Herforder Chronik (1910)/427: Unterschied zwischen den Versionen
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häufig zu List und Gewalt ihre Zuflucht nehmen, um nur die ihnen aufgetragene Kopfzahl aufzutreiben. Das ging so fort bis ins 18. Jahrhundert. Aus unserer eigenen Landesgeschichte sind manche traurige aber auch ergötzliche Geschichten davon überliefert, wie Friedrich Wilhelm I., der Vater des großen Friedrich, solche Werbungen ausüben ließ, zumal für seine Potsdamer Garde. Doch hatte sich dies Werbesystem im ganzen überlebt. Um für sein Heer einen gleichmäßigeren, sagen wir, anständigeren Stamm von Militärpersonen zu erhalten und der lästigen Anwerbungen überhoben zu sein, hatte er ganz Preußen in Kantone, d. h. Bezirke, eingeteilt mit der Bestimmung, daß die zum Dienst tauglichen Mannschaften jedes Kantons nur für ein bestimmtes Regiment ausgehoben werden durften. Geistliche und Ortsvorstände waren angehalten, Kantonlisten zu führen, worin alle Bürger- und Bauernsöhne verzeichnet waren. Nicht jeder war wehrpflichtig; befreit vom Soldatendienst waren die Söhne des Adels, vermögender Bürger, Geistlicher und höherer Beamten, auch die Anerben bäuerlicher Güter. | |||
Wir besitzen vom Jahre 1786 die auf königlichen Befehl vom Herforder Magistrat aufgestellte Seelenzahl von Herford, die noch vollständig die Art jenes Kantonreglements Friedrich Wilhelms I. zeigt. Da stehen neben den Namen in der Rubrik „Verhältnis in Rücksicht auf den <tt>Canton</tt>“ die Bemerkungen „<tt>canton</tt>pflichtig“, oder „frey als ansässiger Bürger“, „frey durch Geburt“, „frey durch seinen Stand“, „als Ausländer frey“ u. a. m. Allerdings griffen in Zeiten der Verlegenheit und Not die Heerführer noch einmal zu dem alten Werbesystem zurück, oder sie stellten Kriegsgefangene ein. Auch wurden Überläufer vom Feinde angenommen, und das letztere bot zugleich den Vorteil, daß man über den Feind, seine Stärke oder Stellung Nachforschungen anstellen konnte. Das Überlaufen kam nicht selten vor, namentlich von den Österreichern und Franzosen zur alliierten Armee; denn obwohl bei dieser viel straffere Mannszucht herrschte, so erhielt hier der Soldat doch höhere und regelmäßigere Löhnung, auch wurde er in allen Dingen besser gehalten. | |||
Auf welche Weise die in den Akten vom Mai bis Juli 1758 erwähnten Rekrutentransporte zusammengebracht waren, ist nicht ersichtlich, im ganzen waren es aber wohl Kantonisten. Sie waren nach den Kantonlisten ausgehoben, und aus den Vorkehrungen gegen ihr Entweichen läßt sich erkennen, wie ungern die Mehrzahl von ihnen Haus und Hof, Weib und Kind oder bürgerliche Beschäftigung verlassen hatte. | |||
Diese Rekrutentransporte zogen sich bis in die neunziger Jahre hin und bedeuteten für die Bürgerschaft eine schwere Last. Ein Bürgerkommando mußte die Ausgehobenen eines Bezirks von einer Stadt an die Nächstliegende gegen Empfangsbescheinigung abliefern. Die Bürger erhielten keine Entschädigung für ihre viel Umsicht erfordernde und von manchem Verdruß begleitete Mühewaltung, |
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1758
häufig zu List und Gewalt ihre Zuflucht nehmen, um nur die ihnen aufgetragene Kopfzahl aufzutreiben. Das ging so fort bis ins 18. Jahrhundert. Aus unserer eigenen Landesgeschichte sind manche traurige aber auch ergötzliche Geschichten davon überliefert, wie Friedrich Wilhelm I., der Vater des großen Friedrich, solche Werbungen ausüben ließ, zumal für seine Potsdamer Garde. Doch hatte sich dies Werbesystem im ganzen überlebt. Um für sein Heer einen gleichmäßigeren, sagen wir, anständigeren Stamm von Militärpersonen zu erhalten und der lästigen Anwerbungen überhoben zu sein, hatte er ganz Preußen in Kantone, d. h. Bezirke, eingeteilt mit der Bestimmung, daß die zum Dienst tauglichen Mannschaften jedes Kantons nur für ein bestimmtes Regiment ausgehoben werden durften. Geistliche und Ortsvorstände waren angehalten, Kantonlisten zu führen, worin alle Bürger- und Bauernsöhne verzeichnet waren. Nicht jeder war wehrpflichtig; befreit vom Soldatendienst waren die Söhne des Adels, vermögender Bürger, Geistlicher und höherer Beamten, auch die Anerben bäuerlicher Güter.
Wir besitzen vom Jahre 1786 die auf königlichen Befehl vom Herforder Magistrat aufgestellte Seelenzahl von Herford, die noch vollständig die Art jenes Kantonreglements Friedrich Wilhelms I. zeigt. Da stehen neben den Namen in der Rubrik „Verhältnis in Rücksicht auf den Canton“ die Bemerkungen „cantonpflichtig“, oder „frey als ansässiger Bürger“, „frey durch Geburt“, „frey durch seinen Stand“, „als Ausländer frey“ u. a. m. Allerdings griffen in Zeiten der Verlegenheit und Not die Heerführer noch einmal zu dem alten Werbesystem zurück, oder sie stellten Kriegsgefangene ein. Auch wurden Überläufer vom Feinde angenommen, und das letztere bot zugleich den Vorteil, daß man über den Feind, seine Stärke oder Stellung Nachforschungen anstellen konnte. Das Überlaufen kam nicht selten vor, namentlich von den Österreichern und Franzosen zur alliierten Armee; denn obwohl bei dieser viel straffere Mannszucht herrschte, so erhielt hier der Soldat doch höhere und regelmäßigere Löhnung, auch wurde er in allen Dingen besser gehalten.
Auf welche Weise die in den Akten vom Mai bis Juli 1758 erwähnten Rekrutentransporte zusammengebracht waren, ist nicht ersichtlich, im ganzen waren es aber wohl Kantonisten. Sie waren nach den Kantonlisten ausgehoben, und aus den Vorkehrungen gegen ihr Entweichen läßt sich erkennen, wie ungern die Mehrzahl von ihnen Haus und Hof, Weib und Kind oder bürgerliche Beschäftigung verlassen hatte.
Diese Rekrutentransporte zogen sich bis in die neunziger Jahre hin und bedeuteten für die Bürgerschaft eine schwere Last. Ein Bürgerkommando mußte die Ausgehobenen eines Bezirks von einer Stadt an die Nächstliegende gegen Empfangsbescheinigung abliefern. Die Bürger erhielten keine Entschädigung für ihre viel Umsicht erfordernde und von manchem Verdruß begleitete Mühewaltung,