Heidnische Religion der Balten: Unterschied zwischen den Versionen

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*'''Kalwelis, Kalivs, Kalwaitis''': Gott als Himmelschmied, hämmert am Ufer des Himmelsmeeres, schafft jährlich eine neue Sonne, weil die alte in der Winterszeit durch böse Mächte verschlungen wurde, indem er eine Ring, eine Krone oder einen goldenen Becher schmiedet
*'''Kalwelis, Kalivs, Kalwaitis''': Gott als Himmelschmied, hämmert am Ufer des Himmelsmeeres, schafft jährlich eine neue Sonne, weil die alte in der Winterszeit durch böse Mächte verschlungen wurde, indem er eine Ring, eine Krone oder einen goldenen Becher schmiedet
*'''Karweitis, Karwaitis, Karwaicziu''': Gottheit für Kälber und Lämmer
*'''Karweitis, Karwaitis, Karwaicziu''': Gottheit für Kälber und Lämmer
*'''Kaugaris, Kaugarbis''': Gottheit der Berge, Hügelbewacher
*'''Kaukarus''': Gott der Berge
*'''Kaupuole, Kupole''' (weibl. Tochter ist Rasyte): Göttin für die Blütenpracht, Keimkraft und Feldvegetation, eine sterbende und wieder auferstehende Göttin
*'''Keliu Dewas''': Gott der Wege
*'''Kellukis''': Gottheit der Wanderer und der auf die Wege achtet
*'''Kerpēzus, Kerpintjus, Kerpiszus''': Gottheit der Moose und Flechten
*'''Kiauliu Kruke''': Gott der Schweine
*'''Kovas''' (lit): Gott für den Krieg
*'''Krukis''': Gott als Grunzer
*'''Krumine, Krūminie''': Gottheit für die ersten Ähren, Kernansätze der Ähren, Buschfrau, Halm-Jungfrau


(Beate Szillis-Kappelhoff)
(Beate Szillis-Kappelhoff)

Version vom 7. Juli 2009, 21:49 Uhr

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Die Tränen der Jurate

Tränen-Jurate.jpg

"Die Meeresgöttin Jurate entstieg eines Morgens der Ostsee und erblickte den schönen sterblichen Fischer Kastytis. Sie verliebte sich in ihn und wollte ihn gegen den Willen ihres Vaters Perkunas heiraten. Der Gott war über den Ungehorsam seiner Tochter derart erzürnt, daß er den Kastytis tötete und den braunen Bersteinpalast seiner Tochter, der sich am Meeresgrunde erhob, vor Wut zertrümmerte. Seitdem weint Jurate. Und wenn sie wieder einmal mit ihrer Trauer das Meer aufgewühlt hat, dann können wir ihre goldenen Tränen am Strand finden." (Baltisches Märchen)

Die Naturreligion

Bevor die Balten christianisiert wurden, waren sie keineswegs "Heiden", die einer Religion bedurften, sondern sie hatten einen Glauben, der dem japanischen Shintoismus (nicht dem Buddhismus) ähnlich ist. Sie glaubten, dass alles auf der Welt eine Seele hat, selbst die Steine waren manifestierte Seelen und wurden deshalb als heilig verehrt. Aus diesem Glauben resultierte ein tiefer Respekt gegen alle Lebewesen: Man nahm sich zum eigenen Lebensunterhalt nur das, was man wirklich brauchte und dankte dann dem Lebewesen beim Schlachten mit einem kleinen Ritual dafür, dass es für einen das Leben hatte hergeben müssen. Das Töten von Tieren oder das Fällen von Bäumen war in bestimmten Jahreszeiten mit einem Tabu belegt, um die Seelen nicht zu verletzen: Man lebte mit der Natur, nicht gegen sie und hatte auf diese Weise Jahrtausende lang das ökologische Gleichgewicht erhalten. "Da sie von unserem Gott nichts wußten, kam es dazu, daß sie statt Gott die gesamte geschaffene Welt verehrten: Sonne, Mond, Sterne, den Donner, Vögel, ja vierbeinige Tiere wie Kröten. Sie hatten überdies heilige Haine, Felder und Gewässer." Die Geister der Toten wohnten auf einem Sandhügel, auf dem Bänke und Tische standen, damit man den Toten einen Imbiss bringen konnte, um ihn mit ihnen zu teilen. Man glaubte nicht an Seelenwanderung sondern nahmn zwei Seelen an: Neben der Wele/ Vele, dem zu den Göttern emporsteigenden ätherischen Schattenwesen, gab es noch die Dusin/ Siela, ein Wesen, das die Erde nicht verließ, sondern sich in Bäume, Blumen, Säugetiere oder Vögel verwandelte. Die `dusin/ siela´ entwich dem Leib eines Toten als Odem, als Atemhauch, und nistete sich sogleich in einer Pflanze, einem Tier oder Vogel ein. Zuweilen verließ sie den Mund des Sterbenden auch als Schmetterling, als Biene, Maus, Kröte oder Schlange... Friedhofsbäume wurden nie gefällt oder gestutzt. Denn tat man diesen Bäumen etwas an, fügte man auch den Verstorbenen etwas Böses zu. Die Seele einer Frau entwich gerne in eine Linde oder Fichte, in einen Sperling, einen Kuckuck oder eine Ente; die Seele eines Mannes wechselte in eine Eiche, Birke oder Esche, aber auch in einen Falken, Raben oder Hahn.

Göttinnen

Für alle Bereiche des Lebens gab es Göttinnen und Götter, zumindest aber Gottheiten und Geister, denen mit Opfergaben zu danken war, die es zu besänftigen galt und an die man seine Bitten richten konnte. Die älteste Religionsschicht weist Göttinnen aus, die alle erdverbunden sind und ein von Ehrfurcht geprägtes Wissen um Pflanzen, Reptilien, Vögel, Haus- und Wildtiere haben. Die oberste Göttin war die Sonnengöttin Saule. Ihre Tocher war die Erdmutter Semina/ Žemyna, zärtlich Žeminele genannt. Eine wichtige Rolle im Leben spielte die Glücksgöttin Laima, die Göttin des Schicksals und der Neugeborenen, die als "Knospentreiberin" zu erkennen war. Ihre Allwissenheit zeigte sich in riesigen weißen Schlangen. In ihrer zweiten Funktion erschien sie als Kuckuck und war für die Lebensdauer und das Lebensglück zuständig. Beides hing gänzlich von ihr ab, und man opferte ihr an heiligen Orten Tonfiguren, sogenannte "Laima-Widder". Auch wurden Steine mit Löchern und mit glatter Oberfläche verehrt. Diese Laimasteine symbolisierten das Schicksal: Je nachdem wie die Göttin entschieden hatte, wurden sie größer oder kleiner. Der Laimastein eines armen Mannes zerfiel im Laufe der Zeit. In ihrem dritten Aspekt trat sie als Giltine, als Todesgöttin auf, die eine lange Zunge hatte, deren Stich giftig war. Sie erschien den Menschen als Holzpfahl, schwarzer Käfer oder als grüne Schlange (Žaltys).

Die Sonnengöttin Saule, die unermüdlich Strahlende und Lebenbringende, brauchte auch manchmal eine Pause. Zu den Sonnenwenden lud sie deshalb ihre sechs Planeten-Töchter ein, mit ihr zu feiern und zu tanzen. Da die Menschen als Kinder der Erdgöttin die Enkel der Saule waren, durften sie natürlich bei den ausgelassenen Sonnenwendfeiern nicht fehlen. Am Jahresende hatte Saule alle Kraft verbraucht und wurde immer schwächer. Die Tage wurden kälter, die Nächte länger. Also halfen ihr ihre Enkelkinder zur Wintersonnenwende, indem sie Lichter anzündeten und ihr so wieder ihre Kraft zurückgaben. So gut gepflegt, konnte Saule wieder strahlen, machte die Tage länger und wärmer, so dass die Menschen bald wieder Saat ausbringen konnten.

Die erste Sonnentochter war die Morgenröte Auschra/ Aušrine und gleichzeitig der Abendstern Wakarine, die in der Gestalt einer Stute oder einer weißen Kuh erschien. Sie hatte die Aufgabe, ihre Mutter Saule morgens zu wecken und ihr abends das Nachtlager zu bereiten. Natürlich gab es auch böse Gottheiten, die Laumen. Sie waren dafür verantwortlich, dass Kinder missgebildet zur Welt kamen oder manchmal spurlos verschwanden. Sie molken heimlich die Kühe leer und verzodderten den Pferden die Mähnen und waren sonst noch für alles mögliche Unheil verantwortlich.

Eine weitere Göttin machte mir mein Vater vertraut: Als ich einmal als Kleinkind in ein Kornfeld laufen wollte, erzählte er mir, dass darin die Kornmuhme (Rugiu Boba) wohne und die Saat beschütze. Wenn ich nun mutwillig das wachsende Brot zertrampeln würde, dann würde die Roggenmutter dafür sorgen, dass ich mich im Kornfeld verlaufen würde und nie wieder herausfände. Für ein kleines Mädchen angesichts der riesig erscheinenden Halme eine wahrhaft beeindruckende Geschichte. "Der Korngeist hauste im Roggenfeld oder in anderen Getreideäckern und steckte bei der Ernte in der letzten Getreidegarbe. Die litauischen Bauern gaben der allerletzten Roggengarbe die Gestalt einer Frau. Sie heißt noch heute `rugiu boba´, die Roggenmuhme. Sie wurde mitgenommen, beim Erntedankfest umjubelt und sodann bis zur nächsten Ernte im Haus aufbewahrt. Die Zahl der Göttinnen und Gottheiten ist unüberschaubar, aber besonders erwähnen möchte ich noch die guten Haus- und Feldgeister, die Kaukas, Kucks, Kux oder Cux: Sie wohnen nämlich unter dem Holunderbusch und freuen sich, wenn man ihnen etwas Essensreste unter den Holunderbusch bringt. Im Gegenzug belohnen sie die Familie mit Glück, beschützen das Haus vor Feuer und liefern jedes Jahr wohlschmeckende Holunderbeeren sowie gute Humuserde für unsere Beete.

Schlangen und Kröten

Nidden, kurische Grabtafeln in Krötenform
Nidden, Friedhof

Schlangen wurden sehr verehrt, und man schätzte sich glücklich, wenn sich eine Schlange hinter der Feuerstelle eingenistet hatte. Die fütterte man und beobachtete gewissenhaft, ob sie das Futter auch annahm. Einige Menschen verstanden sich darauf, mit den Schlangen zu flüstern und wurden von ihnen nicht gebissen. Die Sage sagt, dass später die Schlangen weniger wurden, und seit man die letzten beiden verbrannt hatte, erging es dem baltischen Volk schlecht. Die Ordensritter versuchten diesen "Aberglauben" auszurotten, indem sie den Schlangenkult verboten. Es gab aber auch Menschen, die die "Heiden" zwangen, ihre unter Tabu stehenden Hausschlangen zu töten.

Um zu verdeutlichen, wie lange ein Tabu wirken kann, sei hier der österreichische Diplomat Siegmund von Herberstein zitiert, der 1517 eine Gesandtschaftreise nach Moskau unternahm und bei Einheimischen übernachtete, wo er auch den Schlangenkult kennenlernte. Die Schlange war das Symbol der Erdgöttin, die in der Götterhierarchie ebenso hoch stand wie der Donnergott Perkunas. Jede Familie schätzte sich glücklich, wenn sich eine grüne Grasnatter, die übrigens ungiftig ist, im Hause in der Nähe der Feuerstelle niederließ, bedeutete dies doch, dass die Erdgöttin dem Haushalt gnädig war. Diese Schlange wurde mit Milch und Eiern gefüttert. Herberstein nennt die im Haus gehaltene Schlange "ihren Gott" und sagt: "Sy haben jr zeit, wann sy jren Göttern die speiss geben, setzen ain Milich in mitten jhrer wonung vnd khnien auf den Penkhn, so khumbt der wurm herfür vnd pheifft die leut an, wie die zornige gens, dan so betten vnd eheren die leut den mit vorchten an". Dann erfährt der Diplomat eine Geschichte, in der ein Bauer einen Gast aufgenommen hatte, der seinen Gastgeber überredete, als guter Christ nicht länger dem Aberglauben anzuhängen und die Schlange zu erschlagen. "Nit lang darnach khamb der selb mein wird wider, seine Pein zu sehen; der Paur hette ein krums maul vnd gegen dem Or gezogen." Der Frevler hatte also einen Schlaganfall erlitten, weil er das Tabu gebrochen hatte.

Auch Kröten symbolisierten Leben, Tod und Regeneration: Sie konnten Krankheiten auslösen, hatten aber auch Heilkräfte. In Nidden auf der Nehrung befindet sich noch ein alter Friedhof mit geschnitzten Steinfiguren, in die die alten Symbole eingraviert worden sind.

Götter

Mit Einzug der Indoeuropäer wurde die weibliche Götterschicht von einer Schicht männlicher Götter überlagert: Diese waren zuständig für die Beobachtung der Himmelkörper und ihrer Bewegungen und verkörperten sich durch Rinder, Pferde und Waffen. Götter halfen bei der Seefahrt, indem sie Sternbilder an den Himmel zeichneten und bestimmten die Berechnung der Aussaat- und Erntetermine. Besonders wichtig waren dabei die Plejaden/ Siebengestirn, litauisch Sietinas (Sieb) und prußisch Paytoran (Bienenschwarm) genannt.

Deiwus (prußisch)/ Devs (kurisch)/ Dievs (lettisch)/ Dievas (litauisch) war der oberste Gott, der im Zuge der Christianisierung mit dem Christengott verschmolz. Er war derart hochgestellt, dass er faktisch nicht genannt oder angerufen werden durfte. Schon gar nicht durfte man mit ihm hadern: "Mit Dievas läßt sich nicht rechten!" Er ist der Gott des leuchtenden Himmels, der Beschützer geschlossener Verträge sowie der Gott des Friedens, der Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Freundschaft.

Perkunos war der Befruchter und Reiniger und Ehemann der Erde, er gab den Männern die Zeugungskraft und nahm die Gestalt eines Stieres oder Ziegenbocks an. Mit seinen geschleuderten Pfeilen übermittelte er Fruchtbarkeit, wer davon getroffen wurde, hatte hernach Heilkräfte. Sein Baum war die Eiche, besonders eine solche, die durch Mistelbewuchs immergrün war. Hier wurden ewig brennende Feuer unterhalten. Wenn sie einmal erloschen, "mußte man an einer Eiche mit einem grauen Stein so lange reiben, bis die Rinde zu glimmen begann... Wenn eine Braut das mütterliche Haus verließ, nahm sie ein paar brennende Holzscheite mit." Frauen waren die Hüterinnen des Feuers im Hause. Im Memelland behielt Perkunos seine göttliche Stellung bei, und wenn sich der christliche Pfarrer gar nicht mehr zu helfen wußte und die Androhung kirchlicher Strafen nichts mehr nützte, dann drohte er in seiner Not mit Perkunas...und hatte Erfolg damit.

Perkunos zur Seite gestellt waren der dicke lachende rosige Gott Potrimpos, der Gott des Glücks, des Frühlings, der Saat, der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes sowie der fahle graue ausgemergelte Patolos, der gütige und hilfreiche Gott des Sterbens. In der heidnischen Religion gab es weder Teufel noch Hölle. Im Zuge der Christianisierung wurde dem guten Sterbegott Patolos die polnische Bezeichnung Pikollos (böse, Teufel) gegeben.

Ordenszeit

Die Litauer stellten auf heiligen Feldern (Elkas, Alkas) oder an heiligen Seen (Šventa = heilig) "Weltenbäume" auf: Das sind überdachte Holzpfähle mit Symbolen der Himmelsgottheiten. Die Bischöfe wiesen später die Geistlichen an, diese Gebetsstätten zu zerstören, wogegen sich die Szemaiten zu helfen wussten, indem sie ihre Weltenbäume listigerweise mit christlichen Symbolen anreicherten, so dass sie nun zwingend unter kirchlichem Schutz standen. Die Silben "Ram, Rom, Rum" (still, heilig) deuten auf Hauptheiligtümer (Rombinus, Rominter Heide) ebenso wie die Silbe "Lab-..." (gut). und so erkennt man heute noch an Ortsnamen, wo sich einst heidnische Heiligtümer befunden haben.

Der Ordenschronist Simon Grunau (ca.1470 - ca.1530), ein Dominikaner geriet einmal versehentlich in eine heidnische Feier. Dass er durchaus als Fremder erkannt wurde und quasi auf den Arm genommen wurde zeigt, dass der Prediger zunächst mit den zehn Geboten aufwartete. Schließlich hatte man um sein Leben zu bangen.

„Die Bruteni nanten ihren obirsten herren, der sie regirte im nahmen irer götte kirwaido das ist gottis muntt, die Masuren in nanten criwe, is hott aber nix auff sich, wen es bedeut ein person. Und wardt so vorhalten, domit einer zu dem andern sprach, hostu auch unseren kirwaiden gesehen, sprach er nein, so sagte der in fragte, und ich in hab gesehen, darumb bin ich heiliger, wen du.“ (Kriwe war der oberste Priester, ihm unterstanden Waidelotten). „Wie wol is teufflisch gespenst war mit ihren göttin, so hetten sie doch viel waidlotten, sowol von frauen als von mennir, ...“ „Wiewol bey den kirwaiden zu Rickoyot viel waidler worden und waidlin, die alle arbeit genugk hetten in dem opphirn den götthirn dos feuer zu halten und wie den ihre dienst woren...“ „Wie aber alle dinge do zugangen ist, hab ich nicht gefunden sunder wie itzund der undeutschen Preussen waidlen zugehet, ich is also gesehen habe, aber unwaenes dorzu qwam dan sie halten is gantz stille. Ich qwam in ein haus eines dorffes und fandt in der stuben viel mennir und frauen, welche in Preuschir sproche predigte ein alter pauer ir waidlott. Sie entpfingen mich ein iglicher mit seinem messer mich zu todten, so gebrach ich is ag am waidlotten, und er sprach ein wort. Den gobin gottis ich is dancke, und ich kundt ein wenigk Preusch, mit welchin ich bat umb mein leben, ich wolt thun, was sie wollten. Und sie hörten von mir ire sprache, sie wurden irfreuet und schrigen alle sta nossen rickie, nossen ricki (Er ist unser Herr, einer von uns), und muste ein eit schweren im namen Perkuno des gottis, und ich is nit wult dem bischoff sogen, der ir herre war, und ich schwur und hilffe mit waidelen. Dem weidler so ein stul und geses gemacht hetten so hoch, domit es gar nohende an der stuben decke reichte mit seinem haupte, und so in predigte. Zum irsten er in do sagte von irem herkommen und was sie etwan gethon hetten. Dornoch er in vor alte die 10 gebot gottis, und werlich und ich sie bis auff den tagk ny so schon hette gehörtt. Noch dem, sy ein bogk nomen und in gebenedeiten und ein langes gebet ubir in thettin. Dornoch sy gingen zu ein iglicher in sonderheit und im beichten musten ire missethat, das ist, dos er gethon hette widder die lernungk des waidlotten. Noch diesem allis man den bogk helt und der waydlott im das heuppt abeheut, das blut sie fangen und is irem krancken vich geben, sy in schinden und in stucken hauen, und die frauen haben ein gluenden backofen. Das fleisch vom bocke sie auff eichen blette legin und is so brotten. Under diesem brodten ein iglicher sich vor dem waidlotten kniet, und der waidelotte zeuhet in bey den horen und gibt im eine gutte hubsche, und ist ein absolucio. Noch allen so steigt abe der waidlott, und sie alle zugleiche im ins haer fallen und zien, domit er mechtigk schreie, von welchim geschrei sie ist halten, und jo grösser is gewest ist, jo me in gott sunde vergeben hat. Noch diesem man die frauen vornimpt, und sie auch lernett, wie sie im thun sal. Dornoch sie heben an zu trincken und essen und dis sie nennen kirwaiten und mus jo niemandt nuchter sondern gantz trunken heimgehen.“


Neuzeit

20NiddenGrabkreuz Sakuth 2.jpg

Unheimlich war es für die Balten, dass die Ordensritter (Rittibaltas, „baltas“: weiß, also wörtlich Ritter-weiße) auf Schimmeln ritten und sich weiße Hunde und weiße Tauben hielten, denn weiße Tiere und Albinos waren mit Tabu belegt und brachten Unheil. Das Christentum wurde mit dem Schwert gebracht und kostete viele Menschenleben. Trotzdem gab es später Geistliche, die sich auch um das Seelenheil der Einheimischen kümmerten, ihre Sprache erlernten und Bibelübersetzungen herausgaben. Bis in die Mitte des 19.Jh. gab es noch gelegentlich Predigten in prußischer Sprache, danach kann man diese Sprache als ausgestorben betrachten. Nachdem die litauische Sprache mit Hilfe der prußischen wieder rekonstruiert worden war und gedruckte Bücher erschienen, konnten auch deutsche Prediger und Lehrer eine baltische Sprache erlernen.

Die Frömmigkeit war sehr groß, wenn man auch zur eigenen Sicherheit parallel noch den alten Göttern huldigte. Bei Taufen und beim Beerdigungsschmaus ging immer noch der erste Schnaps zu Ehren der Erdgöttin auf den Boden und beim Friedhofsbesuch legte man weiterhin einen kleinen Imbiss auf das Grab. Aber man besuchte doch gerne und ausgiebig den christlichen Gottesdienst. Mein Vater, der als Lehrer und Kantor in Rugeln und anderen Dörfern auch für das sonntägliche Spielen der Orgel zuständig war, berichtete, dass sich die Dörfler lange vor Beginn des Gottesdienstes einfanden und sich innigst mit Liedersingen einstimmten. Beliebt waren die Choräle von Paul Gerhardt, die über siebzig Strophen hatten und deren alle gesungen wurden. Der Name des Textdichters wurde ebenso geehrt wie das Lied selbst, und so intonierte die Gemeinde am Schluss inbrünstig "Poul Jäährhardt".

„Der Predigt folgen sie mit der größten Aufmerksamkeit, besprechen sie hinterher untereinander und gehen auch wohl noch zum Geistlichen, um sich nähere Aufklärung zu erbitten, oder ihm darüber ihre Ansicht mitzutheilen. Bei besonders rührenden Stellen fängt Einer, gewöhnlich von den Alten, zu stöhnen und zu seufzen an, um dadurch theils seine eigene Andacht zu beweisen, theils Andere dazu aufzumuntern; alsbald stimmen die Übrigen ein, ein bewegliches Stöhnen und Seufzen erfüllt das Haus und zwingt den Prediger nicht selten inne zu halten. Sie werden nicht leicht etwas unternehmen, ohne dafür auf der Kanzel zu bitten und nach glücklich beendigtem Geschäft dafür danken zu lassen. Je kräftiger und länger solche Fürbitten und Danksagungen vom Prediger gehalten werden, desto höher werden sie geschätzt, und die Geistlichen haben davon, besonders in den wohlhabenden Gegenden, eine gute Nebeneinnahme. Man läßt nicht nur für Menschen, sondern auch für das Vieh beten, um schön Wetter, gute Ernte und Erhaltung von Besitz und Vermögen.“

Baltische Götter, Göttinnen, Gottheiten

  • Aitvaras (lit): Gott, Luftgötter, lebten im Himmel oder in Wäldern, fliegender Getreide- Drache, unter christlichem Einfluß vermutete man sie im Kornspeicher und bezeichnete sie als Diebe, weil sie ihren Verehrern Weizen und Gerste durch die Luft zutrugen. Sie regelten menschliche Beziehungen und beeinflussten die Gesundheit, waren unsterblich und regenerierten sich, falls verwundet, durch die Berührung mit der Erde
  • Aitwaras, Aitwars (pr.): Gottheit in Sumpfgebieten, wohnt oberhalb der Erde, Gestalt Drache oder große Schlange, Kopf feurig, tun Gutes und Schlechtes, können nur mit Magie vertrieben werden. Wenn man einen Aitwars fliegen sieht, muß man mit dem Messer auf den Boden zeigen, um ihm sein eigenes Revier zu zeigen. Als Strafe kann man mit Läusen überschüttet werden oder er zündet das Anwesen an. Aber letzlich ist er vertrieben. Opfergabe: unberührtes Gebratenes oder Gekochtes
  • Algis: Gottheit als Herold
  • Alka: Götterbild
  • alkaimas, alkakaimas, alkeimas: Götterdorf
  • Apidemis: Gottheit für den Wohnungswechsel
  • Aschviniai, Ašviniai: Göttliche Zwillingssöhne der Saule in Gestalt von weißen Hengsten mit goldenen Mähnen, die Saules Himmelswagen ziehen
  • Audrus, Audras: Gottheit für Sturmflut und Orkan
  • Ausaitis (lit), Pilnytis (lit): Gott für die Gesundheit
  • Ausca (pr), Wakarine, Wākarīne (pr), Žwierine, Žvoruna, Auschrine, Aušrinne (lit): Göttin der Morgenröte, Göttin Venus, Tochter der Saule, Morgensternbewacherin, in Gestalt einer Stute durchschwimmt sie Wellen, als weiße Kuh erscheint sie in Märchen, verschmolz mit der Jungfrau Maria, Gottheit, Abendsternbewacherin, Wakarine: Göttin Venus als Abendstern im Gegensatz zu Auschrine (Venus als Morgenstern): beides sind Sonnenmägde. Auschrine macht der Sonne morgens das Feuer an, Wakarine richtet ihr abends das Lager.
  • Auschautas, Aušautas (pr), Aušveitis, Saturm Äskulap: Gottheit der Morgenröte, Gott der Kranken und Gesunden, der gute Gott
  • Auschauts, Aušauts: Gott der Verschuldung, Kranken und Genesenden
  • Auseklis: Gott, Bruder der Auschrine bzw. Pendant aus der männlichen Ära, zeigt sich in Gestalt eines Hengstes oder Stieres
  • Austeja, Austaja: Göttin der Bienen, Vermehrerin der Bienen und Menschen, Beschützerin heiratsfähiger Mädchen und schwangerer Frauen
  • Autrimpas (pr): Gott des Meeres, Seegott
  • Autrimpus, Natrimpus, Potrimpus: Gott der Vorjahreszeit, Schmiedegott, später Kriegsgott
  • Azpelenie, Ažpelenie: Gottheit, Herdwinkelbewacherin
  • Bangputtis, Bangputijs : Göttin der Wellen, des Meeres, des Wellenbewegens u. –schlagens, Tochter der Windmutter (fuhr in einem Boot mit goldenem Anker über das sturmgepeitschte Meer)
  • Bardoaitis, Bardoyats, Perdoyts: Gott der Schiffer und Seeleute, kann Schiffe umblasen, deshalb Opfergabe Fische)
  • Baube: Gottheit des Viehbrüllens, weibl., Brüllerin
  • Baubis: Gottheit des Viehbrüllens, männl.
  • Brekschta, Brekšta: Göttin der Dämmerung
  • Budintāja: Gottheit als Wachmacherin, Erweckerin, die Summerin
  • Ceroklis: Gott der Gastlichkeit
  • Deiwas, Dewus, Deiwa(n)s, Deiwan, Deiws, Dievas, Diev: Gott, Götter
  • deiwinat: Gottesdienst halten
  • deiwiskai: göttlich
  • Deiws ast teikawuns switan (pr.): Gott hat die Welt geschaffen
  • deiwutiskan (pr.): göttlich, selig, Gottseeligkeit
  • Dekla: Göttin der Gebärenden und Kinder
  • Derintis, Derrintois: Gott, der Verträge besiegelt
  • Devus, Dewus (pr), Ukkopirmas, Dievas = Praamzius (lit) = Prakurimas, Ikurejas, Sotvaras (Suvalkija), Nrnadeeves (13.Jh.), Occopirmus = Uokopirmas (pr.16.Jh.), Triglav (slaw. dreiköpfiger Gott Jarovit-Ruevit-Svantevit): Gott, ranghöchster zusammen mit Saule, verschmolz später mit dem Christengott, Gott des leuchtenden Himmels, Beschützer geschlossener Verträge, Gott des Friedens und der Freundschaft, versinnbildlichte den Jahreszyklus: zu Weihnachten erwacht er (Hirsch mit 9 Geweihsprossen) und triumfiert zur Sommersonnenwende (Birke). Seine Entscheidungen sind in Stein geschrieben, es gibt keine Flucht davor, es symbolisiert das Gestern-Heute-Morgen
  • Diewe wam padek! (pr.): Gott helfe mir!
  • Diewe pasutin mus! (pr.): Gott sättige uns!
  • Dimstipati (weibl.), Dimstipattis (männl.): Göttin des Hauses, die am wichtigsten Platz in der Ecke hinter dem Tisch vermutet wird, nur von Frauen angebetet, später Gott für Hofherren
  • Drebkullys: Gott des Erdbebens
  • Dugnaija: Gottheit für das Bierzubereiten
  • Duotaias: Gott als Geber
  • Dwargautis: Gottheit für das Hofhüten
  • Ežerinis (lit.): Göttin der Land-Seen
  • Eraicziu: Gott der Lämmer
  • Eratinis: Gott für Lämmer und Schafe
  • Gabija : Göttin des personifizierten Feuers
  • Gabjauija (weibl. pr.), Gabjaujis (männl. lit.), Jagaubis: Göttin für das Feuer auf der Dreschdiele (jauja), der gefüllten Scheunen, bschützt nicht nur das Feuer, auch Hof und Vieh, wurde zur Dreschzeit in der Tenne angerufen, man opferte ihm einen Hahn, den man unter einem übergestülpten Topf aufbewahrt hatte
  • Gabwartei: Gott als Feuer-Abwender
  • Gaddinauti, Dworgantis: Gottheit, die Hof und Gehöft bewacht
  • Ganīklus Dewas: Gott für das weidende Vieh
  • Ganda, Janda: Gottheit des Schicksals für Mädchen, um Schrecken abzuwenden
  • Ganiklis (lit): Gottheit für das Herdenbehüten, Gott der Schafhirten
  • Gardetis, Gardonaitis: Gottheit für das Herdenbehüten, Gott der Schafhirten
  • Giltine, Gelténe, Giltene: Göttin, freundliche Todesgöttin, die Sorge trägt, daß Menschen auf Erden nicht als überflüssig empfunden werden, später Göttin für den schmerzhaften Tod, giftiger Zungenstich (= indische Kali), Würgerin in Pestzeiten, Schwester der Laima bzw. ihr 2.Aspekt
  • Giraitis, Girristis, Gyrsystis: Gott des Waldes
  • Giristis, Girīstis, Girystis: Gottheit für das Bewachen des Waldes, Waldwächter
  • Guze, Gusze, Guže: Göttin der Wanderer und Reisenden
  • Indraja: Göttin Jupiter, Tochter der Saule
  • Jagaubis, Ugniszwenta: Gott des Feuers
  • Jauci Baūbis: Gottheit für das Brüllen der Ochsen, Ochsenbrüller
  • Juras Māte (lett): Göttin für das Meer, Meermutter
  • Kaikoratas: Gottheit derPferde
  • Kalwelis, Kalivs, Kalwaitis: Gott als Himmelschmied, hämmert am Ufer des Himmelsmeeres, schafft jährlich eine neue Sonne, weil die alte in der Winterszeit durch böse Mächte verschlungen wurde, indem er eine Ring, eine Krone oder einen goldenen Becher schmiedet
  • Karweitis, Karwaitis, Karwaicziu: Gottheit für Kälber und Lämmer
  • Kaugaris, Kaugarbis: Gottheit der Berge, Hügelbewacher
  • Kaukarus: Gott der Berge
  • Kaupuole, Kupole (weibl. Tochter ist Rasyte): Göttin für die Blütenpracht, Keimkraft und Feldvegetation, eine sterbende und wieder auferstehende Göttin
  • Keliu Dewas: Gott der Wege
  • Kellukis: Gottheit der Wanderer und der auf die Wege achtet
  • Kerpēzus, Kerpintjus, Kerpiszus: Gottheit der Moose und Flechten
  • Kiauliu Kruke: Gott der Schweine
  • Kovas (lit): Gott für den Krieg
  • Krukis: Gott als Grunzer
  • Krumine, Krūminie: Gottheit für die ersten Ähren, Kernansätze der Ähren, Buschfrau, Halm-Jungfrau

(Beate Szillis-Kappelhoff)

Literatur

  • Barfod, Jörn: Volkskunde des Memellandes, Die Sammlung Hugo Scheu in Heydekrug, Husum 2002
  • Bertuleit, H.: Das Religionswesen der alten Preussen mit litauisch-lettischen Parallelen, in Sitzungsbericht d. Altertumsgesellschaft Prussia, H. 25 Kbg 1924
  • Frischbier, H.: Hexenspruch und Zauberbann, Berlin 1870/ Hannover 1970
  • Froelich, G.: Beiträge zur Volkskunde des preußischen Litauens, Insterburg 1902, in Beilage zum Osterprogramm des königlichen Gymnasiums Insterburg
  • Fuchs, H.: Die Bewohner der Kurischen Nehrung im Spiegel der Sagen, Göttingen 1969/ Oldenburg 1971
  • Gaerte, Wilhelm: Volksglaube und Brauchtum in Ostpreußen, Würzburg 1956
  • Gaerte, W.: Das altpreußische Weiberfest, Tolkemita-Texte Dieburg
  • Gimbutas, Marija: Die Balten, Herbig München 1983
  • Gottesidee und Cultus bei den alten Preussen. Ein Beitrag zur vergleichenden Sprachforschung, Berlin 1870
  • Johansons, Andrejs: Der Wassergeist und der Sumpfgeist, Almquist & Wiksell, Stockholm 1968
  • Krollmann, C.: Das Religionswesen der alten Preußen, Tolkemita-Texte Dieburg
  • Lange, Erwin Rudolf: Sterben und Begräbnis im Volksglauben zwischen Weichsel und Memel, Holzner-Verlag Würzburg 1955
  • Lölhöffel-Tharau v., Hedwig: Vom Festefeiern in Ostpreußen, Landsmannschaft Ostpreußen, Leer 1987
  • Mannhardt, Wilhelm: Letto-Preussische Götterlehre, Lettisch-Literärische Gesellschaft, Riga 1936
  • Martinkus, Andrius „Über Religion, Politik und janusköpfige Normen“, in Annaberger Annalen Nr. 8, 2000
  • Meškauskas, Pranas: Volksbräuche im litauischen Familienleben (Niederkunft, Taufe, Hochzeit und Begräbnis der preußischen Litauer), Inaugural-Dissertation, Tilsit 1936
  • Podehl, H.G.: Die prußischen Gedichte (m.Übersetzung), Dieburg 1984
  • Rhesa, Ludwig: Dainos oder Litthauische Volkslieder, Königsberg 1825
  • Russwurm, C.: Heilige Bäume, in Inland, Nr.17, Jg.1857
  • Tettau, v.: Volkssagen Ostpreußens, Litthauens und Westpreußens, Berlin 1837
  • Veckenstedt, E.: Die Mythe, Sagen und Legenden der Zamaiten, Bd 1,2, Heidelberg 1883
  • Wiesner, J.: Die Herkunft der ostpreußischen Bildsteine, in Alt-Preußen Jahrgang 7 Heft 3, Tolkemita-Texte Dieburg
  • Wolter, E.: Perkunastempel und litauische Opfer- und Deivensteine, in Mitteilungen der Lit.-liter.Gesellschaft,4, 1899
  • Wüstendorfer, Ch.: Patulne und Tyrune, Königsberg 1930, Leer 1981
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