Personenbezogene Daten: Unterschied zwischen den Versionen

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(Der K(r)ampf der Hobbygenealogen mit personenbezogen Daten)
 
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(kein Unterschied)

Version vom 22. Juni 2007, 13:45 Uhr

Darf ich oder darf ich nicht?

Der K(r)ampf der Hobbygenealogen mit personenbezogen Daten

Ein wie es scheint unendliches "Reizthema" für Hobbygenealogen ist die fortwährend gestellte Frage: "Welche personenbezogenen Daten darf ich eigentlich erfassen und veröffentlichen?", wie unlängst und zum Teil recht heftig geführte Debatten in verschiedenen genealogischen Mailinglisten einmal mehr beweisen. Die Palette der vertretenen Meinungen zu diesem Thema kann polarisierender kaum sein, denn sie reichen von "bei lebenden Personen und ohne deren Einwilligung gar nichts" bis "auch bei lebenden Personen und ohne deren Einwilligung alles, was ich in Erfahrung bringen kann". Überzeugende Begründungsansätze für den jeweiligen Standpunkt bleiben in der Regel nebulös und bewegen sich zwischen dem Statut eines absolut individuellen Datenschutzes und der gleichermaßen absolut erscheinenden Berechtigung, auch uneingeschränkt verwerten zu dürfen, was unsere Informationsgesellschaft hergibt. Bei einer derartigen Ausgangslage nimmt es nicht Wunder, dass sich unter weniger entscheidungsfreudigen Gemütern zunehmend Verwirrung breit macht und zweifelnde Fragen nach einem "Königsweg" laut werden.

Grundlegende und speziell auf die Familienforschung abgestellten Informationen zu diesem Themenkreis finden sich - soweit ersichtlich - nicht. Es erscheint deshalb sinnvoll, diesen Fragen einmal etwas tiefschürfender nachzugehen.


Die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen

Die uns beschäftigende Frage betrifft den Umgang mit personenbezogenen Daten, denn das Rahmengerüst in dem sich die Familienforschung bewegt, sind stets Geburts-, Heirats-, Scheidungs- und Sterbedaten von Personen, die im Idealfall um weitere personensignifikante Informationen (Beruf, Aufenthaltsorte usw.) bis hin zu einem lückenlosen Lebenslauf ergänzt und festgehalten werden. Je nach der individuellen Herangehensweise beschränkt sich das Forschungsinteresse auf einen engeren (nur die unmittelbaren Vorfahren) oder weiteren Personenkreis (alle Nachfahren einer bestimmten Person), bis hin zu einem weit über den eigenen Familienkreis hinausgehenden und nurmehr flächendeckend begrenzten Personenkreis, wie er sich z. B. bei der Erarbeitung von Ortsfamilienbüchern auftut.

Gesetzliche Bestimmungen, die den Schutz personenbezogener Daten zum Gegenstand haben, finden sich im deutschen Recht in unterschiedlicher Form. Neben grundlegenden Bestimmungen im Bundesdatenschutzgesetz, in den Landesdatenschutzgesetzen und in den kirchlichen Datenschutzgesetzen, gibt es eine Vielzahl spezialgesetzlicher Sonderregelungen, wobei letztere für die Beantwortung unserer Eingangsfrage allerdings durchweg nicht von Bedeutung sind. Schutzziel aller Datenschutzbestimmungen ist die Wahrung des Rechts auf "informationelle Selbstbestimmung". Bei diesem Recht handelt es sich um ein im Wege richterlicher Rechtsschöpfung (BVerfGE 65,1 43 ff. - "Volkszählungsurteil"; seither ständige Rechtsprechung) entwickeltes Grundrecht, das sich aus dem "allgemeinen Persönlichkeitsrecht" herleitet. Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" ist ebenfalls ein Grundrecht, das vom Bundesverfassungsgericht aus Artikel 2 Absatz 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Artikel 1 Absatz 1 GG (Menschenwürde) rechtsbegründend hergeleitet wurde. Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" und das daraus abgeleitete "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" schützen einen Kernbereich menschlicher Persönlichkeit, der vor Eingriffen des Staates auf gesetzlicher oder sonstiger Grundlage weitgehend freigehalten werden soll. Zur Wahrung dieses individuellen Freiraums regeln die Datenschutzgesetze, ob, unter welchen Voraussetzungen und für welche Zwecke personenbezogene Daten von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen erfasst, verändert und übermittelt werden dürfen. Dieser rechtliche Ausgangspunkt ist europarechtlich durch die "Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr" (Richtlinie 95/46/EG) abgesichert, die mit Wirkung vom 23.05.2001 in das Bundesdatenschutzgesetz eingearbeitet wurde.

Engagierte Befürworter eines weitgespannten Datenschutzes neigen dazu, den gedanklichen Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Spruchpraxis zu überdehnen, wonach das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" die Befugnis des einzelnen "gewährleistet, grundsätzlich [d. h. nicht ausnahmslos, der Verf.] selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen" und verkennen, dass das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" keine absolut verstandene und uneingeschränkte Herrschaft des Einzelnen über "seine Daten" begründen kann und soll. Das Bundesverfassungsgericht hat stets und mit hinreichender Deutlichkeit darauf hingewiesen (vgl. schon BVerfGE 65, 1, 43 ff. und nachfolgend etwa BVerfG, NJW 1988, 2031 f. und NJW 1988, 3009 f.), dass "Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, ein Abbild sozialer Realität darstellen", die gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden sind und die gerade deshalb auch absolute Ausschließlichkeitsrechte nicht begründen können.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und das mit diesem Recht wiederum untrennbar verbundene Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen informieren und diese Informationen auch zu (be)nutzen, gleichermaßen individuelle Grundrechte darstellen (Artikel 5 Absatz 1 GG).

Zusammenfassend bleibt damit zunächst festzuhalten:

Grundrechte wie das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" und das "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" sind in erster Linie "Abwehrrechte" gegen staatliche Eingriffe. Ihnen kommt aber auch insoweit keine absolute und quasi schrankenlose Geltung zu, sondern sie erleiden Einschränken, die sich aus kollidierenden Grundrechtsnormen oder auch aus allgemeinen gesetzlichen Vorschriften ergeben können. Zur Wahrung des sich aus dem "informationellen Selbstbestimmungsrecht" grundsätzlich ergebenden Freiraums regeln u. a. die Datenschutzgesetze, ob, unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Zwecken personenbezogene Daten von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen erfasst, verändert und übermittelt werden dürfen.

Darüber hinaus entfalten Grundrechte unter bestimmten Voraussetzungen auch "Drittwirkung" und gelten in diesen Fällen auch für das Verhältnis der Bürger untereinander. Dem "allgemeinen Persönlichkeitsrecht" und (sozusagen als Unterfall) auch dem "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" wird eine solche Drittwirkung zugesprochen. Aus diesem Grunde wird das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 BGB angesehen, das im Falle einer Verletzung im Privatrechtsbereich unmittelbare Unterlassungs- und ggf. auch Schadensersatzansprüche auslösen kann.


Die Datenschutzgesetze

Es wird gemeinhin angenommen, unsere Eingangsfrage lasse sich unmittelbar durch Anwendung der Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes beantworten, wonach nämlich eine Erhebung, Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung von personenbezogenen Daten nur zulässig ist, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt, oder der Betroffene eingewilligt hat, oder die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können (§ 4 Absatz 1 BDSG in Verbindung mit § 28 Absatz 1 Nr. 3 BDSG). Diese Annahme ist unzutreffend.

Wer die Familienforschung als Hobby betreibt, tut dies regelmäßig aus persönlichem Antrieb, verfolgt dabei breiter oder weniger breit angelegte historische Forschungen und - im wahrsten Sinne des Wortes - familiäre Zwecke. Sicherlich - der Blickwinkel des Genealogen ist schließlich auch gegenwartsbezogen - spielen in diesem Zusammenhang auch personenbezogene Eckdaten von lebenden Personen eine Rolle. Aber dennoch, Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit eines effektiven Datenschutzes wären sicherlich konterkariert, wenn sozusagen eine allumfassende und undifferenzierte Einbeziehung jedweder Datenverarbeitung in die Datenschutzgesetze (d. h. im Zweifel bis hin zum privaten Notiz- und Adressbuch) ernsthaft erwogen oder gar umgesetzt würde. Aus diesem Grunde ist durch das Bundesdatenschutzgesetz vorgegeben, dass das Gesetz auf die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch natürliche Personen dann keine Anwendung findet, wenn die Datenverarbeitung "ausschließlich für private oder familiäre Tätigkeiten" erfolgt ( § 1 Absatz 2 Nr. 3 BDSG und § 27 Absatz 1 Satz 2 BDSG in der seit dem 23.05.2001 geltenden Fassung). Das Bundesdatenschutzgesetz findet deshalb auf Hobbygenealogen keine Anwendung.

Wo allerdings genau die "Schnittstelle" zwischen datenschutzrechtlich irrelevant (sprich: privat/familiär) und nicht mehr privat/familiär verläuft, ist aus heutiger Sicht kaum vorhersehbar. Die einschlägigen Gesetzesmaterialien geben darüber keine verlässliche Auskunft. Unbeschadet dessen gibt uns das Bundesdatenschutzgesetz aber weitere Hinweise, die sich zur Lösung unseres Problems nutzbar machen lassen.

Anzumerken ist insbesondere, dass selbst die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden nichtöffentlichen Stellen personenbezogene Daten regelmäßig dann verarbeiten dürfen, wenn die Daten "allgemein zugänglich" sind, d. h. aus allgemein zugänglichen Quellen stammen und keine offensichtlichen Gründe ersichtlich sind, dass Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an einem Ausschluss dieser Nutzung haben (§ 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG). Als "allgemein zugängliche Quellen" gelten dabei alle öffentlich und uneingeschränkt zugänglichen Quellen, in erster Linie die typischen Massenkommunikationsmittel wie Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen, aber selbstverständlich auch alle vergleichbaren Informationsquellen (Publikationen jedweder Art, insbesondere Telefon- und Adressbücher, Familienanzeigen in Tageszeitungen, Vereinszeitschriften und Kirchenblätter, Archivunterlagen, amtliche Bekanntmachungen, das Internet usw.).

Anzusprechen ist darüber hinaus noch das sogenannte "Listenprivileg" (§ 28 Absatz 3 BDSG), das den in den Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes fallenden nichtöffentlichen Stellen die Nutzung und Übermittlung listenmässig oder sonst zusammengefasster Daten über Angehörige einer Personengruppe zu Werbezwecken gestattet, wenn sich die personenbezogenen Angaben auf

  • die Zugehörigkeit des Betroffenen zu dieser Personengruppe,
  • Berufs- Branchen- oder Geschäftsbezeichnungen
  • Namen
  • Titel
  • akademische Grade
  • Anschrift
  • Geburtsjahr

beschränken und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Nutzung oder Übermittlung hat.


Die Lösung für Hobbygenealogen - ein Versuch

Mit den grundlegenden Rahmenbedingungen gewappnet, lassen sich Lösungen darstellen, die für bestimmte Fallkonstellationen unzweifelhaft "Königswege" sind, die für einige Fallkonstellationen aber auch nur argumentativ vertretbare Lösungen aufzeigen, die Lösungsansätze bleiben, solange sie nicht auf allgemeine Akzeptanz stoßen oder zu gegebener Zeit gerichtlich nachvollzogen werden.

1. In allen Fällen, in denen die ausdrückliche Einwilligung des/der Betroffenen dazu vorliegt, ist die Erfassung, Weitergabe und Veröffentlichung personenbezogener Daten uneingeschränkt zulässig.

2. Die Erfassung, Weitergabe und Veröffentlichung von personenbezogenen Daten bereits verstorbener Personen ist ohne deren Zustimmung (und ohne Einhaltung von Schutzfristen) zulässig, denn das "allgemeine Persönlichkeitsrecht" endet mit dem Tod. Ein postmortal fortwirkender Persönlichkeitsschutz beschränkt sich auf den Schutz der Menschenwürde, sowie den Schutz des allgemeinen Lebensbildes gegen grob ehrverletzende Entstellungen, Erniedrigungen und Herabwürdigungen, aber nicht auf die reinen Lebensdaten.

3. Die Erfassung, Weitergabe und Veröffentlichung von personenbezogenen Daten auch lebender Personen ist ohne individuelle Einwilligung der Betroffenen im Regelfall zulässig, wenn diese Daten aus "allgemein zugänglichen Quellen" stammen. Wenn und soweit personenbezogene genealogische "Grunddaten" (Namen, Titel, Beruf, Lebensdaten) bereits öffentlich zugänglich sind, dann wird im Regelfall mit argumentativ nachvollziehbaren Gründen kaum geltend gemacht werden können, dass deren Erfassung, Weitergabe oder neuerliche Veröffentlichung Individualrechte des Betroffenen verletzt (arg. § 28 Absatz 1 Nr. 3 BDSG).

4. Die Erfassung, Weitergabe und Veröffentlichung nur des Namens noch lebender Personen nebst familiärer Verknüpfung zu ihren Vor- und Nachfahren (noch lebende Personen ohne deren Einwilligung ebenfalls nur namentlich) ist ohne individuelle Einwilligung der Betroffenen auch dann zulässig, wenn die Voraussetzungen zu 3. nicht vorliegen. Diese Vorgehensweise ist mit einer (zwar nicht unüberwindlichen, aber dennoch) so weitgehenden Anonymisierung und so "wenig" Information verbunden, dass darin eine privatrechtlich zu sanktionierende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes kaum gesehen werden kann, wenn berücksichtigt wird, was selbst im unmittelbaren Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetzes zulässig ist.

5. Ohne ausdrückliche Einwilligung lebender Personen sollte man allerdings davon Abstand nehmen, personenbezogene Daten weiterzugeben oder zu veröffentlichen, die nicht aus "allgemein zugänglichen Quellen" stammen und/oder über die in § 28 Absatz 3 BDSG genannten Daten hinausgehen. Auf die Angabe von Adressdaten Betroffener (Anschrift, Telefonnummer usw.) sollte eigentlich generell, zumindest aber bei der hier angesprochenen Fallgruppe verzichten, denn andernfalls ist zumindest hier mehr als wahrscheinlich, dass sich privatrechtlich durchsetzbare Abwehransprüche für Betroffene eröffnen.


Dieser Artikel von Hans-Jürgen Wolf verfasst und im Computergenealogie Newsletter 09/2001 publiziert. Der Artikel wurde als redaktioneller Beitrag der Computergenealogie gegen Bearbeitung durch Dritte geschützt.