Seefahrer aus dem Memelland: Unterschied zwischen den Versionen
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[[ | [[Der Seefahrerberuf unterscheidet sich fundamental von einem Beruf an Land. Während der übliche Beruf sich meist im vertrauten Kreis der Familie, am Ort, im Heimatland oder sonstwo auf dem Festland abspielt, hat der Seefahrerberuf regelmäßig zwei entscheidende Ereignisse als sein fest verankertes Charakteristikum: Das Abschiednehmen und die Begrüßung bei der Heimkehr. Dazwischen liegt für jeden Seefahrer ein mehr oder weniger langer Lebensabschnitt Abwesenheit, Unterwegssein mit Höhen und Tiefen. | ||
Mit der Wahl seines Berufs verzichtet der Seefahrer weitgehend auf den größten Teil seines Familienlebens, der Teilnahme am kulturellen Geschehen in seiner Heimat, der Beteiligung an gesellschaftlichen Ereignissen, wie Jubiläen, Vereinsfesten, Treffen der unterschiedlichsten Art, Wahlen usw. Zusätzlich muss er besonders dafür Regelungen treffen, dass wichtige private und behördliche Dinge durch jemanden an Land so problemlos erfolgen, dass keine Hindernisse oder Schäden durch Versäumnisse entstehen. | |||
Andererseits eröffnet ihm sein Beruf viele Eindrücke und Chancen, von denen er als junger Mensch schon lange geträumt hatte und die ihm bei einem bodenständigen Beruf verschlossen geblieben wären: Der Seefahrer lernt die große, weite Welt mit all ihren unterschiedlichen Ländern, Landschaften, Städten, Sehenswürdigkeiten, Menschen, Sitten und Bräuchen, Sprachen u. dgl. kennen. Er schließt sowohl an Bord eines Schiffes als auch irgendwo anders Freundschaft, oft mit Menschen ähnlichen oder gleichen Lebensplans. | |||
Dennoch ist es für jeden Seefahrer immens wichtig, mit den Seinen in der Heimat ständig in Verbindung zu bleiben. So gut es geht, schickt er auf jeder Fahrt von jedem angelaufenen Hafen eine Ansichtskarte – meist koloriert -, um den daheim Gebliebenen zu zeigen, wo er sich gerade aufhält, dass er gesund ist und dass die heimatliche Post bis zum So-und-Sovielten da oder da hinzuschicken ist, damit er sie auch ja erhält! Er ist sich sicher, dass daheim jemand ist, der die entsprechenden Aufzeichnungen führt, damit alles reibungslos klappt. | |||
Die „Lebenszeichen“ in Form von meist kolorierten Postkarten werden oft an allen möglichen freien Flächen ihrer Bilddarstellungen mit Nachrichten in eiligem Stenogrammstil versehen. Häufig muss dafür ein ganz spitzer Bleistift herhalten, um mit kleinen Buchstaben und engem Zeilenabstand möglichst viele Informationen zu Papier zu bringen. Tinte wird nur in ganz speziellen Fällen verwendet, z.B. wenn genügend Zeit zum Schreiben vorhanden ist oder die Nachricht an einen besonders wichtigen Adressaten gerichtet wird. | |||
Auf diesem Weg erfahren die daheim Gebliebenen viele Dinge aus der weiten Welt, die für sie neu sind und von denen sie bis dahin häufig noch nie etwas gehört oder gesehen haben. Sie sind stolz, dass „ihre Jungs das alles mitbekommen“. Und sie zeigen auch stolz all die mehr oder weniger kitschigen oder absonderlichen Mitbringsel ihrer zur See fahrenden Männer Besuchern oder Schaulustigen. Das gesamte elterliche Haus war mit solchen Sachen quasi wie ein komisches Museum ausstaffiert! | |||
Aus einer Fischersfamilie hervorgegangen, wurden die beiden Brüder Hans und Georg meiner Vorfahren väterlicherseits ganz selbstverständlich Seefahrer. Leider wurden beide nur 50 Jahre alt, haben aber über ihre erheblich jüngere unverheiratete Schwester ein Erbe in Form von Postkarten aus ihrer Seefahrerzeit um die Wende zum 20. Jahrhundert hinterlassen. Und die wiederum hat diesen „Schatz“ an mich, ihren Großneffen, weitergegeben. | |||
Noch heute, nach so vielen Jahren, vermag dieses Erbe interessante Eindrücke einer fernen Zeit, gefestigter Familienbande, früherer Technik, fremder Länder und Städte mit ihren Glanzpunkten, Problemen und Leistungen, aber auch über das Heimweh der Seefahrer zu vermitteln. Auch so manche unangenehme Nachricht war dabei, wie die über die schwere Erkrankung eines Bruders, über seinen Krankenhausaufenthalt in der Fremde, über den Tod des alten Vaters daheim, über das Schiff eines Seefahrers in Seenot. | |||
Dennoch: Eine Betrachtung der alten Postkarten lohnt sich! | |||
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Version vom 18. Oktober 2009, 12:54 Uhr
Bitte beachten Sie auch unsere Datensammlung aller bisher erfassten Personen aus dem Memelland |
[[Der Seefahrerberuf unterscheidet sich fundamental von einem Beruf an Land. Während der übliche Beruf sich meist im vertrauten Kreis der Familie, am Ort, im Heimatland oder sonstwo auf dem Festland abspielt, hat der Seefahrerberuf regelmäßig zwei entscheidende Ereignisse als sein fest verankertes Charakteristikum: Das Abschiednehmen und die Begrüßung bei der Heimkehr. Dazwischen liegt für jeden Seefahrer ein mehr oder weniger langer Lebensabschnitt Abwesenheit, Unterwegssein mit Höhen und Tiefen.
Mit der Wahl seines Berufs verzichtet der Seefahrer weitgehend auf den größten Teil seines Familienlebens, der Teilnahme am kulturellen Geschehen in seiner Heimat, der Beteiligung an gesellschaftlichen Ereignissen, wie Jubiläen, Vereinsfesten, Treffen der unterschiedlichsten Art, Wahlen usw. Zusätzlich muss er besonders dafür Regelungen treffen, dass wichtige private und behördliche Dinge durch jemanden an Land so problemlos erfolgen, dass keine Hindernisse oder Schäden durch Versäumnisse entstehen.
Andererseits eröffnet ihm sein Beruf viele Eindrücke und Chancen, von denen er als junger Mensch schon lange geträumt hatte und die ihm bei einem bodenständigen Beruf verschlossen geblieben wären: Der Seefahrer lernt die große, weite Welt mit all ihren unterschiedlichen Ländern, Landschaften, Städten, Sehenswürdigkeiten, Menschen, Sitten und Bräuchen, Sprachen u. dgl. kennen. Er schließt sowohl an Bord eines Schiffes als auch irgendwo anders Freundschaft, oft mit Menschen ähnlichen oder gleichen Lebensplans.
Dennoch ist es für jeden Seefahrer immens wichtig, mit den Seinen in der Heimat ständig in Verbindung zu bleiben. So gut es geht, schickt er auf jeder Fahrt von jedem angelaufenen Hafen eine Ansichtskarte – meist koloriert -, um den daheim Gebliebenen zu zeigen, wo er sich gerade aufhält, dass er gesund ist und dass die heimatliche Post bis zum So-und-Sovielten da oder da hinzuschicken ist, damit er sie auch ja erhält! Er ist sich sicher, dass daheim jemand ist, der die entsprechenden Aufzeichnungen führt, damit alles reibungslos klappt.
Die „Lebenszeichen“ in Form von meist kolorierten Postkarten werden oft an allen möglichen freien Flächen ihrer Bilddarstellungen mit Nachrichten in eiligem Stenogrammstil versehen. Häufig muss dafür ein ganz spitzer Bleistift herhalten, um mit kleinen Buchstaben und engem Zeilenabstand möglichst viele Informationen zu Papier zu bringen. Tinte wird nur in ganz speziellen Fällen verwendet, z.B. wenn genügend Zeit zum Schreiben vorhanden ist oder die Nachricht an einen besonders wichtigen Adressaten gerichtet wird.
Auf diesem Weg erfahren die daheim Gebliebenen viele Dinge aus der weiten Welt, die für sie neu sind und von denen sie bis dahin häufig noch nie etwas gehört oder gesehen haben. Sie sind stolz, dass „ihre Jungs das alles mitbekommen“. Und sie zeigen auch stolz all die mehr oder weniger kitschigen oder absonderlichen Mitbringsel ihrer zur See fahrenden Männer Besuchern oder Schaulustigen. Das gesamte elterliche Haus war mit solchen Sachen quasi wie ein komisches Museum ausstaffiert!
Aus einer Fischersfamilie hervorgegangen, wurden die beiden Brüder Hans und Georg meiner Vorfahren väterlicherseits ganz selbstverständlich Seefahrer. Leider wurden beide nur 50 Jahre alt, haben aber über ihre erheblich jüngere unverheiratete Schwester ein Erbe in Form von Postkarten aus ihrer Seefahrerzeit um die Wende zum 20. Jahrhundert hinterlassen. Und die wiederum hat diesen „Schatz“ an mich, ihren Großneffen, weitergegeben.
Noch heute, nach so vielen Jahren, vermag dieses Erbe interessante Eindrücke einer fernen Zeit, gefestigter Familienbande, früherer Technik, fremder Länder und Städte mit ihren Glanzpunkten, Problemen und Leistungen, aber auch über das Heimweh der Seefahrer zu vermitteln. Auch so manche unangenehme Nachricht war dabei, wie die über die schwere Erkrankung eines Bruders, über seinen Krankenhausaufenthalt in der Fremde, über den Tod des alten Vaters daheim, über das Schiff eines Seefahrers in Seenot.
Dennoch: Eine Betrachtung der alten Postkarten lohnt sich!
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Hier fehlt noch allgemeine Info
Bereiste Häfen
Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit
Amsterdam
Antwerpen
Buenos Aires
Cardiff und Charleston
China / Tsingtau
Dünkirchen
Genua
Hamburg
Las Palmas
Lissabon
Madeira
Malaga
Marseille
Montevideo
Nagasaki
Neapel
Newcastle Jamaica
Philadelphia
Port Said
Rotterdam
Sabang
Sansibar
Santos
Skansen
Swansea
Valparaiso
Quellen
Wie es zu dieser schönen Postkartensammlung kam können Sie hier lesen:
Bloß ein alter Schuhkarton ?
Impressionen eines Memelländers
Memeler Seefahrer
Memel war schon immer ist eine bedeutende und rührige See- und Handelsstadt. Wer sich zum Beispiel früher mit der Fähre nach Sandkrug auf der Kurischen Nehrung begab, passierte sowohl die eigentlich stets betriebsame Lindenauwerft mit den im Bau befindlichen Schiffen, mit ihren Schwimmdocks – mal leer, meist aber besetzt – als auch zahlreiche Schiffe und Boote in voller Fahrt oder auf Reede im Memeler Tief liegende größere oder kleinere Wasserfahrzeuge. Auf den Hafenanlagen herrschte stets reger Betrieb: Wareneingang und –abgang, Menschen steigen aus und steigen ein oder spazieren dort nur in verschiedenen Richtungen entlang. Geschäftigkeit, Neugierde, Muße, laute Begrüßung, trauriger Abschied.
Hinzu kommt dieser besondere Geruch: Ein Geruch von Wasser, Tang, Teer und Rauch! Dazu das schrille Möwengeschrei von morgens bis abends. Und dies alles zusammen strömte auf die Memeler von ihrer Geburt an ein – ganz abgesehen von den ererbten Genen ihrer Vorfahren. Welcher Memeler hatte nicht den Berufswunsch, eines Tages zur See zu fahren, Seemann zu werden, die große, weite Welt zu sehen, die hinter der Norder- und Südermole liegen musste? Und viele der Wünsche wurden wahr. Viele Memeler wurden Seefahrer – die einen als Matrosen, andere als Kapitän oder Steuermann.
Sicherlich haben alle jedoch zuvor nicht bedacht, auf welche wichtigen Dinge des Lebens sie bei ihrer Berufswahl verzichten würden: Keine Teilnahme an kulturellen, vielfältigen kommunalen oder familiären Ereignissen u.ä., lange Trennung von Freunden und Familie, kaum wichtige Maßnahmen planen, ausführen oder kontrollieren können usw. Alles dem überragenden Berufsziel „Seefahrer“ geopfert!
Auch in meiner Familie war das so. Zwei meiner Großonkel fuhren zur See. Und sie – die die Verwaltung ihres Hauses, die Pflege ihrer gebrechlichen Eltern und der Instandhaltung der Familiengräber auf dem Götzhöfener Friedhof ihrer weit jüngeren Schwester übertragen hatten – kamen wohl in den letzten Winkel der großen, weiten Welt!
Das belegen die zahllosen Postkarten, die sie eigentlich von überall nach Schmelz sandten. Auf ihnen teilten sie Wichtiges – z.B. wohin und bis wann ihre Schwester ihnen saubere Wäsche oder andere wichtige Dinge – schicken sollte. Sie ließen mit ihnen alle ihre Familienmitglieder grüßen und sie auf diesem Wege an der Welt draußen teilhaben. Oft klang aus dem Geschriebenen aber auch ihr Heimweh mit. Seemannslos!
Hin und wieder kam auch ein kleines oder etwas größeres Päckchen zu Hause an mit einem Souvenier darin. Ein Souvenier - oft mehr als kitschig - wurde aber auch bei jedem Besuch auf Schmelz als Mitbringsel übergeben. Aber, was soll`s? Ihre heimatliche Behausung sah damit jedenfalls bald wie ein Museum oder Antiquariat aus. Für alle aber auf jeden Fall eine bleibende Erinnerung an etwas oder jemand.
Und diese Postkarten wurden nicht fortgeworfen. Nein, um Gotteswillen, die zu Hause gebliebene Schwester bewahrte sie sorgsam in einem leeren Schuhkarton auf. Sie nahm „ihren Schatz“ sogar 1944 mit auf die Flucht und übergab ihn ihrem Großneffen, nämlich mir, „weil der für sowas ein Händchen hat “ – wie sie kurz vor ihrem Tod meinte.
Wer heute als Heimwehtourist „auf Besuch“ nach Memel kommt, sieht, hört und riecht das Flair dieser Stadt und versteht deren Berufswunsch besser denn je. Dies trotz der inzwischen eingetretenen vielfältigen Veränderungen. Dass es den heute dort Lebenden, mit ihrem Nachwuchs seefahrender Menschen ernst ist, sieht man an der auf Schmelz errichteten Seefahrtsschule. Hier werden junge Memeler zu Seeleuten unterschiedlichster Fachrichtung ausgebildet, um sie auf den Flüssen des Memellandes, auf der Ostsee und auf allen Weltmeeren ihren Mann stehen zu lassen. Auf diese Männer ist Memel stolz!
Gerhard Krosien, 2009