Eupen und Umgegend (1879)/129: Unterschied zwischen den Versionen

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zu genügen, so daß keine andere Nation des Nordens in dieser Hinsicht mit den Flamändern wetteifern konnte. Erst im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts begriffen die Engländer den Vortheil, den sie aus der Verarbeitung ihrer Wolle ziehen könnten und fingen an sich auf dieselbe zu legen. Bald verbreiteten sich die Tuchmanufakturen in England und die Flamänder sahen sich der englischen Wollen beraubt. Dieß bildete den Anfang des Verfalles dieser Industrie in Flandern und den Beginn neuer Auswanderungen.“<ref>Nach Notizen des Herrn Mondorf, Lehrer der höheren Bürgerschule († 17. Januar 1873.)</ref>
 
{{NE}} Mit diesen Nachrichten über die erste Einwanderung von Tuchmachern aus Flandern in hiesiger Gegend übereinstimmend sind die Angaben in der ''„Bibliothèque des antiqués Belgieque par Ed. Marshall, Anvers 1833 t. II. p. 43“'', nach welchen sich im Jahre 1249 in den Ortschaften Huy, Saint-Trond, (''Leau'') Neau, Tirlemont, Maestricht u.a.O. flamändische Weber und Walker niedergelassen. Von den Tuchmachern dieser Zeit sagt ein Chronist: ''„Est genus hominum mercenarium, quorum officium est ex lino et lana texere telas, hoc procax et superbum super alios mercenarios vulgo reputatur“.'' (Es ist dieß eine Gattung Gewerbetreibende, deren Geschäft es ist, aus Leinen und Wolle Gewebe herzustellen, man bezeichnet sie gewöhnlich als frech und übermüthig gegen andere Gewerbetreibende.) Von ungleich größerem Einfluß dürfte indessen die Verwaltung der Niederlande unter Herzog Alba auf neue Auswanderungen gewesen sein.<ref>Wie Alba die ihm Seitens des Königs Philipp II. ertheilten Instruktionen überschritten und die ihm anvertraute unbegränzte Vollmacht mißbrauchte, wie er grausam aus Politik das Geschehene nicht bloß bestrafte {{Sperrschrift|weil}} es geschehen, sondern um zugleich die kräftigsten Nerven der Nation zu durchschneiden und die Letztere zu ruiniren, wie er mordete, um durch den Schrecken die Menge zu überraschen und niederzubeugen, um seinen militärischen Operationen Nachdiuck zu geben, ist allgemein bekannt und auch hier nicht der Ort, darauf im Einzelnen einzugehen. Wohl aber scheint es mir zweckmäßig diejenigen Momente anzuführen, welche auf die Auswanderung und somit auf die Entwickelung der hiesigen Industrie von Einfluß gewesen.<br />
 
{{NE}} Im Lauft der Monate Januar und Februar 1568 wurden in Gent 143 Bürger durch öffentlichen Aufruf und Anschlag von Proskriptionslisten vorgeladen. Achtzehn derselben vertheidigten sich in Brüssel, wurden jedoch nichtsdestoweniger eines Abends ergriffen, paarweise aneinandergefesselt, in's Gefängniß geworfen und bald darauf hingerichtet. Die Güter wurden eingezogen und unter die spanischen Beamten vertheilt. Am verhängnißvollsten für die Niederlande wurde das Jahr 1569 durch das von Alba ersonnene neue Steuersystem: von allen beweglichen und unbeweglichen Kapitalien sollte ein Prozent, der sogenannte „hundertste Pfennig“ ein für allemal dem Fiskus zufallen; beim Verkauf von allen unbeweglichen Gütern der „zwanzigste Pfennig“, und beim jedesmaligen Verkauf aller beweglichen Guter der „zehnte Pfennig“. Alba führte unter anderen Beweggründen zu dieser Besteuerung an, daß „durch beständiges Verlangen von Geldbeiträgen das königliche Ansehen leide, umsomehr als die Staaten sich oft weigerten, solche „Bitten“ zu genehmigen, daß die Erbauung und Unterhaltung der neuen Festungen viel Geld koste und der zehnte Pfennig vornehmlich {{Sperrschrift|bloß die Kaufleute und Gewerbetreibende beschwere}}“, und erzwang auf einer am 20. März 1569 nach Brüssel einberufenen Versammlung durch ernste Drohungen die Zustimmung. Brabant, Flandern, Artois und Hennegau sandten Bevollmächtigte nach Spanien, um nachzuweisen, daß es der Nation schlechterdings unmöglich sei, eine Auflage wie der „zehnte Pfennig“ auszuhalten. In vielen Fällen müsse die Auflage allmählich dem Realwerth der Waaren gleichkommen, wie sich dieß am schlagendsten bei der Verarbeitung der Wolle zeige: zuerst wird die rohe Wolle angekauft, dann durch andere Hände verarbeitet, hierauf kauft sie der Tuchmacher, das Tuch kommt aus dessen Händen in die des Färbers, sodann in die des Kaufmannes und nun erst wird das Fabrikat ein Kaufgegenstand für das Publikum. Zähle man nun die, beim jedesmaligen Zwischenverkauf aus einer Hand in die andere abfallenden zehn Prozente zusammen, so werde diese Summe vom Realwerthe des Tuches sechs oder sieben Zehntheile abziehen. Arbeiter und Kaufleute werden das Land verlassen um — bei allem Fleiß — nicht darin verhungern zu müssen und die Flamänder werden jene Artikel vom Auslande kaufen, welche sie bis jetzt dahin absetzten. Die Erhebung des hundertsten, zwanzigsten und zehnten Pfennigs wurde nun zwar „suspendirt“, doch ging dies in der Ausführung nicht so rasch, denn Alba brauchte Geld, viel Geld.</ref> <noinclude>
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zu genügen, so daß keine andere Nation des Nordens in dieser Hinsicht mit den Flamändern wetteifern konnte. Erst im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts begriffen die Engländer den Vortheil, den sie aus der Verarbeitung ihrer Wolle ziehen könnten und fingen an sich auf dieselbe zu legen. Bald verbreiteten sich die Tuchmanufakturen in England und die Flamänder sahen sich der englischen Wollen beraubt. Dieß bildete den Anfang des Verfalles dieser Industrie in Flandern und den Beginn neuer Auswanderungen.“[1]

       Mit diesen Nachrichten über die erste Einwanderung von Tuchmachern aus Flandern in hiesiger Gegend übereinstimmend sind die Angaben in der „Bibliothèque des antiqués Belgieque par Ed. Marshall, Anvers 1833 t. II. p. 43“, nach welchen sich im Jahre 1249 in den Ortschaften Huy, Saint-Trond, (Leau) Neau, Tirlemont, Maestricht u.a.O. flamändische Weber und Walker niedergelassen. Von den Tuchmachern dieser Zeit sagt ein Chronist: „Est genus hominum mercenarium, quorum officium est ex lino et lana texere telas, hoc procax et superbum super alios mercenarios vulgo reputatur“. (Es ist dieß eine Gattung Gewerbetreibende, deren Geschäft es ist, aus Leinen und Wolle Gewebe herzustellen, man bezeichnet sie gewöhnlich als frech und übermüthig gegen andere Gewerbetreibende.) Von ungleich größerem Einfluß dürfte indessen die Verwaltung der Niederlande unter Herzog Alba auf neue Auswanderungen gewesen sein.[2]


  1. Nach Notizen des Herrn Mondorf, Lehrer der höheren Bürgerschule († 17. Januar 1873.)
  2. Wie Alba die ihm Seitens des Königs Philipp II. ertheilten Instruktionen überschritten und die ihm anvertraute unbegränzte Vollmacht mißbrauchte, wie er grausam aus Politik das Geschehene nicht bloß bestrafte weil es geschehen, sondern um zugleich die kräftigsten Nerven der Nation zu durchschneiden und die Letztere zu ruiniren, wie er mordete, um durch den Schrecken die Menge zu überraschen und niederzubeugen, um seinen militärischen Operationen Nachdiuck zu geben, ist allgemein bekannt und auch hier nicht der Ort, darauf im Einzelnen einzugehen. Wohl aber scheint es mir zweckmäßig diejenigen Momente anzuführen, welche auf die Auswanderung und somit auf die Entwickelung der hiesigen Industrie von Einfluß gewesen.
           Im Lauft der Monate Januar und Februar 1568 wurden in Gent 143 Bürger durch öffentlichen Aufruf und Anschlag von Proskriptionslisten vorgeladen. Achtzehn derselben vertheidigten sich in Brüssel, wurden jedoch nichtsdestoweniger eines Abends ergriffen, paarweise aneinandergefesselt, in's Gefängniß geworfen und bald darauf hingerichtet. Die Güter wurden eingezogen und unter die spanischen Beamten vertheilt. Am verhängnißvollsten für die Niederlande wurde das Jahr 1569 durch das von Alba ersonnene neue Steuersystem: von allen beweglichen und unbeweglichen Kapitalien sollte ein Prozent, der sogenannte „hundertste Pfennig“ ein für allemal dem Fiskus zufallen; beim Verkauf von allen unbeweglichen Gütern der „zwanzigste Pfennig“, und beim jedesmaligen Verkauf aller beweglichen Guter der „zehnte Pfennig“. Alba führte unter anderen Beweggründen zu dieser Besteuerung an, daß „durch beständiges Verlangen von Geldbeiträgen das königliche Ansehen leide, umsomehr als die Staaten sich oft weigerten, solche „Bitten“ zu genehmigen, daß die Erbauung und Unterhaltung der neuen Festungen viel Geld koste und der zehnte Pfennig vornehmlich bloß die Kaufleute und Gewerbetreibende beschwere“, und erzwang auf einer am 20. März 1569 nach Brüssel einberufenen Versammlung durch ernste Drohungen die Zustimmung. Brabant, Flandern, Artois und Hennegau sandten Bevollmächtigte nach Spanien, um nachzuweisen, daß es der Nation schlechterdings unmöglich sei, eine Auflage wie der „zehnte Pfennig“ auszuhalten. In vielen Fällen müsse die Auflage allmählich dem Realwerth der Waaren gleichkommen, wie sich dieß am schlagendsten bei der Verarbeitung der Wolle zeige: zuerst wird die rohe Wolle angekauft, dann durch andere Hände verarbeitet, hierauf kauft sie der Tuchmacher, das Tuch kommt aus dessen Händen in die des Färbers, sodann in die des Kaufmannes und nun erst wird das Fabrikat ein Kaufgegenstand für das Publikum. Zähle man nun die, beim jedesmaligen Zwischenverkauf aus einer Hand in die andere abfallenden zehn Prozente zusammen, so werde diese Summe vom Realwerthe des Tuches sechs oder sieben Zehntheile abziehen. Arbeiter und Kaufleute werden das Land verlassen um — bei allem Fleiß — nicht darin verhungern zu müssen und die Flamänder werden jene Artikel vom Auslande kaufen, welche sie bis jetzt dahin absetzten. Die Erhebung des hundertsten, zwanzigsten und zehnten Pfennigs wurde nun zwar „suspendirt“, doch ging dies in der Ausführung nicht so rasch, denn Alba brauchte Geld, viel Geld.