Handbuch der praktischen Genealogie/386: Unterschied zwischen den Versionen
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die daraus entsteht, daß der individuell fast gleiche Vorgang sich auf engem Raume hundert und tausendmal wiederholt. Der tatsichliche Sachverhalt läßt sich etwa folgendermaßen darstellen. Wo der moderne Handarbeiter auch tätig sein mag, da fügt er sich einem System ein und wirkt innerhalb eines feststehenden, gegebenen Rahmens. Sobald er nun seine Aufgabe technisch erfaßt hat, arbeitet er, selbst bei Verrichtungen, die an sich Aufmerksamkeit und Sorgfalt erfordern, mechanisch und hat keine Gelegenheit, wirtschaftliche Initiative zu entfalten. Dadurch aber schwindet ihm, dessen ganzes Denken nur konkrete Dinge zu fassen vermag, der Sinn für das ''Wirtschaften'' überhaupt; das, was für ihn subjektiv etwas Gegebenes ist, betrachtet er alsbald auch objektiv als gegeben und fühlt sich nun als durch das Schicksal an irgendeine Stelle geworfen, die ihm zwar Brot, aber keine geistige Befriedigung gewährt Aus dieser seelischen Stimmung heraus wächst das Bewußtsein, ''„nur“'' Handarbeiter zu sein, entsteht der Gegensatz zum Unternehmertum und das Gefühl, ausgebeutet zu werden. Daß es tatsächlich ein soziales Aufsteigen auch heute noch gibt<ref>''Ehrenberg'' und ''Racine'' stellen fest, daß in der dritten Generation der untersuchten 196 Familien bereits ein ''Viertel'' nach oben über den Stand der Handarbeiter hinausgelangt ist (S. 396).</ref> und daß nur der ''Wirtschaftssinn'' einen solchen Aufstieg ermöglicht, will man nicht wissen und anerkennen, und so festigt sich die falsche Überzeugung, daß der als Proletarier Geborene dazu verurteilt sei, auch als solcher zu sterben und gerade so seine Kinder und Kindeskinder. Nur ein schwacher Trost leuchtet in der Ferne, daß sich nämlich die Verhältnisse auch einmal umkehren könnten, daß dann dem Handarbeitertum das Los zufallen könnte, die ''Herrscherklasse'' zu bilden. Dieses Gaukelbild des politischen Sozialismus muß jeden Kopf bestechen, der nicht gewöhnt ist, auch bei abstraktem Denken die Phantasie in ihre Schranken zu weisen. | |||
Die von der üblichen Kennzeichnung der modernen Gesellschaftsverfassung wesentlich abweichende Darstellung, die hier gegeben wurde, ist genealogisch begründet; sie ist durch Beobachtungen an vergleichsweise wenigen Einzelfällen gewonnen, aber jeder Einzelfall ist erhärtet durch einen annähernd vollständigen Überblick über eine ganze Familie durch mehrere Generationen hindurch, so daß sowohl die unmittelbaren Vorfahren jeder heute lebenden Person als auch die Geschwister jeder in der Stammreihe auftretenden Person nach Lebensstellung, Wohnort usw. bestimmt sind. Die Mannigfaltigkeit, die sich zunächst zeigt, schwindet zusehends, sobald typische Benennungen an Stelle der konkreten Berufsbezeichnungen treten und die Ortsnamen durch Entfernungsangaben, die von einem richtig gewählten Mittelpunkte aus berechnet sind, ersetzt werden. So oft neu bearbeitete Stammtafeln in dieser Weise geprüft wurden, immer wieder ergaben sich die nämlichen Zustände. | --- | ||
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Aktuelle Version vom 14. Oktober 2012, 09:33 Uhr
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Handbuch der praktischen Genealogie | |
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Band 2 Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI | |
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die daraus entsteht, daß der individuell fast gleiche Vorgang sich auf engem Raume hundert und tausendmal wiederholt. Der tatsichliche Sachverhalt läßt sich etwa folgendermaßen darstellen. Wo der moderne Handarbeiter auch tätig sein mag, da fügt er sich einem System ein und wirkt innerhalb eines feststehenden, gegebenen Rahmens. Sobald er nun seine Aufgabe technisch erfaßt hat, arbeitet er, selbst bei Verrichtungen, die an sich Aufmerksamkeit und Sorgfalt erfordern, mechanisch und hat keine Gelegenheit, wirtschaftliche Initiative zu entfalten. Dadurch aber schwindet ihm, dessen ganzes Denken nur konkrete Dinge zu fassen vermag, der Sinn für das Wirtschaften überhaupt; das, was für ihn subjektiv etwas Gegebenes ist, betrachtet er alsbald auch objektiv als gegeben und fühlt sich nun als durch das Schicksal an irgendeine Stelle geworfen, die ihm zwar Brot, aber keine geistige Befriedigung gewährt Aus dieser seelischen Stimmung heraus wächst das Bewußtsein, „nur“ Handarbeiter zu sein, entsteht der Gegensatz zum Unternehmertum und das Gefühl, ausgebeutet zu werden. Daß es tatsächlich ein soziales Aufsteigen auch heute noch gibt[1] und daß nur der Wirtschaftssinn einen solchen Aufstieg ermöglicht, will man nicht wissen und anerkennen, und so festigt sich die falsche Überzeugung, daß der als Proletarier Geborene dazu verurteilt sei, auch als solcher zu sterben und gerade so seine Kinder und Kindeskinder. Nur ein schwacher Trost leuchtet in der Ferne, daß sich nämlich die Verhältnisse auch einmal umkehren könnten, daß dann dem Handarbeitertum das Los zufallen könnte, die Herrscherklasse zu bilden. Dieses Gaukelbild des politischen Sozialismus muß jeden Kopf bestechen, der nicht gewöhnt ist, auch bei abstraktem Denken die Phantasie in ihre Schranken zu weisen.
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Sozialwissenschaftliche Aufgaben der Genealogie. Die von der üblichen Kennzeichnung der modernen Gesellschaftsverfassung wesentlich abweichende Darstellung, die hier gegeben wurde, ist genealogisch begründet; sie ist durch Beobachtungen an vergleichsweise wenigen Einzelfällen gewonnen, aber jeder Einzelfall ist erhärtet durch einen annähernd vollständigen Überblick über eine ganze Familie durch mehrere Generationen hindurch, so daß sowohl die unmittelbaren Vorfahren jeder heute lebenden Person als auch die Geschwister jeder in der Stammreihe auftretenden Person nach Lebensstellung, Wohnort usw. bestimmt sind. Die Mannigfaltigkeit, die sich zunächst zeigt, schwindet zusehends, sobald typische Benennungen an Stelle der konkreten Berufsbezeichnungen treten und die Ortsnamen durch Entfernungsangaben, die von einem richtig gewählten Mittelpunkte aus berechnet sind, ersetzt werden. So oft neu bearbeitete Stammtafeln in dieser Weise geprüft wurden, immer wieder ergaben sich die nämlichen Zustände.
- ↑ Ehrenberg und Racine stellen fest, daß in der dritten Generation der untersuchten 196 Familien bereits ein Viertel nach oben über den Stand der Handarbeiter hinausgelangt ist (S. 396).