Amtssprache im Fürstbistum Münster: Unterschied zwischen den Versionen
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 70: | Zeile 70: | ||
[[Kategorie:Sprache]] | [[Kategorie:Sprache]] | ||
[[Kategorie:Fürstbistum Münster|Amtssprache]] | [[Kategorie:Fürstbistum Münster|Amtssprache]] | ||
[[Kategorie:Entwicklung der Amtssprachen in Westfalen]] |
Version vom 18. Mai 2023, 10:20 Uhr
Zur Zeit der Willkommschatzung im Jahr 1498 konnte im Fürstbistum Münster nur eine Minderheit der Menschen lesen und schreiben. Die Kulturtechniken wurden nicht systematisch umgesetzt, die Mehrheit stellten die Analphabeten. Um 1813 konnte die Hälfte der Erwachsenen beispielsweise innerhalb der Stadtmauern lesen und schreiben. Einige dieser Einwohner waren in der Lage, Texte mit bekannten Begriffen zu entziffern, laut vorzulesen und auch, wie in der Schule bei den 10 Geboten geübt, auswendig zu lernen, auch wenn sie den Inhalt nicht unbedingt verstanden. Bekanntmachungen wurden in Kirchen von der Kanzel verkündet, Veträge von Notaren vorgelesen, die Amtssprache mußte von Experten erläutert weden.
Hierarchie:
Familienforschung > Informelles Lernen > Sprache > Sprachen in Deutschland > Entwicklung der Amtssprachen in Westfalen > Amtssprache im Fürstbistum Münster
Amtssprache im Fürstbistum Münster
Zeitlicher Sinnspruch 1733: "Lectio lecta placet , decies repetita placebit" = Ein Ding oft überlesen, kann nicht schaden.
Kanzleien
Die Kanzleien der weltlichen und geistlichen Territorialherren und Grundherrschaften bildeten sich in Stadt und Land in Westfalen meist durch Weiterentwicklung der älteren einfachen Schreibstube bis hin zur obersten Landesbehörde nach und nach aus. Zusammenhänge ergaben sich mit der Ausbildung der Landeshoheit, Verpfändung von Landesteilen und Ämtern, dem Ausbau der Landesherrschaft und im Zuge der Neuorganisation der territorialstaatlichen Verwaltung über den Beginn der Neuzeit hinaus. Damit wurde die Amtssprache Bestandteil des öffentlichen Lebens. Ihre Entschlüsselung, besonders unter Betrachtung der zeitlichen Bedeutungsveränderungen älterer Begrifflichkeiten und lateinischer Ausdrücke im jeweiligen Zusammenhang dient dem Verständnis historischer Aufzeichnungen.
Literatur
- R. Lüdicke, Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster. Ihre Entstehung und Entwicklung bis 1650/ZWestf. 59 (1901) 1-169;
- H. Aubin, Die Verwaltungsorganisation des Fürstbistums Paderborn im MA./Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 26 (1911);
- J. Böhmer, Das geheime Ratskollegium, die oberste Landesbehörde des Hochstifts
- Paderborn 1723-1802/BeitrNSachs. 4, H.21 (1910)
- G. v. Below, Quellen zur Geschichte der Behördenorganisation in Jülich-Berg im 16. Jh./ZBergGesch. 30 (1894) 8 - 168;
Persönliche Sprachausprägung
In der Stadt Münster (Westfalen) als Sitz des Fürstbistums Münster bis 1802, war die Schriftsprache der Ratskanzlei bis etwa Mitte des 14. Jh. lateinisch, dann niederdeutsch bis Mitte des 16. Jhdts., in Urkunden und Ratsprotokollen bis 1571 neuhochdeutsch. Dies wirkte sich auch in den Kanzleien der angeschlossenen Untergliedrungen aus (historische Ämter) aus.Eine Variante der niederdeutschen Mundart war die zeitlich geübte lokale Umgangssprache. Die Entwicklungen und der persönliche Bildungsgang spiegeln sich auch in der vom jeweiligen Schreiber gehandhabten eigenen Amtssprache mehr oder weniger stark wieder. Von daher war der Einbau und die Verwendung lateinischer Vokabeln bei der Umschreibung umgangssprachliche Begriffe in Dokumenteationen und Urkunden teilweise sehr uneinheitlich und unterschiedlich. Sie sollten sicherlich auch in einigen Fällan als Kompetenznachweis in juristischer Hinsicht dienen.
Während eines zeitlichen Jurastudiums konnten Hilfestellung bieten:
- Sattler, Johann Rudolph: Thesaurus notariorum, das ist Notariat- und Formular-Buch: underscheiden in 6 Thl. (Basel, 1636)
- Oberländer, Samuel Lexicon juridicum romano teutonicum das ist: vollständiges lateinisch-teutsches juristisches Hand-Lexicon (etc.) (1753)
- Juristisches Wörterbuch für gerichtliche Geschäfte. Zum Gebrauche in Gerichtsstuben und bey Amtsverrichtungen. Hrsg. von J. E. v. Hofstätter. Wien: Rötzel 1798
Amtssprache, Gerichtssprache
Erst im 18. Jhdt. und nur vereinzelt kam die Bezeichnung Kanzleisprache für die in Kanzleien gebrauchte Amtssprache auf.
Über 100 Jahre später bildet sich dann im 19. Jhdt. in Deutschland eine Sprachreinigungs-Bewegung unter Mitwirkung der deutschen Reichsämter heraus. Eine Unterstützung durch entsprechende Vorschläge erfolgt auch durch namhafte rechts- und staatswissenschaftliche Schriftsteller mit der Ausscheidung entbehrlichen Fremdwörter bei Neuauflegung ihrer Lehrbücher, darunter auch Gustav Freytag.
Durch eine Verdeutschung der Amtssprache konnten Rechtszweifel reduziert und Verständnisfragen erleichtert werden. Dies könnte man bei der Wiedergabe älterer Texte kurzerhand (natürlich unter Beobachtung sachlicher Vorsicht) ebenso handhaben, besonders durch Begriffsanpassung und Fremdwortverdeutschung, es sei denn, dass man wirklich genötigt ist, einen Satz „wörtlich“ anzuführen oder Einblicke in ältere zeitliche Betrachtungsweisen geben möchte. Erreicht werden könnte dies durch begleitende Fußnoten In der Schrift "Die Amtssprache", Verdeutschung der hauptsächlichsten im Verkehr der Gerichts- und Verwaltungsbehörden sowie in Rechts- und Staatswissenschaft ebrauchten Fremdwörter, bearbeitet 1892 von Karl Bruns, sind eine große Anzahl älterer deutscher Rechtsausdrücke, auch solche, die zeitlich nicht unmittelbar als Deckwörter für fremdsprachliche Bezeichnungen verwendbar sind, an passender Stelle zur geschichtlichen Erinnerung mit eingestreut.
Als Fundgrube dienten damals namentlich folgende Bücher:
- „Teutscher Flavius“ von Karl Ferdinand Hommel, 3. Ausgabe, Bayreuth, 1775, der in seinem „Antibarbarischen Wort-Verzeichnis“ von 60 Druckseiten schon eine Art Verdeutschungsbuch mitgeliefert hat (Ztschr. 1889 Sp. 134, 1896 Sp. 17)
- „Juristisches Wörterbuch zur Verbesserung des Aktenstils und Einführung einer reinen deutschen Schreibart in gerichtlichen und aussergerichtlichen Geschäften, mit praktischen Beyspielen erläutert“ von Heinrich Kuppermann, Chursächß. Sachwaltern und kais. öffentl. Notar in Leipzig – Leipzig, 1792. [1]
Ergänzungsmöglichkeiten
Zur weiteren Ergänzung könnten dienen:
- L. Dicke (Hrsg.): Gedrängtes, aber vollständiges Fremdwörterbuch oder Hülfsbuch .... (Wesel, 1839)
- L. Kiesewetter: Taschen-Fremdwörterbuch. Zur Erklärung und Verdeutschung der in der heutigen deutschen Sprache gebräuchlichen fremden Wörter, Redensarten, Vornamen und Abkürzungen (Glogau: Carl Flemming,1866)
- Dr. L. Günther: „Recht und Sprache“ (mit vielen geschichtlichen Belehrungen und Nachweisen), 1898.
- F. W. Gitzen: „Fremdwörter der Handelssprache“, 1894.
- A. Hausding (Mitglied des Kais. deutschen Patentamts): „Verdeutschungswörterbuch der Fach-, Handels- und Verwaltungssprache“, 2. Aufl., 1903 (ein reichhaltiges Hilfsmittel für die Sprache des Gewerbewesens).
- Dr.-Ing. Otto Sarrazin (Vorsitzer des Gesamtvorstands des Allg. D. Spr.-V.): Verdeutschungs-Wörterbuch, 3. Aufl., 1906
- Dr. Günther A. Saalfeld: Fremd- und Verdeutschungs-Wörterbuch, 1898.
- Schweizerisches Zivilgesetzbuches vom 10. Dezember 1907 und des neugefaßten Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März 1911
- Johann Nikolaus Friedrich Brauer: Badisches Landrecht von 1809,
- Code civil von 1804 (Code Napoléon oder Cinq codes („Fünf Gesetzbücher“) zweisprachige Ausgaben in der Stadtbücherei Haltern)
- Macha, Jürgen (Herausgeber): Deutsche Kanzleisprache in Hexenverhorprotokollen der Frühen Neuzeit (2 Bände).
Im Westfälischen Archivamt
- Nützliches Handlungs-Wörterbuch von 1768. Hrsg. U. eingeleitet v. Rolf-Dieter Kohl. 1987. W, 80 S. ISSN: 0932-2124
Quellen
- ↑ Quelle: Bruns, Alfred: Die Amtssprache (1915)
Weblinks
Zeitlich, regionale Begrifflichkeit
Online Angebote
- A.Bruns: Die Amtssprache, Wörterbuch 1915
- "Frühneuhochdeutschen Wörterbuchs" (Das Wörterbuch erfasst den Wortschatz des Frühneuhochdeutschen von ca. 1350 bis ca. 1750. In der 2. Häfte des 16. Jhs. wurde es auch im bis dahin mittelniederdeutschen Westfalen zur Verwaltungs- und Schriftsprache, ist also auch für die westfälische Genealogie relevant.)