Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/004: Unterschied zwischen den Versionen

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Status geänd. "unkorrigiert")
K (Tippfehler korrigiert)
Zeile 3: Zeile 3:
Ansiedler blieben lange im Amt und indem sie Erfahrung sammeln, dienen sie den andern Amtsleuten der Wolost- und Dorfverwaltung als Rathgeber und sind in schwierigen und verwickelten Dingen fast stets die Seele vernünftiger Beschlüsse der Wolost- und Gemeindeversammlungen, des Wolostgerichts und des Wolost- und Dorfamtes. Und das ist natürlich.
Ansiedler blieben lange im Amt und indem sie Erfahrung sammeln, dienen sie den andern Amtsleuten der Wolost- und Dorfverwaltung als Rathgeber und sind in schwierigen und verwickelten Dingen fast stets die Seele vernünftiger Beschlüsse der Wolost- und Gemeindeversammlungen, des Wolostgerichts und des Wolost- und Dorfamtes. Und das ist natürlich.


Indessen werden die Schreiber der Ansiedler, die nach dem Gesetz nicht berechtigt sind, die Abfassung von Beschlüssen wie überhaupt von Actenstücken, die sie für ungesetzlich halten, abzulehnen (Art. 92 der Allgem. Bauernordnung), für ungesetzliche Entscheidungen und Beschlüsse des Wolostgerichts und der Gemeinde-Versammlungen von einigen Kreisbehörden des Südens, auf Grund der 3. Anmerkung zu Art. 51 der Allg. Bauernordnung, gleich denjenigen Amtspersonen zur Verantwortung gezogen, auf deren Verlangen sie solche Beschlüsse und Bestimmungen niederschrieben; manchmal werden die Schreiber von der Kreisbehörde und selbst vom Gouverneur einzig und allein auf einen Bericht oder eine Mittheilung hin vom Amte entfernt, ohne Untersuchung an Ort und Stelle und ohne Anhörung ihrer Rechtfertigung, und für Fahrlässigkeiten im Dienst können auch der Wolost- und der Gemeindevorsteher die Schreiber beahnden. (Art. 126 der Allgem. Bauernordnung.) Wie weit einen ränkesüchtigen Wolostvorsteher seine Macht über den Schreiber verleiten kann, dafür nur ein Beispiel: Zu Anfang des Jahres 1881 weigerte sich Wolostvorsteher N. N. in N.<ref>Im Original sind die Namen genannt.</ref>, obgleich derselbe weder ein richtiges Russisch versteht, noch das Geschäftsverfahren kennt, ordnungsmäßig vom Schreiber verfaßte Papiere zu unterschreiben; als er einst allein mit dem Schreiber war, verlangte er von demselben, er solle ein von der Aushebungsbehörde ausgefertigtes unrichtiges Landwehrmannszeugniß verbessern, und ein ander Mal verlangte er, der Schreiber solle einen eingelaufenen schriftlichen Befehl des Polizeiprislaws, laut welchem der zum Solskii erwählte Bruder des Wolostvorstehers zu vereidigen war, vernichten. Es riskiren also die Schreiber der Ansiedler seit 1871 beständig, für die Sünden Anderer mitbüßen zu müssen und ohne Untersuchung entsetzt zu werden; außerdem kann die Macht von Amtsleuten, die nicht immer fähig sind das Richtige oder Unrichtige in der Handlungsweise der Schreiber zu beurtheilen, zu einer unerträglichen Last für den Schreiber werden und einen guten Schreiber verkehren und verderben. Und eine solche Ordnung der Dinge ist nicht mehr normal und natürlich. Es dünkt uns, daß wenn die gleichfalls rechtlosen Schreiber der Bauern (???), die für eine Merge arbeiten, die zu ihrer Würdigung unfähig ist und darum ihnen fortwährend mit Mißtrauen lohnt, einen hinreichenden Lohn erhalten und nicht der Macht von
Indessen werden die Schreiber der Ansiedler, die nach dem Gesetz nicht berechtigt sind, die Abfassung von Beschlüssen wie überhaupt von Actenstücken, die sie für ungesetzlich halten, abzulehnen (Art. 92 der Allgem. Bauernordnung), für ungesetzliche Entscheidungen und Beschlüsse des Wolostgerichts und der Gemeinde-Versammlungen von einigen Kreisbehörden des Südens, auf Grund der 3. Anmerkung zu Art. 51 der Allg. Bauernordnung, gleich denjenigen Amtspersonen zur Verantwortung gezogen, auf deren Verlangen sie solche Beschlüsse und Bestimmungen niederschrieben; manchmal werden die Schreiber von der Kreisbehörde und selbst vom Gouverneur einzig und allein auf einen Bericht oder eine Mittheilung hin vom Amte entfernt, ohne Untersuchung an Ort und Stelle und ohne Anhörung ihrer Rechtfertigung, und für Fahrlässigkeiten im Dienst können auch der Wolost- und der Gemeindevorsteher die Schreiber beahnden. (Art. 126 der Allgem. Bauernordnung.) Wie weit einen ränkesüchtigen Wolostvorsteher seine Macht über den Schreiber verleiten kann, dafür nur ein Beispiel: Zu Anfang des Jahres 1881 weigerte sich Wolostvorsteher N. N. in N.<ref>Im Original sind die Namen genannt.</ref>, obgleich derselbe weder ein richtiges Russisch versteht, noch das Geschäftsverfahren kennt, ordnungsmäßig vom Schreiber verfaßte Papiere zu unterschreiben; als er einst allein mit dem Schreiber war, verlangte er von demselben, er solle ein von der Aushebungsbehörde ausgefertigtes unrichtiges Landwehrmannszeugniß verbessern, und ein ander Mal verlangte er, der Schreiber solle einen eingelaufenen schriftlichen Befehl des Polizeiprislaws, laut welchem der zum Solskij erwählte Bruder des Wolostvorstehers zu vereidigen war, vernichten. Es riskiren also die Schreiber der Ansiedler seit 1871 beständig, für die Sünden Anderer mitbüßen zu müssen und ohne Untersuchung entsetzt zu werden; außerdem kann die Macht von Amtsleuten, die nicht immer fähig sind das Richtige oder Unrichtige in der Handlungsweise der Schreiber zu beurtheilen, zu einer unerträglichen Last für den Schreiber werden und einen guten Schreiber verkehren und verderben. Und eine solche Ordnung der Dinge ist nicht mehr normal und natürlich. Es dünkt uns, daß wenn die gleichfalls rechtlosen Schreiber der Bauern (???), die für eine Menge arbeiten, die zu ihrer Würdigung unfähig ist und darum ihnen fortwährend mit Mißtrauen lohnt, einen hinreichenden Lohn erhalten und nicht der Macht von


----
----
<references />
<references />

Version vom 19. Mai 2008, 09:30 Uhr

GenWiki - Digitale Bibliothek
Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)
<<<Vorherige Seite
[003]
Nächste Seite>>>
[005]
Datei:Berichte und Gesuche 1892.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.



Ansiedler blieben lange im Amt und indem sie Erfahrung sammeln, dienen sie den andern Amtsleuten der Wolost- und Dorfverwaltung als Rathgeber und sind in schwierigen und verwickelten Dingen fast stets die Seele vernünftiger Beschlüsse der Wolost- und Gemeindeversammlungen, des Wolostgerichts und des Wolost- und Dorfamtes. Und das ist natürlich.

Indessen werden die Schreiber der Ansiedler, die nach dem Gesetz nicht berechtigt sind, die Abfassung von Beschlüssen wie überhaupt von Actenstücken, die sie für ungesetzlich halten, abzulehnen (Art. 92 der Allgem. Bauernordnung), für ungesetzliche Entscheidungen und Beschlüsse des Wolostgerichts und der Gemeinde-Versammlungen von einigen Kreisbehörden des Südens, auf Grund der 3. Anmerkung zu Art. 51 der Allg. Bauernordnung, gleich denjenigen Amtspersonen zur Verantwortung gezogen, auf deren Verlangen sie solche Beschlüsse und Bestimmungen niederschrieben; manchmal werden die Schreiber von der Kreisbehörde und selbst vom Gouverneur einzig und allein auf einen Bericht oder eine Mittheilung hin vom Amte entfernt, ohne Untersuchung an Ort und Stelle und ohne Anhörung ihrer Rechtfertigung, und für Fahrlässigkeiten im Dienst können auch der Wolost- und der Gemeindevorsteher die Schreiber beahnden. (Art. 126 der Allgem. Bauernordnung.) Wie weit einen ränkesüchtigen Wolostvorsteher seine Macht über den Schreiber verleiten kann, dafür nur ein Beispiel: Zu Anfang des Jahres 1881 weigerte sich Wolostvorsteher N. N. in N.[1], obgleich derselbe weder ein richtiges Russisch versteht, noch das Geschäftsverfahren kennt, ordnungsmäßig vom Schreiber verfaßte Papiere zu unterschreiben; als er einst allein mit dem Schreiber war, verlangte er von demselben, er solle ein von der Aushebungsbehörde ausgefertigtes unrichtiges Landwehrmannszeugniß verbessern, und ein ander Mal verlangte er, der Schreiber solle einen eingelaufenen schriftlichen Befehl des Polizeiprislaws, laut welchem der zum Solskij erwählte Bruder des Wolostvorstehers zu vereidigen war, vernichten. Es riskiren also die Schreiber der Ansiedler seit 1871 beständig, für die Sünden Anderer mitbüßen zu müssen und ohne Untersuchung entsetzt zu werden; außerdem kann die Macht von Amtsleuten, die nicht immer fähig sind das Richtige oder Unrichtige in der Handlungsweise der Schreiber zu beurtheilen, zu einer unerträglichen Last für den Schreiber werden und einen guten Schreiber verkehren und verderben. Und eine solche Ordnung der Dinge ist nicht mehr normal und natürlich. Es dünkt uns, daß wenn die gleichfalls rechtlosen Schreiber der Bauern (???), die für eine Menge arbeiten, die zu ihrer Würdigung unfähig ist und darum ihnen fortwährend mit Mißtrauen lohnt, einen hinreichenden Lohn erhalten und nicht der Macht von


  1. Im Original sind die Namen genannt.