Handbuch der praktischen Genealogie/390: Unterschied zwischen den Versionen
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{{randtextre|Psychiologische Kritik von Krankheitsberichten.}}{{NE}}Dabei stellt sich heraus, daß zwar in der überwiegenden Zahl der Fälle die Berichte der Angehörigen einen sehr wertvollen Einblick in die Entstehung der Krankheit gewähren, daß aber auch diese Referenten, nicht nur der Patient selbst, vom kritischen Standpunkt der Psychologie der Aussage betrachtet werden müssen. Die Hauptgruppen von Fehlern, auf die man bei den Angehörigen während der Ausfragung über die Entstehung der Krankheit trifft, sind folgende: | |||
{{NE}}1. Absichtliches Verschweigen von bestimmten psychiatrisch wichtigen Tatsachen, z. B. von Selbstmordversuchen, syphilitischer Infektion, Straftaten, Fällen von Geisteskrankheit in der Familie usw., wobei als Motive häufig eine dem Arzt gegenüber falsche Scham, geschäftliche Rücksichten, Bindung durch vorher in der Familie geschehene Besprechung usw. später zutage kommen. Durch solche Weglassungen in den Angaben der Angehöriger können für den behandelnden Arzt außerordentlich schwierige Situationen in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung entstehen, da ihm alsdann wesentliche Voraussetzungen für die Beurteilung fehlen. Es ist daher immer notwendig, bei der Erörterung der Vorgeschichte den eigenen Untersuchungsbefund mit solchen Angaben zu vergleichen und den Fragen zugrunde zu legen. Häufig geben die Angehörigen erst bei der dringenden Stellung bestimmter Fragen auf Grund des Befundes die ihnen schon längst bekannten Tatsachen zu. Eine Abart dieses Fehlers ist der allerdings sehr seltene, daß aus irgendwelchen Absichten direkt ''falsche'' Angaben über den Patienten gemacht werden. | |||
{{NE}}2. Unbewußte Auslassungen, die entweder auf Mangel an Wahrnehmung oder auf dem Vergessen von bestimmten Tatsachen beruhen. Es ist geradezu erstaunlich, wie manchmal eine Reihe von Vorfällen, die für die diagnostische Auffassung sehr wesentlich sind, von den Angehörigen völlig ausgeschaltet werden und erst allmählich bei eindringlicher Erörterung zutage kommen. | |||
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{{NE}}4. Unrichtige Kausalvorstellungen über die Entstehung der Krankheit, die häufig auf bestimmten allgemeinen Auffassungen und Lebenserfahrungen der Referenten beruhen, die sie dann fälschlich auf die Frage der Entstehung von Krankheiten anwenden. Dabei ist deutlich erkennbar, daß im allgemeinen fast immer ''äußere Ursachen'' für den Ausbruch der Krankheiten verantwortlich gemacht werden, während der Gedanke an innere Ursachen, d. h. an die Bedeutung der angeborenen Anlage und der Vererbung in der Regel den Angehörigen fernliegen. Allerdings scheint sich dies in den letzten beiden Jahrzehnten unter dem Einflusse der ins Volk dringenden Hereditätslehre allmählich zu ändern, worin sich eine parallele Erscheinung zu der wissenschaftlichen Entwicklung zeigt Die volkstümlichen Auffassungen sind nachträgliche Wirkungen der wissenschaftlichen Lehren. |
Aktuelle Version vom 14. Oktober 2012, 10:20 Uhr
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werden, so daß diese beiden Elemente, Bericht von anderen und eigene Untersuchung, deutlich unterschieden werden können.
Psychiologische Kritik von Krankheitsberichten. Dabei stellt sich heraus, daß zwar in der überwiegenden Zahl der Fälle die Berichte der Angehörigen einen sehr wertvollen Einblick in die Entstehung der Krankheit gewähren, daß aber auch diese Referenten, nicht nur der Patient selbst, vom kritischen Standpunkt der Psychologie der Aussage betrachtet werden müssen. Die Hauptgruppen von Fehlern, auf die man bei den Angehörigen während der Ausfragung über die Entstehung der Krankheit trifft, sind folgende:
1. Absichtliches Verschweigen von bestimmten psychiatrisch wichtigen Tatsachen, z. B. von Selbstmordversuchen, syphilitischer Infektion, Straftaten, Fällen von Geisteskrankheit in der Familie usw., wobei als Motive häufig eine dem Arzt gegenüber falsche Scham, geschäftliche Rücksichten, Bindung durch vorher in der Familie geschehene Besprechung usw. später zutage kommen. Durch solche Weglassungen in den Angaben der Angehöriger können für den behandelnden Arzt außerordentlich schwierige Situationen in praktischer und wissenschaftlicher Beziehung entstehen, da ihm alsdann wesentliche Voraussetzungen für die Beurteilung fehlen. Es ist daher immer notwendig, bei der Erörterung der Vorgeschichte den eigenen Untersuchungsbefund mit solchen Angaben zu vergleichen und den Fragen zugrunde zu legen. Häufig geben die Angehörigen erst bei der dringenden Stellung bestimmter Fragen auf Grund des Befundes die ihnen schon längst bekannten Tatsachen zu. Eine Abart dieses Fehlers ist der allerdings sehr seltene, daß aus irgendwelchen Absichten direkt falsche Angaben über den Patienten gemacht werden.
2. Unbewußte Auslassungen, die entweder auf Mangel an Wahrnehmung oder auf dem Vergessen von bestimmten Tatsachen beruhen. Es ist geradezu erstaunlich, wie manchmal eine Reihe von Vorfällen, die für die diagnostische Auffassung sehr wesentlich sind, von den Angehörigen völlig ausgeschaltet werden und erst allmählich bei eindringlicher Erörterung zutage kommen.
3. Erinnerungstäuschungen, die dazu führen, daß vergangene Dinge in falsche Reihenfolge gebracht, miteinander verwechselt oder fälschlich verbunden werden.
4. Unrichtige Kausalvorstellungen über die Entstehung der Krankheit, die häufig auf bestimmten allgemeinen Auffassungen und Lebenserfahrungen der Referenten beruhen, die sie dann fälschlich auf die Frage der Entstehung von Krankheiten anwenden. Dabei ist deutlich erkennbar, daß im allgemeinen fast immer äußere Ursachen für den Ausbruch der Krankheiten verantwortlich gemacht werden, während der Gedanke an innere Ursachen, d. h. an die Bedeutung der angeborenen Anlage und der Vererbung in der Regel den Angehörigen fernliegen. Allerdings scheint sich dies in den letzten beiden Jahrzehnten unter dem Einflusse der ins Volk dringenden Hereditätslehre allmählich zu ändern, worin sich eine parallele Erscheinung zu der wissenschaftlichen Entwicklung zeigt Die volkstümlichen Auffassungen sind nachträgliche Wirkungen der wissenschaftlichen Lehren.