Breslau im Jahre 1830 eine Schar von frommen, klugen und tapferen Männern auf den Plan, die genau so standen wie unser Reformator Luther; an ihrer Spitze drei Universitätsprofessoren: D. Scheibel[16], Dr. Huschke[17] und Steffens[18]. Scheibel war Professor der Theologie und zugleich Pastor an der großen Elisabethkirche; Huschke war Professor der Rechtswissenschaft; Steffens Professor der Naturwissenschaften. Hunderte, ja Tausende schlossen sich diesen Führern an. Mit voller Klarheit erkannten sie, daß die Einführung der Union das selbständige Fortbestehen der 300 Jahre alten lutherischen Kirche in Preußen bedrohte. Dem durften sie nicht tatenlos zuschauen, hatten sie doch erfahren, daß nur das Evangelium in der Reinheit und in dem Reichtum, wie die lutherische Kirche es bezeugt, den angefochtenen Seelen zum vollen Frieden mit Gott und zur unumstößlichen Gewißheit ihres Heils verhelfen kann. Diesen Schatz wollten sie sich und ihren Kindern durch keine Union mit der Irrlehre verkümmern lassen. Darum konnten sie um keinen Preis jene Union mitmachen. Sie mußten um ihres Gewissens willen der alten lutherischen Kirche, wie sie bisher in Preußen bestanden hatte, die Treue halten.

So baten nun diese Breslauer Lutheraner in wiederholten flehentlichen Eingaben den König Friedrich Wilhelm III, er möge ihnen doch die Erlaubnis geben, weiter in Preußen eine selbständige, wenn auch noch so kleine lutherische Kirche bilden zu dürfen. Das Recht stand auf ihrer Seite. Sicherte doch schon der Westfälische Friede von 1648, der auch für Preußen galt, der lutherischen Konfession ihr selbständiges Fortbestehen. Außerdem hatte König Friedrich Wilhelm III. seinerzeit ausdrücklich versichert, daß bei Einführung der Union jeglicher Gewissenszwang unterbleiben solle. Als aber jetzt die Lutheraner ihm ihre Gewissensnot darlegten, beschied er sie völlig ablehnend. Er wollte durchaus kein selbständiges Bestehen der lutherischen Kirche neben der unierten Kirche in Preußen dulden.

Jene Lutheraner in Breslau aber, mit denen allmählich ringsum in Schlesien und auch in andern preußischen Provinzen nicht wenige lutherische Pastoren und Ge-meindeglieder sich zusammenschlossen, sagten sich: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Da ging eine schwere Verfolgungszeit für sie an. Die Pastoren wurden ihres Amtes entsetzt. Den Gemeindegliedern wurden die Gotteshäuser fortgenommen, auch wenn ihre Schar die erdrückende Mehrzahl in dem betreffenden Kirchspiel darstellte. Ja, in Hönigern im Kreise Namslau, wo die Gemeinde in rührender Treue Wochen hindurch Tag und Nacht ihre lutherische Kirche bewachte, wurden um die Weihnachtszeit 1834 auf Befehl des Königs 500 Mann Militär aufgeboten, um diese Kirche mit Gewalt für den unierten Gottesdienst zu öffnen. Verrichteten dann die ihres Amtes entsetzten Pastoren auf die Bitte ihrer Gemeindeglieder doch noch Amtshandlungen, weil sie Gott mehr gehorchen wollten als den Menschen, so wurden sie ins Gefängnis geworfen. Pastor Kellner[19] z. B., der in Hönigern Pastor gewesen war, hat 4 Jahre, getrennt von Weib und Kind, im Kerker gesessen. Konnte man ihrer nicht habhaft werden, so verfolgte man sie steckbrieflich. Jeder Polizist, der einen lutherischen Pastor fing, bekam 50 Taler Belohnung. Die zum Gottesdienst versammelten Gemeindeglieder wurden von der Polizei auseinander getrieben. Jeder Teilnehmer wurde mit einem Taler Strafe belegt; im Wiederholungsfalle verdoppelte sich die Strafe jedesmal. Konnten die Leute nicht bezahlen, so wurden sie gepfändet oder in Arrest abgeführt. Fast 10 Jahre dauerte diese schwere Zeit der Not. Als Friedrich Wilhelm III. im Jahre 1840 starb, hob sein Sohn, Friedrich IV.[20], sofort die Verfolgung auf.

Da stand nun die arme, kleine
lutherische Kirche in Preußen.

Man hatte ihr allen äußeren Besitz genommen. Kein Gotteshaus, kein Pfarrhaus, keinen Kirchhof, nichts von dem reichen Besitz und den Pfarrpfründen, die einst von Lutheranern für die lutherische Kirche, nicht für die unierte Kirche, gestiftet worden waren, hatte man ihr gelassen. Aber sie war doch nun wieder frei. Ihre Pastoren durften aus den Gefängnissen heimkehren, und die Gemeindeglieder wurden nicht mehr bestraft, wenn sie zu ihren Gottesdiensten zusammenkamen. Unter Freudentränen dankte man Gott, daß er in seiner Gnade die lutherische Kirche in Preußen trotz aller Verfolgung des Staates nicht hatte untergehen lassen, sondern daß nun in preußischen Landen auch weiterhin eine Kirche bestand, in der nichts anderes gepredigt werden durfte als das lautere Evangelium, wie es das lutherische Bekenntnis bezeugt.
Seltsamerweise hat man diese Schar immer wieder „Separatisten" gescholten, d. h. Leute, die sich unberechtigterweise trennen. Jeder, der den geschichtlichen Hergang kennt, weiß, wie verkehrt das ist. Sie trennten sich ja gar nicht. Sie blieben bei der schon seit der Reformation bestehenden unionsfreien lutherischen Kirche in Preußen. Eine Trennung vollzogen vielmehr diejenigen, welche die bis dahin unerhörte Neuerung einer Union einführten und damit eine neue, unierte Kirche ins Leben riefen.

Der preußische Staat hat unserer Kirche nicht die ge-ringste Geldunterstützung gewährt. Sie mußte von Anfang an für alle ihre Bedürfnisse selbst aufkommen. Das ist für eine Kirche keine Schande und kein Schaden. Im Gegenteil, es ist für Bestand und Unabhängigkeit einer Kirche viel besser, wenn sie finanziell auf eigenen Füßen steht, anstatt auf Krücken zu gehen und Staatsbrot zu essen. Der Staat bezeichnete unsere lutherische Kirche auch nicht einmal mit dem Namen, der ihr nach Recht und Geschichte zukam: „Evangelisch-lutherische Kirche", sondern er nannte sie: „Von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltende Lutheraner". Unter dieser Bezeichnung gab er ihr im Jahre 1845 eine sogenannte Generalkonzession. Später, im Jahre 1908, wurde der offizielle Name in „Evangelisch-a l t lutherische Kirche" geändert.

II. Reichtum dieser Kirche

Fragen wir nun weiter nach
dem Reichtum dieser Kirche.

1. Da nennen wir zuerst etwas, was vielleicht gering aussieht und doch groß ist:

das schriftgemäße Zeugnis
von der Kirche.

Gerade unter den harten Kämpfen, in welche die „Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen" hineinmußte, hat Gott es ihr gegeben, das, was die Kirche nach Schrift und Bekenntnis sein soll, klarer zu erfassen als andere Kirchen. Die Union richtete 1830 in Preußen ein Kirchengebilde auf, das sich im Gegensatz befindet zu allem wahrhaft Kirchlichen, nämlich ein Gebilde, dessen Einheit nicht besteht in der Einmütigkeit des Glaubens, des Bekenntnisses, der Evangeliumsverkündigung, sondern in der Einheitlichkeit der äußeren Organisation. Demgegenüber bedeutete es ein bewußtes Zurückgreifen auf die echt biblischen Gedanken des lutherischen Bekenntnisses, wenn die „Evangelisch-lutherische Kirche Altpreußens" mit aller Klarheit es nicht nur auszusprechen wagte, sondern unter großen Opfern und schweren Verfolgungen es in die Wirklichkeit umsetzte: die Kirche als die Gemeinde der Gläubigen muß nach Gottes Willen im Innersten eins sein, im gemeinsamen Glauben, in der lauteren Evangeliumsverkündigung, in der rechten Sakraments¬verwaltung; denn das Evangelium allein schafft Gläubige und sammelt Gläubige. Aus diesem innersten Wesenskern muß die äußere Form der Kirche erwachsen mit ihren Ordnungen und ihrer Verfassung. Die Kirche kann Landeskirche sein, wenn ihr dabei ihr Bestes, die rechte Evangeliumsverkündigung, überall gewahrt bleibt. Sie kann aber auch Freikirche sein, sogar ohne den Schutz des Staates, ja unter härtester Verfolgung durch den Staat wie in den ersten drei Jahrhunderten der christlichen Kirche. Die gesamte äußere Verfassung einer Kirche muß jedenfalls im Dienst des Evangeliums stehen und muß seine rechte Verkündigung gewährleisten. Einer Kirchenregierung höchste und wichtigste Aufgabe muß es daher sein, alle Gemeinden bei lauterer Evangeliumsverkündigung und bei rechtem Gebrauch der heiligen Sakramente zu erhalten. Das ist das schriftgemäße Zeugnis von der Kirche, das die Evangelisch-lutherische Kirche fort und fort mit Wort und Tat laut werden läßt. Und es wird einleuchten, was für ein Reichtum darin geborgen liegt.

2. Wir nennen weiter als ein Stück Reichtum dieser Kirche:

die für ihre Kirche aufkommende Opferwilligkeit.

Als die christliche Kirche zu Pfingsten ins Leben trat, mußte sie selbst aufbringen, was sie zu ihrem Bestande brauchte. Aber es wurde ihr das nicht schwer. Die lebendige Liebe der Kirchglieder opferte, was nötig war zur Anstellung von Dienern am Wort, zur Versorgung der Armen, zur Handreichung an schwache Gemeinden. „Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen" - das war der selbstverständliche Grundsatz, der alle kirchlichen Finanzfragen durchwaltete. Als dann die Kirche Staatskirche wurde, übernahm der Staat die äußere Versorgung der Kirche. Und auch jetzt wird in den Landeskirchen ein großer Teil der Kirchenlasten vom Staat getragen. Der kleinen Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen aber hat der Staat, als sie sich aus Gehorsam gegen Gottes Wort der unierten Kirche nicht anschließen konnte, auch nicht eine Kirche gelassen, nicht ein Pfarrhaus, nicht einen Gottesacker. Ihr ganzes Kirchenwesen mußte diese kleine Schar und muß sie noch heute ganz aus den Beiträgen ihrer Gemeindeglieder erhalten. Das war und ist keine Kleinigkeit. Man hat zwar diesen Lutheranern vorausgesagt: die opferwillige Liebe wird höchstens ein Menschenalter anhalten. Es hat sich aber herausgestellt, daß diese Voraussage irrig war. Unsere Evangelisch-lutherische Kirche erhält sich noch heute nach 100 Jahren ganz aus eigenen Mitteln.

3. Der allergrößte Reichtum aber, den Gott der Evang.- luth. Kirche geschenkt hat, ist

die Verkündigung des lauteren Evangeliums
von allen ihren Kanzeln.

Was kann eine Kirche Köstlicheres haben, als wenn in ihrer Mitte ausnahmslos das lautere Evangelium den Seelen überall bezeugt wird! So wird schon den Konfirmanden das ganze herrliche Gnadenwerk des Dreieinigen Gottes zu unserm Heil an der Hand des Kleinen Katechismus D. Luthers vor die Seele gestellt. Sie lernen ihre Sünde erkennen im Spiegel der heiligen zehn Gebote, aber auch Gottes Erbarmen, der seinen Sohn für unsre Schuld in den Tod gegeben hat, auf daß wir sein eigen seien. Jedes konfirmierte Gemeindeglied soll zwar wissen: ich bin ein armer Sünder und bleibe das auch bis ans Lebensende, aber ich bin doch ein durch Christum Gerechtfertigter, wenn anders ich mich durch meinen Heiland im Glauben habe ergreifen lassen; als ein Kind Gottes darf ich mit dankbarer Freude in Gottes Schöpfung stehen, mit aller Treue meinen irdischen Beruf erfüllen, mit herzlicher Liebe meinem Volke und dem Nächsten dienen, mit Geduld mein Kreuz tragen und hoffnungsfroh auf Christi Wiederkunft warten. Den Erwachsenen wird der alte schlichte Heilsweg in Buße, Glaube und Heiligung gewiesen. Den Kranken wird in fleißiger Seelsorge die reiche Trostkammer des göttlichen Wortes aufgeschlossen. Und denen, die dem Tode entgegenwandern — und das sind alle — wird aus dem Evangelium die rechte Sterberüstung dargeboten, die fröhliche, bußfertige, gläubige Gewißheit der Gnade Gottes durch unsern Heiland; daß niemand sich verlassen möchte auf irgend etwas Eigenes, nicht auf die eigenen Werke, nicht auf die eigene Heiligung, ja auch nicht auf die Glaubenskraft, sondern ganz allein auf Christum. Das ist in Kürze die lautere Evangeliumsverkündigung der lutherischen Kirche.

Freilich wird demgegenüber sofort der Einwand laut werden: solche Evangeliumsverkündigung kann man auch in der unierten evangelischen Landeskirche haben. In der Tat, man kann sie haben, und man hat sie tatsächlich an nicht wenigen Orten; aber das Traurige ist dies, daß in der unierten Kirche nicht jeder Pastor das lautere Evangelium verkündigen muß. Darin besteht eben der große

Unterschied zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche
und der unierten evangelischen Kirche:

in der lutherischen Kirche sorgt das Kirchenregiment dafür, daß überall das Evangelium rein und lauter nach dem schriftgemäßen lutherischen Bekenntnis verkündigt wird; in der unierten Kirche aber wird trotz des sogenannten Bekenntnisvorspruches in der Verfassung kaum irgendwo Lehrzucht geübt, so daß tatsächlich fast jeder Pastor predigen kann, was er will. Neben der rechten Lehre ist dort auch eine irrtümliche Evangeliumsverkündigung gleich berechtigt, wie sie in den reformierten Bekenntnissen da und dort zutage tritt und darum von dem lutherischen Bekenntnis ausdrücklich als Irrlehre verworfen wird.

An drei Beispielen sei das kurz erläutert:

Erstens. Es ist ein wesentliches und für die Stunden der Anfechtung im Christenleben überaus wertvolles und tröstliches Stück des Evangeliums, daß die lutherische Kirche auf Grund der Heiligen Schrift lehrt: in der heiligen Taufe hat Gottes Gnade den Anfang des neuen Lebens in mir zustandegebracht (Titus 3, 5); da bin ich Gottes Kind geworden und Gott mein Vater. Die Reformierten leugnen das. Für sie ist die Taufe nur eine äußere Zeremonie. Und eben diese schriftwidrige Irrlehre, die den angefochtenen Gewissen einen starken Halt nimmt, hat in der unierten Kirche völlig gleiche Berechtigung neben der schriftgemäßen lutherischen Evangeliumspredigt von der heiligen Taufe.
Zweitens. Vom heiligen Abendmahl lehrt die lutherische Kirche, daß wir den leibhaftigen Christus, der für uns am Kreuz gestorben ist, im Sakrament des Altars ganz persönlich empfangen dürfen. Und wir wissen, was wir daran haben. Hängt die Vergebung unsrer Sünden ganz allein an dem für uns gekreuzigten und erhöhten Christus, dann können wir dieser Vergebung am festesten gewiß werden, wenn wir im Sakrament, essend und trinkend, in die engste, persönlichste Gemeinschaft mit Christus treten dürfen. Die reformierte Kirche lehrt, daß Christus leiblich auf Erden im Sakrament gar nicht gegenwärtig sei und auch von uns leiblich gar nicht empfangen werde, weil beides für die Vernunft völlig unbegreiflich ist. Daher vertritt Zwingli die Meinung: Brot und Wein im Abendmahl seien nur Sinnbilder des Leibes und Blutes Christi; man denke dabei an Christi Tod, aber niemand empfange im Abendmahl Leib und Blut Christi. Oder Calvin meint: die Seele des Abendmahlsgastes müsse sich im Glauben zum Himmel emporschwingen und empfange dort geistlicherweise Christi Leib und Blut. Man sieht sofort, wie durch solche Lehrweise das heilige Abendmahl seiner ganzen starken Trostkraft entkleidet wird. Was ist mir damit geholfen, wenn ich bloß an Christum denke, ihn aber nicht empfange. Und wie schwach ist der Trost, wenn man mir sagt: schwinge dich im Glauben zu ihm hinauf in den Himmel! — gegenüber dem, was das Evangelium mir bezeugt: Christus kommt zu dir herab auf die Erde und kehrt leibhaftig im Sakrament bei dir persönlich ein, auch wenn dein Glaube noch so schwach ist. In der unierten evangelischen Kirche ist aber diese auf dem Boden der Vernunft und nicht des Evangeliums erwachsene Abendmahlslehre der Reformierten ebenso gleichberechtigt wie die schriftgemäße lutherische.
Drittens. Die ganze Heilsgewißheit des Lutheraners ruht auf der von der Schrift bezeugten Wahrheit: Gott will, daß auch ich selig werden soll. In der reformierten Kirche aber lehrt man: nur die Auserwählten will Gott selig machen. Wer gibt mir dann die Gewißheit, daß ich zu den Auserwählten gehöre? Kein Mensch kann mir diese Gewißheit verschaffen. Wer diese Irrlehre festhält, kann niemals seines Heils gewiß werden. Und doch hat diese Irrlehre völlig gleiche Berechtigung in der unierten Kirche neben der schriftgemäßen lutherischen Lehre. Man sieht, wie tief das in die Evangeliumsverkündigung eingreift; denn einer Evangeliumsverkündigung, die meinem Herzen nicht zur Heilsgewißheit helfen kann, fehlt das beste Stück.

In dieser Gleichberechtigung von Wahrheit und Irrtum innerhalb der unierten evangelischen Kirche liegt aber auch noch etwas anderes, geradezu Verhängnisvolles. Indem man Wahrheit und Irrtum als gleichberechtigt in einer Kirche erklärt, entkleidet man die Wahrheit des Anspruches, der ihr unbedingt gebührt, ja ohne den sie nicht leben kann, nämlich daß sie alleinberechtigt ist. Die Wahrheit wird damit erniedrigt zu einer bloßen Meinung, die vielleicht richtig sein mag, vielleicht aber auch nicht. Es wird also nicht bloß einer irrtümlichen Evangeliumsverkündigung Einlaß gewährt, sondern es wird auch in demselben Augenblick die rechte Evangeliumsverkündigung höchst fraglich gemacht. Hört man dann von einer und derselben Kanzel bald das biblische, bald ein unbiblisches Evangelium, wie das in der unierten Kirche leider immer wieder vorkommt, will man sich dann wundern, wenn in den Herzen der Zuhörer die Pilatusfrage lebendig wird: Was ist Wahrheit? Und doch hängt am biblischen Evangelium für unsre Seele alles. Was Speise und Trank für unsern Leib ist, das ist das Evangelium für unsre Seele. Wie nun unser leibliches Leben Schaden leidet, wenn unsre Nahrung nicht rein und gut ist, so leidet unsre Seele Schaden, wenn uns das Evangelium nicht richtig verkündigt wird. Oder man könnte das Evangelium auch mit einem Wegweiser vergleichen, den wir Menschen für die Wanderung nach der himmlischen Heimat brauchen. Wehe dem Wanderer, wenn er sich nicht darauf verlassen kann, daß die Wegweiser an seiner Straße ihm überall richtige Kunde geben. Und wenn von vielen auch nur wenige falsch zeigen, ja vielleicht nur einer, so kann dieser eine es verschulden, daß der Wanderer völlig vom rechten Wege abkommt. Wer sich das klar macht, der erkennt, daß eine Kirche einen außerordentlich großen Reichtum besitzt, wenn von allen ihren Kanzeln und an allen ihren Altären die rechte Evangeliumsverkündigung laut wird und somit den Kirchgliedern überall der Weg zur Seligkeit richtig gewiesen wird.

Wir, die wir zur lutherischen Kirche gehören, wollen uns keineswegs hochmütig über Glieder andrer Kirchen erheben, als wären wir besser als sie. Wir wissen von viel Schäden und Sünden auch bei uns. Aber das müssen wir um der Wahrhaftigkeit willen mit demütiger Dankbarkeit bezeugen: wir haben es besser als sie. Oder leuchtet das nicht ohne weiteres ein, daß derjenige besser daran ist, dem seine Kirche Sonntag für Sonntag den Weg zur Gemeinschaft mit Gott durch Christum richtig zeigt, als derjenige, den seine Kirche mitunter auch auf Irrwege weist? Wohl kommen noch keineswegs alle, denen der rechte Weg gewiesen wird, auch ans rechte Ziel. All die Lutheraner, welche den von ihrer Kirche ihnen gewiesenen Weg zur Seligkeit nicht gehen, werden nicht ins Himmelreich kommen. Und auch das andere soll nicht bestritten werden: es kann jemand trotz mancher Irrwege zuletzt doch noch das Ziel erreichen. Ja, es ist uns ein lieber Gedanke, daß wir, wenn wir durch Gottes Gnade in den Himmel kommen, droben auch viele fromme Seelen aus andern Kirchen antreffen werden, die trotz der Irrtümer ihrer Kirchen auf Christum allein ihre Zuversicht gesetzt haben. Dennoch bleibt es auf jeden Fall das Richtige, ja, das Gottgewiesene, sich von der lutherischen Kirche allezeit auf dem rechten Wege führen zu lassen.

Entgegnen uns aber darauf Glieder der unierten evangelischen Kirche: sie hätten tatsächlich genau denselben Reichtum wie wir, da glücklicherweise ihr Pastor durchaus das lautere Evangelium verkündige, so ist ihr Reichtum doch in keiner Weise gesichert. Mag auch der betreffende Pastor ganz im lutherischen Sinne predigen, so stirbt er doch einmal, und dann kommt ein anderer an seine Stelle. Da nun die unierte evangelische Kirche auch solche Pastoren anstellt, die das Evangelium nicht richtig verkündigen, so kann vielleicht gerade sein Nachfolger ein solcher sein. Wie gefährlich wird dann die Lage! Oder das betreffende Gemeindeglied wird an einen andern Ort versetzt, wo der Pastor der unierten Kirche nicht im lutherischen Sinne predigt. Wie leicht kann dann die Seele dieses Gemeindegliedes Schaden leiden! Vor allem aber auch im Blick auf heranwachsende Kinder müßte es jedem einleuchten, wie wichtig es ist, mit der ganzen Familie einer solchen Kirche anzugehören, in der nicht nur da und dort, sondern ausnahmslos von allen Altären und allen Kanzeln der Ruf Gottes aus dem Evangelium in voller Klarheit und Reinheit weitergegeben wird, und wo auch die Kinder im Konfirmandenunterricht überall in diesem Sinne unterwiesen werden.

So bleibt es dabei: es ist ein ganz großer Reichtum,
den die kleine Evangelisch-lutherische Kirche
durch Gottes Gnade besitzt.

  Diesen Reichtum müssen wir heute in persönlichem Glauben mehr denn je uns zueignen und festhalten. Nur in der Rüstung des lauteren Evangeliums kann die Kirche den harten, heißen Kampf, der ihr verordnet ist, bestehen. Keine Rüstung aber hilft — und wäre sie noch so fest —, wenn ihr Träger ein toter Mann ist. Darum wehe der lutherischen Kirche, wenn sie des Lutherwortes aus dem Kleinen Katechismus vergäße, daß nur da Gottes Name recht geheiligt wird, „wo das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird u n d wir auch heilig als die Kinder Gottes danach leben!" Eine erstarrte oder gar erstorbene Kirche wird trotz aller reinen Lehre nicht siegen, sondern unterliegen. Darum ist dies für die Evangelisch-lutherische Kirche die wichtigste Bitte:

Herr, erhalte uns dein Wort und
schenke uns lebendige Pastoren
und lebendige Gemeinden!


Abschrift der Seite 1 bis 19 am 05.09.2016 angefertigt:
Druck von Johannes Herrmann, Zwickau (Sachsen) – 9 950 3000. DR. 42 540/50

Fußnoten

Die Fußnoten wurden nachträglich am 06.09.2016 eingefügt.

  1. 1,0 1,1 1,2 Concordia-Buchhandlung, Verlagsbuchhandlung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche,
    Geschäftsführer: Dr. theol. Gottfried Herrmann, 08056 Zwickau
  2. D. Dr. Gottfried Nagel (06.09.2016)
  3. D. Dr. Gottfried Nagel (06.09.2016)
  4. Martin Luther (06.09.2016)
  5. Martin Luther (06.09.2016)
  6. Artikel Der Kleine Katechismus. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  7. Huldrych Zwingli (06.09.2016)
  8. Huldrych Zwingli (06.09.2016)
  9. Artikel Johannes Calvin. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  10. Johannes Calvin (06.09.2016)
  11. Philipp von Hessen (06.09.2016)
  12. Kurfürst Johann Sigismund (06.09.2016)
  13. Paul Gerhardt (06.09.2016)
  14. Artikel Friedrich Wilhelm III.. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  15. Artikel Unierte Kirche. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  16. Artikel Johann Gottfried Scheibel. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  17. Artikel Philipp Eduard Huschke. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  18. Artikel Henrich Steffens. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)
  19. | Pastor Kellner (06.09.2016)
  20. Artikel Friedrich Wilhelm IV.. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. (06.09.2016)

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