Zehnt: Unterschied zwischen den Versionen

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==Begriffserläuterung==
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Version vom 21. Mai 2006, 14:13 Uhr

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Begriffserläuterung

Kornspeicher aus Herdecke im Freilichtmuseum Hagen

Auch Dezem, Teget, Tynde, Thien, Teng, decima, decimatio, indecimatio, dîme, tithe, diezmo und auch Pacht, Zins


Der Zehnt, eigentlich der "Zehnte Teil", bezeichnete ursprünglich eine Abgabe in Höhe von 10% des erwirtschafteten Ertrages. Diese wurde seit dem fünften Jahrhundert zum festen Bestandteil der Pfarreinkünfte.


Der Kornkasten im Freilichtmuseum Hagen aus dem 18. Jahrhundert stand ursprünglich auf dem Nackehof in Herdecke.

Diese Kornspeicher waren nicht für eine dauerhafte Lagerung von Getreide vorgesehen. Vielmehr wurde in ihnen der Kornzehnt gesammelt, von dem die Berechtigten Personen, also vornehmlich der Pfarrer (lat.: parochus), aber auch der Lehrer (lat.: magister ludens oder ludimagister) und der Küster (lat.: aedituus) zum festgesetzten Termin ihren Anteil abholen konnten. Über die Ein- und Ausgänge wurde genau Buch geführt.

Zehntscheune aus Sechtem im Rheinischen Freilichtmuseum Kommern

Ein weiteres Beispiel für ein solches Gebäude, wo der Kornzehnt abgeliefert und aufbewahrt wurde, findet sich im Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern, dem wir zu verdanken haben, dass dieses beeindruckende Gebäude der Nachwelt erhalten wurde.

Die große Zehntscheune war ursprünglich die Scheune des Ophofes in Sechtem, der bis zur Säkularisation dem Bonner Stift Dietkirchen gehörte, dem das Dorf zehntpflichtig war.

Der Hof wurde über Jahrhunderte von den Ophalfen bewirtschaftet.


Neben der "Zehntscheuer" wurde häufig der gesamte Hof auf dem der Zehnt abzuliefern war als Zehnthof bzw. Zehnhof(f) bezeichnet. Die Verwalter der Grundherren wohnten und arbeiteten auf dem Hof. Der Begriff Zehnthof ist bereits im Jahr 1415 in Jül-Gevelsdorf in der Form "Tzeindehoyve" historisch belegt.

Zehntpfähle und Zehntsteine dienen der Abgrenzung des zehntpflichtigen Gebietes. Weitere Begriffe wie Zehnthaus, Zehnttor oder Flurnamen wie Zehn, Zehnte, Zehntfrei, Zehnhoster und Zehntmorgen erinnern an den Zehnt. Auch der rheinische Familienname Am Zehnhoff ist von der Bezeichnung Zehnthof und damit vom Zehnt abgeleitet.

Der Ursprung

Bereits im Alten Testament war neben einem Königszehnt ein kultischer Zehnt bekannt.
So sagt das Buch Levitikus, Kapitel 27:

Lev 27,30 Jeder Zehnt des Landes, der vom Ertrag des Landes oder von den Baumfrüchten abzuziehen ist, gehört dem Herrn; es ist etwas Heiliges für den Herrn.
Lev 27,31 Will ein Mann einen Teil seines Zehnten auslösen, muss er ein Fünftel dazuzahlen.
Lev 27,32 Jeder Zehnt an Rind, Schaf und Ziege ist dem Herrn geweiht, jedes zehnte Stück von allem, was unter dem Hirtenstab hindurchgeht.
Lev 27,33 Man soll nicht zwischen dem Guten und dem Schlechten unterscheiden und keinen Tausch vornehmen. Wenn man es dennoch tut, werden das Tier und das mit ihm vertauschte Tier etwas Heiliges; es darf nicht ausgelöst werden.

Der Kirchenzehnt

Während die frühe christliche Kirche das Zehntgebot noch nicht kannte, weil man von den Gläubigen freiwillige Abgaben für karitative Zwecke und zum Unterhalt des Klerus erwartete, entwickelte sich seit dem frühen Mittelalter der Zehnt (der zehnte Teil) zur wichtigsten Pflichtabgabe der Laien an die Kirche. Man berief sich auf das göttliche Gesetz (vgl. Kapitel 1.) Bei Nichtentrichtung drohte sogar die Exkommunikation. In erster Linie war der Kirchenzehnt zum Unterhalt des Pfarrers bestimmt (Pfarrzehnt).

In der Folge gabe es um die Zehntpflicht immer wieder Differenzen. Zwar wurde der kirchliche Anspruch meist staatlich durch das Zehntgebot unterstützt doch kam es vor, dass einerseits die Kirche den Beweis der Zehntfreiheit forderte, andererseits wurde von staatlicher Seite von der Kirche gefordert, dass sie im Einzelfall ihr Zehntrecht (decimatio) nachweise.

War ein größerer Bereich als zehntpflichtig anerkannt, so wurde vermutet, dass infolge dieses

  • allgemeinen Zehntrechts (Universalzehntrecht, decimandi universale jus) auch
  • jedes einzelne Grundstück der Bezehntung (Zehntung) unterliege (decimandi particulare jus) bzw.
  • das Bestehen eines allgemeinen Zehnt (decimae universales)
  • das eines besonderen (decimae particulares)

ohne weiteres beweise.

Im Übrigen unterschied man ein

  • jus decimandi plenum (decimae generales, über alle Früchte) und ein
  • jus decimae minus plenum (decimae speciales, über bestimmte Früchte).


Die Höhe von 10% erreichte der Zehnt selten. Zum Teil betrug er sogar nur 1%. Er sollte eigentlich von allen Laien und vom Gesamtvermögen und Einkommen entrichtet werden, aber tatsächlich verschwand der

  • Zehnt vom Einkommen aus Nichtgrundbesitz (Personalzehnt, decimae personales) schon früh, und man versteht unter Zehnt im allgemeinen den
  • Zehnt vom Grundbesitz und zwar vom Ertrag (Ertragszehnt), der als Reallast auf dem Grundstück lastete (decimae reales, dîe réelle).

Er teilte sich in zwei Arten,

  • den Feldzehnt (Feldfrüchtezehnt, Flurzehnt, Fruchtzehnt, Grundzehnt, Praedialzehnt, decimae frugum, decimae praediales) von den Früchten des Feldes und
  • den Tierzehnt (Hauszehnt, decimae animalium).

Der Feldzehnt war entweder

  • großer Zehnt (Großzehnt, decimae grossae, decimae majores, grosse dîme) von Halmfrüchten, Wein, Öl, oder
  • kleiner Zehnt (Kleinzehnt, decimae minores, decimae minutae, menues dîmes, samll tithes) von den übrigen Fruchtarten, besonder dem Gemüse (Kräuterpfennig, Krautzehnt, dîmes vertes).

Welche Früchte im einzelnen zum großen oder kleinen Zehnten zählten, war örtlich verschieden und meist strittig. In der Regel wurde

  • nur ein Zehnt im Jahr gezahlt; doch kam auch
  • ein Zehnt von den Erstlingen der Früchte vor (primitae, prémices) und ebenso
  • ein zweiter Zehnt im Spätjahr (Halmrübenzehnt).

Der Tierzehnt wurde entweder

  • in Vieh entrichtet (blutiger Zehnt, Blutzehnt, lebendiger Zehnt, Viehzehnt, decimae sanguinales) oder
  • in dessen Produkten (Butterzehnt, Fleischzehnt, decimae carnium und dgl.).

Er war in der Regel Jungviehzehnt. Manchmal wurde der Blutzehnt zum kleinen Zehnt gerechnet, manchmal auch in großen und kleinen Zehnt geschieden.

  • Der trockene und der nasse Zehnt sind andere Bezeichnungen zur Unterscheidung des grünen Zehnt vom Blutzehnt.

Im allgemeinen trug der Zehnt seinen Namen nach dem betreffenden Erzeugnis, z.B.


Ursprünglich wurde er nur

  • in natura entrichtet (Naturalzehnt, decimae naturales, decimae propriae) und zwar vom Zehntherrn oder seinem Vertreter (Abzehnter) auf dem Felde erhoben (Garbenzehnt, Zugzehnt, decimae mergitum),
  • aber schon früh abgelöst (Zehntlose, decimae impropriae, decimae redetae), und zwar entweder durch
  • ein bestimmtes Quantum in natura (Sackkorn, Sackzehnt, decimae granorum, decimae saccariae) oder durch
  • Geld (Geldzehnt, Zehntgeld bzw. Zehntpfund, Zehntschilling)

und dgl. mehr, letzteres besonders beim Blutzehnt.

Zehntpflichtig waren eigentlich alle Laien, auch die Klöster, doch gab es Privilegien, die davon befreiten.

Die Einkünfte aus dem Zehnt wurden bei den Pfarrkirchen normalerweise geviertelt. Jeweils ein Viertel stand

  1. dem Bischof,
  2. dem Pfarrklerus,
  3. den Armen und Fremden und
  4. der Kirchenfabrik zu.


Obwohl eigentlich für den Pfarrer bestimmt und in der ersten Zeit vom Bischof erhoben (Bischofszehnt), kommen bald auch

  • Klöster (Klosterzehnt)
  • kirchliche Stiftungen
  • Domkapitel

als Zehntherren vor und stellen im ausgehenden Mittelalter die größten Zehntherren dar.

Der "doppelte Zehnt" nona et decima

In karolingischer Zeit kam es zum Einzug von Kirchengut. Die Inhaber von Lehnsgut, das aus solcher Art säkularisiertem Kirchengut bestand, zahlten als Entschädigung einen doppelten Zehnt bzw. den Neunten und den Zehnten (nona et decima).

Der Laienzehnt

Neben dem

  • Kirchenzehnt (geistlicher Zehnt, decimae clericales, decimae ecclesiasticum) entwickelte sich der
  • Laienzehnt (decimae laicales, decimae saeculares, dîmes seigneuriales),

der auf Grund eines weltlichen Zehntrechts (Laienzehntrecht, jus decimandi laicale, jus decimandi saeculare) erhoben wurde. Dieser entstand durch Belehnung, durch den Besitz einer Eigenkirche oder durch Usurpation. Obwohl die Kirche dagegen Einspruch erhob, blieben die Laienzehnten bestehen. Besonders der Zehnt von neugeordnetem Land

  • [Laien]Reutzehnt
  • Neubruchzehnt
  • Neureutzehnt
  • Novalzehnt
  • Rodezehnt
  • Rottzehnt
  • Rottzins
  • decimae [praediales] novales, novale

wurde vom Grundherrn oder Landesherrn beansprucht, während der vom alten Besitz

  • Alt[feld]zehnt
  • Dorfzehnt
  • lebendiger und roter Zehnt
  • Ortszehnt
  • decimae antiquae
  • decimae [praediales] veteres
  • decimae villae
  • dîmes anciennes

bei der Kirche blieb. Bei Eigenkirchen stand der Zehnt zu zwei Dritteln dem Eigenkirchenherrn und zu einem Drittel dem Pfarrer zu.

Häufig wurde der Zehnt als Zehntlehen von den Berechtigten weiterverliehen (infeudierter Zehnt, Lehenszehnt, dîmes inféodées), verschenkt oder verkauft und dann je nach dem Käufer oder Empfänger

  • Bauernzehnt
  • Adelszehnt

genannt, oder er war unter verschiedene Berechtigte verteilt.

Das Ende des Zehnt

Am 1. November 1789 schaffte die französische Nationalversammlung per Dekret den kirchlichen Zehnt für Frankreich ab. Im folgenden 19. Jahrhundert wurde der Zehnt überall in Europa abgeschafft.

Laut Zitzen berichtet die Zeitschrift des landwirtschftlichen Vereins, dass 1848 im Kreis Altenkirchen die Versuche zur Ablösung des Zehnten und anderer Lasten erfreuliche Fortschritte machten.

Benutzte Literatur

  • BECKER, H.-J., Zehnt, in: ERLER, Adalbert, KAUFMANN, Eckehard und WERKMÜLLER, Dieter, Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG), V. Band, Berlin, 1998, Spalte 1629-1631.
  • HABERKERN, Eugen und WALLACH, Joseph Friedrich, Hilfswörterbuch für Historiker, Mittelalter und Neuzeit, 2. Teil: L-Z, Tübingen, 1987.
  • SEEGRÜN, Wolfgang, Zehnt, in: Lexikon des Mittelalters, Band IX, München, 2003, Spalte 499-502.
  • ZITZEN, Dr. E. G., Scholle und Strom, Rheinischer Agrargeschichtlicher Wortschatz, 2. Lieferung, Die Geschichtliche Umwelt, Bonn, 1950. Seite 305 ff.
  • DITTMAIER, Heinrich, Rheinische Flurnamen, Verlag Röhrscheid, Bonn, 1963.

Weiterführende Literatur

Internet