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Daß der Sohn auch nach der Mutter benannt wurde, kam im ausgehenden Mittelalter häufiger vor, als gemeinhin bekannt sein dürfte. Heißt doch schon im Nibelungenliede Siegfried "das Siglinde kind", und von dem Mystiker Heinrich Seuse ist uns ausdrücklich bezeugt, daß er nach seiner frommen Mutter Suse zubenannt wurde. Entsprechendes gilt aber auch für den Gatten, der den Rufnamen seiner Frau oder auch seiner Schwiegermutter (!) als Beinamen erhielt (Ein Beispiel für die Benennung von Vater und Sohn nach der Gattin und Mutter haben wir im Wetzlarer Urkundenbuch, wo 1246 ff. ein Schöffe Godefridus Engelmudis maritus und sein Sohn Gotfridus domine Engelmudis filius begegnen). Beispiele sind aus allen deut. Landen zu finden; nirgends aber ist diese Erscheinung so zur Blüte gelangt wie in Schlesien. Mit der Tatsache, daß es sich gewöhnlich um angesehenere Familien handelt, ist zugleich die Erklärung gegeben: der Anlaß zu dieser Benennungsweise liegt in der dominierenden Stellung oder persönlichen Wertschätzung der betreffenden Frau oder der Familie, aus der sie stammt, und so fällt von den Metronymika ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung des Mittelalters zur weiblichen Stammfolge bzw. auf die gesellschaftliche Rolle der Frau. | Daß der Sohn auch nach der Mutter benannt wurde, kam im ausgehenden Mittelalter häufiger vor, als gemeinhin bekannt sein dürfte. Heißt doch schon im Nibelungenliede Siegfried "das Siglinde kind", und von dem Mystiker Heinrich Seuse ist uns ausdrücklich bezeugt, daß er nach seiner frommen Mutter Suse zubenannt wurde. Entsprechendes gilt aber auch für den Gatten, der den Rufnamen seiner Frau oder auch seiner Schwiegermutter (!) als Beinamen erhielt (Ein Beispiel für die Benennung von Vater und Sohn nach der Gattin und Mutter haben wir im Wetzlarer Urkundenbuch, wo 1246 ff. ein Schöffe Godefridus Engelmudis maritus und sein Sohn Gotfridus domine Engelmudis filius begegnen). Beispiele sind aus allen deut. Landen zu finden; nirgends aber ist diese Erscheinung so zur Blüte gelangt wie in Schlesien. Mit der Tatsache, daß es sich gewöhnlich um angesehenere Familien handelt, ist zugleich die Erklärung gegeben: der Anlaß zu dieser Benennungsweise liegt in der dominierenden Stellung oder persönlichen Wertschätzung der betreffenden Frau oder der Familie, aus der sie stammt, und so fällt von den Metronymika ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung des Mittelalters zur weiblichen Stammfolge bzw. auf die gesellschaftliche Rolle der Frau. | ||
Hin und wieder mag auch in der Witwenschaft der Anlaß zu suchen sein, doch werden solche Fälle gewöhnlich durch den Zusatz "der witewen" gekennzeichnet. | Hin und wieder mag auch in der Witwenschaft der Anlaß zu suchen sein, doch werden solche Fälle gewöhnlich durch den Zusatz "der witewen" gekennzeichnet. |
Version vom 13. April 2007, 13:00 Uhr
Metronymika (Matronymika; Frauennamen als Familiennamen)
Daß der Sohn auch nach der Mutter benannt wurde, kam im ausgehenden Mittelalter häufiger vor, als gemeinhin bekannt sein dürfte. Heißt doch schon im Nibelungenliede Siegfried "das Siglinde kind", und von dem Mystiker Heinrich Seuse ist uns ausdrücklich bezeugt, daß er nach seiner frommen Mutter Suse zubenannt wurde. Entsprechendes gilt aber auch für den Gatten, der den Rufnamen seiner Frau oder auch seiner Schwiegermutter (!) als Beinamen erhielt (Ein Beispiel für die Benennung von Vater und Sohn nach der Gattin und Mutter haben wir im Wetzlarer Urkundenbuch, wo 1246 ff. ein Schöffe Godefridus Engelmudis maritus und sein Sohn Gotfridus domine Engelmudis filius begegnen). Beispiele sind aus allen deut. Landen zu finden; nirgends aber ist diese Erscheinung so zur Blüte gelangt wie in Schlesien. Mit der Tatsache, daß es sich gewöhnlich um angesehenere Familien handelt, ist zugleich die Erklärung gegeben: der Anlaß zu dieser Benennungsweise liegt in der dominierenden Stellung oder persönlichen Wertschätzung der betreffenden Frau oder der Familie, aus der sie stammt, und so fällt von den Metronymika ein bezeichnendes Licht auf die Einstellung des Mittelalters zur weiblichen Stammfolge bzw. auf die gesellschaftliche Rolle der Frau. Hin und wieder mag auch in der Witwenschaft der Anlaß zu suchen sein, doch werden solche Fälle gewöhnlich durch den Zusatz "der witewen" gekennzeichnet.
Gebildet sind die Namen alle mit der sonst auch patronymischen Ableitungssilbe -er, die stets die Zugehörigkeit zu einer Person ausdrückt (vgl. z.B. Reichert). Sie tritt entweder an den schwachen Genitiv auf -en wie Jutten (von Jutta) oder an die Koseformen auf -usch und -dsch wie Alusch (= Adelheid) und so ergeben sich die Ausgänge -ner (Jüttner) und -scher (Alischer), bisweilen beide kombiniert zu -schner (Alschner). Zur Kategorie der -ner-Formen gehören ferner Eitner von Agathe (gespr. Agte, Ayte), Ilgner und Tilgner von Ottilie, Leuschner von Lusche (d. i. Lucia, auch oberdeut. als Luscha bezeugt, obwohl in Breslau einmal für Gertrud), sowie Tscheuschner von Czusche; Soffner und Suffner von Sophie, Grüttner von Grite = Margarete, vgl. Tüllner neben Tillner, Hillner von Hille = Hildegund, zu letzterer auch ohne n: Hiller, wie Güttler von Gütel (= Guta), und Irmler von Irmel (= Irmentrud) (Die Vollform Irmintrud ihrerseits lebt heute als Familienname Ehrentraut fort so wie Irminfried als Ehrenfried. Vgl. 1660 in Reichenberg Matz Ermtrautt neben Irmtrautt). Zur Kategorie der -scher-Formen zählen außer Alscher/Alischer: Hielscher von Elisabeth, Irmischer von Irmentrud und Kintscher (Küntscher) von Kunigunde. Ganz selten sind die kombinierten Formen Alschner, Hielschner und Gierschner (von Gerusch = Gertrud). Die vielen Metronymika sind mit ein Grund dafür, daß gerade in Schlesien die Namen auf -ner besonders zahlreich sind; die beiden anderen Quellen sind die Ortsnamen (Langner: Langenau) und die Berufsnamen (Brückner, Exner), sowie die Patronymika.
Literaturhinweise
Bahlow, H., Schlesisches Namenbuch (1953)