Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/3/276: Unterschied zwischen den Versionen
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sich scheueten, welche doch die Obrigkeit und ganze gemeine Stadt für christlich erkenne und halte. Es heißt darin: „Weil das ganze menschliche Heil daran stehe, daß man Gottes Wort höre und glaube, und daß auch das arme, arbeitsame, am Verstande so schwache und ungeübte Landvolk zu seinem Nutzen geführet werde, dem es noch viel mehr als Anderen von nöthen sey, durch die Obrigkeit gezogen zu werden: so solle ihnen von Obrigkeitswegen geboten werden, Sonntags sich mit Knechten und Gesinden zur Predigt zu begeben“. Die Bremer Kirchenordnung aus demselben Jahre beruft sich zum Beweise der obrigkeitlichen Pflicht, sich der kirchlichen Angelegenheiten anzunehmen, sogar darauf, daß Nimrod ein gewaltiger Jäger gewesen sei vor dem Herrn. Luther selbst, ohne Zweifel durch manche Erfahrungen erschüttert in seinen früheren Ansichten über die Befähigung des Volks für eine solche Gemeindefreiheit in kirchlichen Dingen, wie er sie vorher im Sinne gehabt hatte, bricht wiederholt in Klagen aus, daß der Haufe die Freiheit mißbrauche. Er äußert sich einmal selbst dahin: „Es wäre fein, wenn der Fürst aus weltlicher Obrigkeit Pfarrherrn und Pfarrkindern bei Strafe geböte, den Katechismus zu treiben und zu lernen, auf daß sie, wenn sie Christen seyn und heißen wollten, auch gezwungen würden, zu lernen und zu wissen, was ein Christ wissen solle, Gott gebe er glaube daran oder nicht“. Allein er hielt immer noch fest an seiner Unterscheidung zwischen dem geistlichen und weltlichen Regimente. Auch Melanchthon schreibt einmal, er ließe es sich gefallen, wenn die Obrigkeit ernstlich darauf hielte, daß das Volk sonderlich an Feiertagen zur Kirche getrieben werde. Er will indessen doch dem Staate nur die Handhabung des Gesetzes anvertraut wissen, aber nicht die Einführung des Evangeliums. In einem Gutachten der Wittenberger Theologen (Luther, Bugenhagen, Cruciger, Jonas und Melanchthon) von 1536 ist das Territorialprincip schon deutlich ausgesprochen: jede Obrigkeit müsse bei den Kirchen, die zu ihrem Gebiete oder Patronate gehörten, gottlose Culte abschaffen und gottwohlgefällige einführen; die Obrigkeit sei nicht bloß Hüterin der zweiten, auch der ersten Tafel des Gesetzes. Zu diesen schwankenden und vergeblichen Versuchen, ein klares Verhältniß zu begründen, kam noch hinzu, daß vielfach die Begriffe von Staat und Kirche mit den Begriffen von Staatsämtern und Kirchenämtern verwechselt wurden. Melanchthon äußert |
Aktuelle Version vom 22. August 2008, 16:07 Uhr
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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte | |
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sich scheueten, welche doch die Obrigkeit und ganze gemeine Stadt für christlich erkenne und halte. Es heißt darin: „Weil das ganze menschliche Heil daran stehe, daß man Gottes Wort höre und glaube, und daß auch das arme, arbeitsame, am Verstande so schwache und ungeübte Landvolk zu seinem Nutzen geführet werde, dem es noch viel mehr als Anderen von nöthen sey, durch die Obrigkeit gezogen zu werden: so solle ihnen von Obrigkeitswegen geboten werden, Sonntags sich mit Knechten und Gesinden zur Predigt zu begeben“. Die Bremer Kirchenordnung aus demselben Jahre beruft sich zum Beweise der obrigkeitlichen Pflicht, sich der kirchlichen Angelegenheiten anzunehmen, sogar darauf, daß Nimrod ein gewaltiger Jäger gewesen sei vor dem Herrn. Luther selbst, ohne Zweifel durch manche Erfahrungen erschüttert in seinen früheren Ansichten über die Befähigung des Volks für eine solche Gemeindefreiheit in kirchlichen Dingen, wie er sie vorher im Sinne gehabt hatte, bricht wiederholt in Klagen aus, daß der Haufe die Freiheit mißbrauche. Er äußert sich einmal selbst dahin: „Es wäre fein, wenn der Fürst aus weltlicher Obrigkeit Pfarrherrn und Pfarrkindern bei Strafe geböte, den Katechismus zu treiben und zu lernen, auf daß sie, wenn sie Christen seyn und heißen wollten, auch gezwungen würden, zu lernen und zu wissen, was ein Christ wissen solle, Gott gebe er glaube daran oder nicht“. Allein er hielt immer noch fest an seiner Unterscheidung zwischen dem geistlichen und weltlichen Regimente. Auch Melanchthon schreibt einmal, er ließe es sich gefallen, wenn die Obrigkeit ernstlich darauf hielte, daß das Volk sonderlich an Feiertagen zur Kirche getrieben werde. Er will indessen doch dem Staate nur die Handhabung des Gesetzes anvertraut wissen, aber nicht die Einführung des Evangeliums. In einem Gutachten der Wittenberger Theologen (Luther, Bugenhagen, Cruciger, Jonas und Melanchthon) von 1536 ist das Territorialprincip schon deutlich ausgesprochen: jede Obrigkeit müsse bei den Kirchen, die zu ihrem Gebiete oder Patronate gehörten, gottlose Culte abschaffen und gottwohlgefällige einführen; die Obrigkeit sei nicht bloß Hüterin der zweiten, auch der ersten Tafel des Gesetzes. Zu diesen schwankenden und vergeblichen Versuchen, ein klares Verhältniß zu begründen, kam noch hinzu, daß vielfach die Begriffe von Staat und Kirche mit den Begriffen von Staatsämtern und Kirchenämtern verwechselt wurden. Melanchthon äußert