Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/15: Unterschied zwischen den Versionen

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Keine Bearbeitungszusammenfassung
(korrigiert)
 
(Eine dazwischenliegende Version desselben Benutzers wird nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
{{Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien|14|15|16|unkorrigiert}}
{{Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien|14|15|16|korrigiert}}


::::::::::-15-
Acta genommen worden, aber Scheidekosten und Traugebühr  
 
wurden gehörig entrichtet. Oft kamen die Leute so betrunken  
Acta genommen worden, aber Scheidekosten und Traugebühr wurden gehörig entrichtet. Oft kamen die Leute so betrunken zur Trauung, daß einzelne das Bethaus durch Erbrechen verunreinigten. Zufällig wohnte ich einmal einer Trauung im Arciser Bethaus bei, wo die Hochzeitsleute alle betrunken waren, namentlich der Bräutigam in solchem Grade, daß er zwei Mal vor dem Altare umfiel, von seinen Gesellen aufgehoben, zwei Mal hinausgebracht und wieder hereingeführt, neben seine Braut gestellt werden mußte. Die vor dem Altare allein stehende Braut - das arme Mädchen! - weinte bitterlich, und der Pastor machte, während der Bräutigam abwesend war, in seiner Traurede eine Pause, bis Letzterer wieder dastand, und vollzog die Trauung ohne ein Wort der Rüge über solchen Gräuel zu sagen. Ein ander Mal kam ich zufällig zu einer Taufhandlung, bei welcher ein trunkener Taufzeuge auf die nach der würtembergischen Agende an ihn gestellte Frage: "widersagst du dem Teufel" u.s.w. antwortete: "ich glaube;" und auf die zweite Frage: "glaubest du an Gott Vater" u.s.w anwortete: "ich widersage." Er wurde von dem Schullehrer, der die Taufe verrichtete, fortgeschafft. Gewöhnlich begleiteten die zur hochzeitlichen Tanzmusik bestellten Geiger und Pfeifer die Brautpaare zur Trauung, gingen mit in das Bethaus, fiedelten und dudelten, so gut es eben ging, die bei der Trauung vorkommenden Traulieder nach, und ich sah den Pastor, als ein vom Altare zurückkehrendes Brautpaas von ihnen an der Bethausthür mit einem lustigen Walzer begrüßt wurde, lachen, indem er sagte: "denden wird die Freude eingetrichtert." Sehr ungünstig zur Weckung und Förderung eines christlichen Lebens war es, daß die vielen, obwohl in zwei Kirchspiele getheilten Kolonien lange Zeit nur Einen, und dazu ungläubigen Pastor hatten. 1815 schickte die Regierung den Pastor Sch. nach Tarutino, ein herablassender, freundlicher und rechtlich gefirmter Tugendprediger, der sich der Kolonisten sehr annahm, aber schon 1820 starb. Kurz vor Sch's Tode kam Pastor Wl. nach Arcis, ein großer, schlanker und sehr gelehrter Mann, der sein in sehr hoher Sprache verfaßtes Predigt-Manuskript mit beinahe geschlossenen Augen, mit tiefster Baßstimme und im aller langsamsten Zeitmaße (eine Silbe per Sekunde) vortrug, so daß seine ungelehrten Zuhörer sehr wenig aus seinen Vorträgen fassen und behalten konnten. Er selbst bekannte einmal: "ich glaube nicht, daß diese Leute meine Predigten verstehen." Im Umgang sprach er ziemlich
zur Trauung, daß einzelne das Bethaus durch Erbrechen verunreinigten.  
Zufällig wohnte ich einmal einer Trauung im  
Arciser Bethaus bei, wo die Hochzeitsleute alle betrunken  
waren, namentlich der Bräutigam in solchem Grade, daß er  
zwei Mal vor dem Altare umfiel, von seinen Gesellen aufgehoben,  
zwei Mal hinausgebracht und wieder hereingeführt,  
neben seine Braut gestellt werden mußte. Die vor dem Altare  
allein stehende Braut - das arme Mädchen! - weinte bitterlich,  
und der Pastor machte, während der Bräutigam abwesend  
war, in seiner Traurede eine Pause, bis Letzterer wieder  
dastand, und vollzog die Trauung ohne ein Wort der Rüge  
über solchen Gräuel zu sagen. Ein ander Mal kam ich zufällig  
zu einer Taufhandlung, bei welcher ein trunkener Taufzeuge  
auf die nach der würtembergischen Agende an ihn gestellte  
Frage: „widersagst du dem Teufel“ u.s.w. antwortete: „ich
glaube;und auf die zweite Frage: „glaubest du an Gott  
Vater“ u.s.w anwortete: „ich widersage.Er wurde von  
dem Schullehrer, der die Taufe verrichtete, fortgeschafft. Gewöhnlich  
begleiteten die zur hochzeitlichen Tanzmusik bestellten  
Geiger und Pfeifer die Brautpaare zur Trauung, gingen mit  
in das Bethaus, fiedelten und dudelten, so gut es eben ging,  
die bei der Trauung vorkommenden Traulieder nach, und ich  
sah den Pastor, als ein vom Altare zurückkehrendes Brautpaar
von ihnen an der Bethausthür mit einem lustigen Walzer begrüßt  
wurde, lachen, indem er sagte: „denen wird die Freude  
eingetrichtert.Sehr ungünstig zur Weckung und Förderung  
eines christlichen Lebens war es, daß die vielen, obwohl in zwei  
Kirchspiele getheilten Kolonien lange Zeit nur Einen, und dazu  
ungläubigen Pastor hatten. 1815 schickte die Regierung den  
Pastor Sch. nach Tarutino, ein herablassender, freundlicher  
und rechtlich gesinnter Tugendprediger, der sich der Kolonisten  
sehr annahm, aber schon 1820 starb. Kurz vor Sch's Tode  
kam Pastor Wl. nach Arcis, ein großer, schlanker und sehr  
gelehrter Mann, der sein in sehr hoher Sprache verfaßtes  
Predigt-Manuskript mit beinahe geschlossenen Augen, mit  
tiefster Baßstimme und im aller langsamsten Zeitmaße (eine Sylbe
per Sekunde) vortrug, so daß seine ungelehrten Zuhörer sehr  
wenig aus seinen Vorträgen fassen und behalten konnten. Er  
selbst bekannte einmal: „ich glaube nicht, daß diese Leute  
meine Predigten verstehen.Im Umgang sprach er ziemlich

Aktuelle Version vom 1. Dezember 2013, 18:02 Uhr

GenWiki - Digitale Bibliothek
Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[14]
Nächste Seite>>>
[16]
Datei:Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



Acta genommen worden, aber Scheidekosten und Traugebühr wurden gehörig entrichtet. Oft kamen die Leute so betrunken zur Trauung, daß einzelne das Bethaus durch Erbrechen verunreinigten. Zufällig wohnte ich einmal einer Trauung im Arciser Bethaus bei, wo die Hochzeitsleute alle betrunken waren, namentlich der Bräutigam in solchem Grade, daß er zwei Mal vor dem Altare umfiel, von seinen Gesellen aufgehoben, zwei Mal hinausgebracht und wieder hereingeführt, neben seine Braut gestellt werden mußte. Die vor dem Altare allein stehende Braut - das arme Mädchen! - weinte bitterlich, und der Pastor machte, während der Bräutigam abwesend war, in seiner Traurede eine Pause, bis Letzterer wieder dastand, und vollzog die Trauung ohne ein Wort der Rüge über solchen Gräuel zu sagen. Ein ander Mal kam ich zufällig zu einer Taufhandlung, bei welcher ein trunkener Taufzeuge auf die nach der würtembergischen Agende an ihn gestellte Frage: „widersagst du dem Teufel“ u.s.w. antwortete: „ich glaube;“ und auf die zweite Frage: „glaubest du an Gott Vater“ u.s.w anwortete: „ich widersage.“ Er wurde von dem Schullehrer, der die Taufe verrichtete, fortgeschafft. Gewöhnlich begleiteten die zur hochzeitlichen Tanzmusik bestellten Geiger und Pfeifer die Brautpaare zur Trauung, gingen mit in das Bethaus, fiedelten und dudelten, so gut es eben ging, die bei der Trauung vorkommenden Traulieder nach, und ich sah den Pastor, als ein vom Altare zurückkehrendes Brautpaar von ihnen an der Bethausthür mit einem lustigen Walzer begrüßt wurde, lachen, indem er sagte: „denen wird die Freude eingetrichtert.“ Sehr ungünstig zur Weckung und Förderung eines christlichen Lebens war es, daß die vielen, obwohl in zwei Kirchspiele getheilten Kolonien lange Zeit nur Einen, und dazu ungläubigen Pastor hatten. 1815 schickte die Regierung den Pastor Sch. nach Tarutino, ein herablassender, freundlicher und rechtlich gesinnter Tugendprediger, der sich der Kolonisten sehr annahm, aber schon 1820 starb. Kurz vor Sch's Tode kam Pastor Wl. nach Arcis, ein großer, schlanker und sehr gelehrter Mann, der sein in sehr hoher Sprache verfaßtes Predigt-Manuskript mit beinahe geschlossenen Augen, mit tiefster Baßstimme und im aller langsamsten Zeitmaße (eine Sylbe per Sekunde) vortrug, so daß seine ungelehrten Zuhörer sehr wenig aus seinen Vorträgen fassen und behalten konnten. Er selbst bekannte einmal: „ich glaube nicht, daß diese Leute meine Predigten verstehen.“ Im Umgang sprach er ziemlich